Übernahme

Faurecia und Hella gemeinsam im Cockpit

Der französische Automobilzulieferer Faurecia und die deutsche Hella schließen sich zum weltweit siebtgrößten Zulieferer zusammen. Der Fokus liegt auf E-Mobilität.

Faurecia und Hella gemeinsam im Cockpit

ab Düsseldorf

Der französische Autozulieferer Faurecia steigt mit 60% bei Hella ein und unterbreitet den freien Aktionären ein Angebot von 60 Euro je Aktie. Hella wird in der Transaktion mit 6,7 Mrd. Euro bewertet, wie Faurecia mitteilt. Wird die Dividende, die Hella im Herbst auszahlt, berücksichtigt, ergibt sich eine Bewertung von 6,8 Mrd. Euro. Mit einem kombinierten Umsatz von 23 Mrd. Euro – Hella steht für einen Umsatz von 6,5 Mrd. Euro – steigen die beiden Autozulieferer zur weltweiten Nummer 7 auf. Für den Zusammenschluss wird auf die perfekte Ergänzung in inhaltlicher und regionaler Hinsicht verwiesen.

Stolze Prämie

Inklusive der von Hella zur Ausschüttung vorgesehenen Dividende von 0,96 Euro je Aktie errechnet sich eine Prämie auf den letzten unbeeinflussten Drei-Monats-Durchschnittskurs von 24%. Der letzte unbeeinflusste Kurs datiert auf den 26. April. Am Tag danach hatten die Hella kontrollierenden Familien Hueck und Röpke die Verkaufsabsicht für ihre gepoolte 60-%-Beteiligung annonciert.

Das Paket der Poolaktionäre wird mit 4 Mrd. Euro bewertet. Zur Finanzierung greift Faurecia auf eine Kombination aus Cash und Aktien zurück. Die Barkomponente beläuft sich auf 3,4 Mrd. Euro. Die Poolaktionäre von Hella werden im Rahmen der Transaktion bis zu 9% an Faurecia halten. Die Beteiligung unterliegt einer Sperrfrist von 18 Monaten. Die Familie ließ sich von Rothschild und rechtlich von Hengeler Mueller beraten. Hella standen Perella Weinberg und Freshfields zur Seite, und Faurecia hatte Lazard und Société Générale sowie White & Case engagiert.

Keine Mindestannahmequote

Das öffentliche Angebot an die freien Hella-Aktionäre soll im September lanciert werden. Die Transaktion wird vom Verwaltungsrat von Faurecia, den Poolaktionären von Hella und dem Hella-Management unterstützt. Faurecia verfügt über eine Brückenfinanzierung im Volumen von 5,5 Mrd. Euro, die Société Générale und Natixis bereitstellen. Zur Refinanzierung will Faurecia neben der Emission von Anleihen und dem Rückgriff auf Bankdarlehen auch das Eigenkapital um bis zu 800 Mill. Euro erhöhen.

Geplant ist eine Bezugsrechtsemission, an der nach den Angaben der Aktienpool von Hella entsprechend seiner Beteiligung teilnimmt. Zudem hätten Peugeot und BPI France, die 3,1% bzw. 2,1% halten, signalisiert, ihre Bezugsrechte auszuüben. Für die Übernahme wie auch die damit verbundenen Kapitalmaßnahmen be­nötigt Faurecia keine gesonderte Genehmigung durch die Aktionäre.

Aufgrund der Rechtsform von Hella als KGaA werde es Faurecia möglich sein, auch ohne Beherrschungsvertrag die Kostensynergien und Optimierungsmaßnahmen zu realisieren, heißt es. Von daher wird das öffentliche Angebot auch keine Mindestannahmequote enthalten.

