Elektroautos

Evergrande wechselt auf neues Terrain

Evergrande hält die Anleger weiterhin in Atem. Nun überlegt der schwer angeschlagene Immobilienentwickler auf ein neues Geschäftsfeld umzuschwenken, das allerdings nicht minder kapitalintensiv ist: den Bau von Elektroautos.

Evergrande wechselt auf neues Terrain

nh Schanghai

Evergrande will sich anstelle von Wohnungsbauprojekten dem Bau von Elektrofahrzeugen zuwenden, ein Geschäft, um das sich die noch im Entwicklungsstadium befindliche Tochter Evergrande New Energy Vehicles (NEV) konzentriert. Über entsprechende Pläne von Gründer und CEO Hui Ka Yan berichtet die chinesische Finanzzeitung „Securities Times“. Die Äußerungen des Evergrande-Chefs sind am Montag zunächst auf eine euphorische Marktreaktion gestoßen. So schoss die Aktie des im vergangenen Jahr von Evergrande separat an die Hongkonger Börse gebrachten Automobil-Start-ups anfänglich um 17% in die Höhe, während die Aktie der Evergrande Real Estate Group um bis zu 6% avancierte. Bis zum Handelsschluss in Hongkong reduzierte sich der Tagesgewinn bei Evergrande NEV allerdings wieder auf gut 11%, während Evergrande Real Estate sogar knapp 1% einbüßte.

Skepsis im Markt

Angesichts der Tatsache, dass der Evergrande-Chef eher für großspurige Äußerungen und kühne Visionen bekannt ist als für nachhaltige Operationen, hegen die Marktteilnehmer einigen Zweifel, dass Evergrande NEV eine realistische Chance hat, sich im heiß umkämpften chinesischen Markt für Batteriefahrzeuge eine aussichtsreiche Wettbewerbsstellung zu erkämpfen. Gegenwärtig wird das Elektroautogeschäft im Reich der Mitte von der amerikanischen Tesla sowie einer Hand voll chinesischer Adressen dominiert, während sich die etablierten globalen Autobauer gerade erst zu positionieren beginnen.

In den letzten Monaten musste die als Randgeschäft hochgezüchtete Evergrande NEV zusehen, wie die gravierende Verschuldungskrise der Muttergesellschaft einen immer heftigeren Vertrauensentzug der Anleger mit sich brachte. Tatsächlich ist derzeit nicht abzusehen, wie die klamme Konzernmutter genügend Finanzierungsmittel aufbringen kann, um das cash-hungrige und noch hohe Verluste schreibende Elektromobilitätsprojekt voranzutreiben. Wie Evergrande im August mitteilte, stand beim Elektroauto-Start-up in der ersten Jahreshälfte 2021 ein um 67% erhöhter Nettoverlust von 4,8 Mrd. Yuan (650 Mill. Euro) zu Buche. Gleichzeitig konnten keine Fortschritte in Sachen Aufnahme einer Serienproduktion vermeldet werden, obwohl diese ursprünglich bereits für Herbst 2020 avisiert worden war. Noch im September hatte Evergrande NEV in einer Warnung erklärt, dass man aufgrund der prekären Finanzsituation der Evergrande-Mutter auf den Eintritt neuer Finanzinvestoren angewiesen sei, um das E-Mobilität-Projekt weiterzuführen beziehungsweise eine Serienproduktion anlaufen zu lassen, und gegenwärtig kaum in der Lage sei, laufende Kosten und Gehälter abzudecken. Vor zwei Wochen allerdings ließ Evergrande NEV dann die wesentlich optimistischere Nachricht verbreiten, dass ein erstes Fahrzeugmodell namens „Hengchi“ nun doch zu Beginn des kommenden Jahres vom Band laufen könnte.

Analysten in Schanghai betonen, dass ein strategischer Richtungswechsel von Evergrande insofern Sinn machen könnte, als der Elektroautobau eine vom chinesischen Staat favorisierte und geförderte Branche ist, während sich die Regierung anschickt, am Immobilienmarkt die Zügel anzuziehen um die seit Jahren grassierende Häuserpreisinflation zu dämpfen. Gegenwärtig ist allerdings noch nicht einmal absehbar, ob Evergrande als Going Concern überhaupt erhalten werden kann.

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