David Kamenetzky

„Familien­konzerne denken in Generationen“

Große, international tätige Familienkonzerne wie Merck oder Mulliez sind wandlungsfähiger als Unternehmen ohne Ankeraktionäre. Das ist eines der Ergebnisse einer Studie des Investors Daniel Kamenetzky, der viele Jahre in familiengeführten Unternehmen als Manager tätig gewesen ist.

„Familien­konzerne denken in Generationen“

Von Detlef Fechtner, Frankfurt

Weltweit tätige Familienunternehmen haben nach Überzeugung von David Kamenetzky gegenüber Firmen mit einem breiten Aktionariat einen Vorteil, wenn es darum geht, sich neu zu positionieren, Risiken zu übernehmen oder neue Geschäfte aufzubauen. „Familienkonzerne können sich radikaler transformieren“, unterstreicht Kamenetzky im Gespräch mit der Börsen-Zeitung. Der Investor, der viele Jahre bei Mars, Anheuser-Busch Inbev oder Joh. A. Benckiser als Manager tätig gewesen ist, hat zahlreiche Gespräche mit Vertretern unter anderem der Eigentümerfamilien von Bosch, Mulliez, Merck, A.P. Møller-Mærsk, Ingka (Ikea) und Kirkbi (Lego) geführt – und auf dieser Basis eine Studie verfasst.

„Für das Management ist es wesentlich einfacher, weitreichende Schritte zu gehen, wenn es Ankeraktionäre im Rücken hat“, begründet Kamenetzky, warum er Familienkonzernen eine hohe Wandlungs- und Handlungsfähigkeit attestiert. Deren Management sei es möglich, relevante Entscheidungen sehr kurzfristig zu treffen. „Da sind keine Monate nötig, sondern das geht, wenn es sein muss, binnen 24 Stunden.“

Wesentliche Grundlage für die erfolgreiche Erneuerung sei in vielen Fällen die Einigkeit in der Familie. Das bedeute nicht, dass es in Familienunternehmen nicht Foren gebe, in denen kontrovers diskutiert werde. „Aber in allen Fällen, die ich mir genauer angeschaut habe, war in entscheidenden Momenten eine starke Einigkeit in der Familie festzustellen, getrieben vom Ziel, den langfristigen Erhalt des Unternehmens sicherzustellen und dafür auch zu tiefen Einschnitten oder weitreichenden Änderungen bereit zu sein“, berichtet Kamenetzky.

Öffnung für Externe

Schwere Kollisionen zwischen der Familie und anderen Anteilseignern habe er nicht wahrgenommen. Voraussetzung dafür sei allerdings die Öffnung der Familie für externe Führungskräfte – und eine robuste Governance. Damit meint er „Spielregeln, die dafür sorgen, dass die Familien nicht gelähmt sind in ihren Entscheidungen“. Dazu gehöre etwa, dass es Ausstiegsszenarien gebe, damit sich Familienmitglieder aus dem Unternehmen verabschieden können.

Üblicherweise gebe es ein klares Bündel von Einflussmöglichkeiten: „Die Familien haben die wichtigsten Entscheidungen in ihren Händen: Unternehmenskultur, Kapitalstruktur, Besetzung der Spitzenposten und M&A“, erläutert Kamenetzky.

Was die Einflussnahme auf das Unternehmen angehe, gebe es unterschiedliche Modelle, wie die Gremien der Familien organisiert seien. Kamenetzky nennt als Beispiele die „Familiy Assembly“ als Zusammenkunft aller Mitglieder der Familie oder den „Shareholder Council“, in dem sich diejenigen treffen, in deren Händen die Stimmrechte liegen. „Meiner Einschätzung nach hat Merck das augefeilteste System der Governance in der Familie, das ist ja auch schon 350 Jahre alt und erprobt.“

Er weist darauf hin, dass der Planungshorizont der Familienkonzerne langfristig sei, oft 10 bis 15 Jahre. Natürlich plane das Management wesentlich kurzfristiger, in der operativen Planung in Etappen von 24 bis 36 Monaten. „Strategisch denken Familienkonzerne indes in Generationen.“

Diese langfristige Orientierung schaffe für das Management wiederum hilfreiche Leitplanken für die kurzfristiger ausgerichtete Steuerung des operativen Geschäfts. „Weil man weiß, wo es langfristig hingehen soll“, erklärt Kamenetzky. Das mache es auch einfacher, Megatrends früher zu antizipieren.

Was die Besetzung der Top-Positionen angeht, haben Familienkonzerne laut Kamenetzky einen Vorteil bei der Rekrutierung von Führungskräften. Denn Manager wüssten, dass in Firmen ohne Ankeraktionäre die ständige Kommunikation kurzfristiger Erfolge zum Pflichtprogramm gehöre und sie pro Quartal alleine zwei Wochen lang damit beschäftigt seien, den Anteilseignern und Anleiheinvestoren über den aktuellen Stand der Geschäfte zu berichten.

Vorreiter bei Nachhaltigkeit

Was das Thema Nachhaltigkeit angeht, hat Kamenetzky in seiner Studie beobachtet, dass Familienkonzerne oft zu den Vorreitern zählen. Das hänge natürlich mit der langfristigen Ausrichtung zusammen, aber auch mit dem Verständnis, dass man gesellschaftliche Akzeptanz benötige, um erfolgreich zu wirtschaften – er spricht von einer „licence to operate“. Zudem seien in Familienunternehmen viele Anteilseigner Frauen, was wiederum dazu geführt hat, dass Frauen auch auf der Managementseite schon sehr früh sehr relevante Rollen gespielt haben.

Beim internationalen Vergleich der großen globalen Familienkonzernen treffe man überraschenderweise auf viele Gemeinsamkeiten, etwa in der Governance, obwohl es untereinander wenig Austausch gebe. Als eine wesentliche Gemeinsamkeit hebt Kamenetzky hervor, dass Familienkonzerne nicht monetär getrieben seien. „Vorrangiges Ziel ist es nicht, Reichtum zu mehren, sondern das Vermächtnis – die „legacy“ – zu erhalten, weiterzuentwickeln und zukunftsfähig zu machen.“ Es gehe also um einen unternehmerischen Anspruch – zum Beispiel wie bei Merck, Innovationen zu schaffen.

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