Der Kurs der im MDax notierten Hella hat sich mit Bekanntgabe der Transaktion in Richtung des angekündigten Übernahmepreises bewegt. Mit 61,04 Euro (– 3,4%) lag der Kurs am Montagabend nur noch leicht über dem Übernahmepreis inklusive Dividende von 60,96 Euro. Natürlich werde Faurecia beim Überschreiten von 95% ein Delisting anstreben. Um die Wachstumspläne zu verwirklichen, sei das jedoch nicht erforderlich, sagte Faurecia-Chef Patrick Koller. Etwa 85% der Kostensynergien seien auch ohne Delisting realisierbar. Der Zusammenschluss sei nicht aus der Not geboren, sondern folge einer Wachstumsstrategie, die sich gerade aus dem Umfeld der im Umbruch befindlichen Autoindustrie ergebe.

Die Kostensynergien sollen zu einer Steigerung des operativen Ergebnisses vor Abschreibungen (Ebitda) von mehr als 200 Mill. Euro p.a. führen. 80% des Synergiepotenzials sollen bis 2024 gehoben sein. Zudem wird bis 2025 mit Umsatzsynergien von 300 Mill. bis 400 Mill. Euro gerechnet. Zudem werde im Zeitraum 2022 bis 2025 die Optimierung des Cash-flows um jährlich 200 Mill. Euro angestrebt, heißt es.

Die hohen Cash-flows sollen dazu beitragen, dass Faurecia den Verschuldungshebel, der zunächst auf das 2,5-Fache des Ebitda steigt, bis 2025 wieder unter 1 zu drücken. Faurecia geht davon aus, von allen drei Ratingagenturen die Bestätigung der Bonitätseinstufung zu erhalten. Mit „BB“ (Standard & Poor’s), „Ba2“ (Moody’s) und „BB+“ (Fitch) verfügt Faurecia allerdings bei keiner Agentur über ein Rating im Investment Grade.

Um die Gunst der Familienaktionäre zu gewinnen, hat Faurecia nach den Angaben langjährige Zusagen für Standorte und Investitionen gemacht. Zudem werde an bestehenden Betriebsvereinbarungen und Tarifverträgen festgehalten. „Hella hat damit die idealen Voraussetzungen, weiterhin langfristig erfolgreich zu sein“, wird Jürgen Behrend, der Leiter des Familienpools, zitiert.

Breidenbach bleibt an Bord

Das in Lippstadt ansässige Unternehmen erhält für drei der künftig sechs Geschäftsbereiche die Zuständigkeit. Der entscheidende Erfolgsfaktor für die Integration sei die Stabilität und das Engagement des Hella-Managements. Von daher sollen „wesentliche Führungsaufgaben“ auf Hella-Manager übertragen werden. Zudem werde ein paritätisch besetztes Integrationsteam installiert, das den Zusammenschluss federführend begleitet. Die Positionen in diesem Integrationsteam würden nach dem Best-in-Class-Prinzip besetzt. Rolf Breidenbach, Vorsitzender der Hella-Geschäftsführung, soll Koller zufolge „ganz klar“ im gemeinsamen Ma­nagementteam vertreten sein.

Letztlich soll der Zusammenschluss dazu befähigen, die Transformation in die Welt der E-Mobilität besser zu bewältigen. War 2020 noch ein Viertel der Umsätze des kombinierten Unternehmens vom Verbrennungsmotor abhängig, sollen es zum Abschluss der Transaktion, mit der Anfang 2022 gerechnet wird, weniger als 20% und bis 2025 etwa 10% sein. „Gemeinsam werden wir einen entscheidenden Vorsprung haben, wenn es darum geht, von den strategischen Treibern der Transformation der Automobilindustrie zu profitieren“, sagte Koller, und Breidenbach ergänzte: „Eins und eins sind drei.“

Faurecia verfolgt mit Hella ambitionierte Ziele
in Mrd. Euro2021 *202220232025
Umsatz2326,528,5>33
Ebitda3,244,45
Ebit-Marge (%)≥ 788,5>8,5
Netto-Cash-flow> 0,7511,251,75
*) nicht kalendarisiert, Faurecia Geschäftsjahr 2021, Hella Geschäftsjahr 2020/21 (31. Mai)Börsen-Zeitung
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