Firmen finden im E-Sport neue Kunden und Talente
Von Stefan Paravicini, Berlin
In der Welt der Videospiele haben die milliardenschweren Übernahmen der Spieleentwickler Activision Blizzard und Bungie durch Microsoft und Sony zum Jahresanfang Schlagzeilen gemacht. Sony hat zusammen mit den Eigentümern von Lego erst vor wenigen Tagen noch einmal 2 Mrd. Dollar bei Fortnite-Entwickler Epic investiert. In der Welt des E-Sports hat in diesem Jahr aber vor allem die Übernahme des deutschen Veranstalters Electronic Sports League (ESL) durch die schwedische Savvy Gaming Group für gut 1 Mrd. Dollar für Aufsehen gesorgt. Denn hinter Savvy steht ein Staatsfonds aus Saudi-Arabien, der zusammen mit ESL auch gleich den Konkurrenten Faceit einkaufte. „Das ist ein absolut interessanter Deal und auch ein Zeichen für andere Investoren“, sagt Gian Luca Vitale, der bei der Beratungs- und Prüfungsgesellschaft PwC für Gaming- und E-Sports-Business Advisory zuständig ist.
Insgesamt legte Savvy mit dem Eigentümer Public Investment Fund (PIF) 1,5 Mrd. Dollar für die beiden E-Sports-Firmen auf den Tisch. Die im Jahr 2000 in Köln gegründete ESL, die 2015 von der schwedischen Modern Times Group übernommen wurde, stieg bei dem Deal zum ersten Veranstalter mit einer Bewertung oberhalb von 1 Mrd. Dollar auf. Das Interesse saudischer Investoren ist aber nur ein weiterer Beleg dafür, dass die Strahlkraft des E-Sports rasant gestiegen ist.
„Man sieht ein beschleunigtes Wachstum in E-Sports“, stellt E-Sports- und Gaming-Experte Kim Lachmann von der Beratungsgesellschaft Deloitte fest. „Im Moment ist es aber immer noch eine Wette auf die Zukunft, die wenigsten Unternehmen sind profitabel“, betont Vitale. Im vergangenen Jahr hat die E-Sports-Branche in Deutschland nach Einschätzung von Marktbeobachtern wie Omdia nicht viel mehr als 100 Mill. Euro Umsatz generiert und lag damit unter den Top 5 hinter China, USA und Südkorea, aber noch vor Großbritannien. Die internationale E-Sports-Community aus digital affinen jungen Menschen weckt aber das Interesse von Werbekunden, die sie als Verbraucher, Markenbotschafter oder künftige Mitarbeiter gewinnen wollen. „Wir glauben dass es in das Thema Recruiting und Retention reingeht“, sagt Holger Kern, Head of Sports Business Advisory bei PwC, zu den Aussichten für Werbeerlöse im E-Sports-Sektor.
League of Legends statt Fifa
Daimler hat sich bereits 2019 zusammen mit Deutscher Telekom und Rewe an SK Gaming beteiligt, bei der auch der 1. FC Köln mitmischt. Eine Marke wie die Versicherung Wüstenrot, die man auf den ersten Blick nicht mit E-Sports in Verbindung bringt, ist ebenfalls engagiert. „Wer jetzt auch kommt, sind B2B-Unternehmen, die nach digitalen Talenten suchen“, sagt Vitale.
Sportvereine und Ligen versuchen ebenfalls schon länger, von der wachsenden Popularität des E-Sports zu profitieren und an zusätzlichen Erlösquellen zu partizipieren. „Aber E-Sports ist nicht gleich Fifa“, stellt Lachmann mit Blick auf Sportsimulationen wie das Fußball-Videospiel Fifa klar. „Die Top-E-Sports-Titel wie League of Legends haben ein komplett eigenes Geschäftsmodell, das eigenen Mechanismen folgt“, sagt Vitale. Der Traditionsverein FC Schalke 04 zählte hier lange zu den erfolgreichsten Akteuren, hat seinen Startplatz in der League of Legends European Championship (LEC) im vergangenen Jahr aber für etwas mehr als 26 Mill. Euro in die Schweiz verkauft, um sich auf den Wiederaufstieg in die Fußball-Bundesliga zu konzentrieren.
Der E-Sports-Bund Deutschland (ESBD) geht hierzulande von 40 000 bis 150 000 „Teams“ oder „Clans“ aus, die wettbewerbsmäßig in Videospielen wie Call of Duty, Fortnite oder League of Legends gegeneinander antreten. Spitzensportler, die in Profiteams organisiert sind, gibt es nach Einschätzung von Marktbeobachtern in Deutschland etwa 1000.