Der britische Finanzinvestor Cinven erwirbt eine Mehrheitsbeteiligung an Grant Thornton UK, einem der sechs größten Wirtschaftsprüfungs- und Beratungsunternehmen in Großbritannien. Die britischen Partner von Grant Thornton würden als bedeutende Anteilseigner neben den Cinven-Fonds in das Unternehmen investiert bleiben, teilte die Private-Equity-Firma am Donnerstag mit. Für den Abschluss der Transaktion braucht es noch die Zustimmung der Partner und der Kartellwächter.

Im Bieterwettbewerb hat sich Cinven damit gegen die schwedische Beteiligungsgesellschaft EQT und New Mountain Capital, den Miteigentümer von Grant Thornton in den USA, durchgesetzt, die ebenfalls am Kauf von Grant Thornton UK interessiert waren. Zeitweise wurde laut Sky News auch Permira und Carlyle Interesse nachgesagt. Nach Angaben aus Finanzkreisen wurde Grant Thornton UK bei dem Deal mit einem Betrag in der Größenordnung von 1,5 Mrd. Pfund bewertet. Kritiker befürchten bei Wirtschaftsprüfern in Private-Equity-Hand das vermehrte Auftreten von Interessenkonflikten.

Die in den USA gegründete Grant Thornton International ist ein weltweites Netzwerk aus rechtlich separaten Firmen. Insofern ist die Grant Thornton AG (ehemals Warth & Klein) in Deutschland, die hierzulande zu den zehn größten Wirtschaftsprüfern zählt und sich im Eigentum der Partner befindet, nicht von der Übernahme betroffen.

Laut Institut der Wirtschaftsprüfer in Deutschland (IDW) ist zwar europarechtlich „die unmittelbare Beteiligung von reinen Finanzinvestoren an Wirtschaftsprüfungsgesellschaften in bestimmten Grenzen zulässig“, wie der Berufsverband auf Anfrage erklärte. „In Deutschland ist dies indes nicht zulässig“, sagt IDW-Vorstandssprecherin Melanie Sack.

Gemäß Paragraf 28 Absatz 4 der Wirtschaftsprüferordnung (WPO) können Gesellschafter hierzulande ausschließlich Berufsangehörige, Wirtschaftsprüfungsgesellschaften, EU-Abschlussprüfer oder andere Personen sein, mit denen Wirtschaftsprüfer ihren Beruf gemeinsam ausüben dürfen. Das IDW spricht sich dafür aus, den Gesellschafterkreis von Wirtschaftsprüfungsgesellschaften zumindest um sogenannte mitarbeitende Experten zu erweitern. Dies könnten etwa Spezialisten aus den Bereichen Nachhaltigkeit oder Digitalisierung sein.

Bei dem Deal in Großbritannien agieren Goldman Sachs und Freshfields als Berater in finanziellen und rechtlichen Fragen für Cinven. Ebenfalls engagiert waren auf der Seite der Private-Equity-Firma die Berater von Oliver Wyman, EY (Financial & Tax) und Deloitte. Grant Thornton wurde von Rothschild, der Kanzlei DLA Piper, LEK und EY (Financial & Operations) beraten.

Grant Thornton beschäftigt in den 20 britischen Büros mehr als 240 Partner und 5.500 Mitarbeiter. Die Firma ist das jüngste Beispiel für ein Wirtschaftsprüfungs- und Beratungsunternehmen, das in die Hände von Buyout-Firmen fällt, die ein Auge auf den Sektor geworfen haben und in der Branche wachsen wollen. In den USA haben sich beispielsweise die Finanzinvestoren Hellman & Friedman sowie Valeas Capital an dem Top10-Wirtschaftsprüfer Baker Tilly US beteiligt. Außerdem soll auch der niederländische Zweig von Grant Thornton den Einstieg von Finanzinvestoren prüfen.

Grant Thornton sei ein wichtiger Akteur unter den „Big 6“ im Vereinigten Königreich und bediene „einen vielfältigen Blue-Chip-Kundenstamm und eine bedeutende Gruppe von Klienten im öffentlichen Sektor“, kommentierte Cinven das eigene Investment. Der Finanzinvestor hatte im Januar für seinen achten Flaggschiff-Fonds 14,5 Mrd. Dollar eingesammelt.

Laut Maxim Crewe, Partner und Leiter des Cinven-Teams für den Finanzdienstleistungssektor, verfügt die Private-Equity-Firma bereits über Erfahrungen mit Investitionen in personenbezogene Dienstleistungsunternehmen wie den Private-Equity-Fondsadministrator Alter Domus, den Cinven für 4,9 Mrd. Euro von Permira übernommen hat, sowie den Versicherungsmakler Miller und den Patentspezialisten CPA Global. Cinven werde Grant Thornton unterstützen, unter anderem durch Investitionen in die technologische Weiterentwicklung, die Gewinnung von Talenten und die Entwicklung des internationalen Grant Thornton-Netzwerks, hieß es.

Laut Malcolm Gomersall, CEO von Grant Thornton UK, war die Art und Weise, wie Cinven „unser Engagement für die Prüfungsqualität verstärken und verbessern“ könne, „ein wichtiges Unterscheidungsmerkmal bei unserer Entscheidung für eine Partnerschaft“. 2022 hatte der Financial Reporting Council gegen Grant Thornton UK eine Geldstrafe in Höhe von 1,3 Mill. Pfund verhängt - wegen „schwerwiegender Versäumnisse“ im Zusammenhang mit der Prüfung von Sports Direct, dem von Mike Ashley gegründeten Sportbekleidungsimperium, das heute als Frasers Group bekannt ist.