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Frankreich verteidigt europäische Führungsrolle bei KI

Frankreich hat die meisten KI-Start-ups in Europa und liegt auch bei Finanzierungsrunden vorn. Doch die Herausforderungen werden infolge des steigenden Wettbewerbs mit den USA größer.

Frankreich verteidigt europäische Führungsrolle bei KI

Frankreich verteidigt europäische Führungsrolle bei KI

Französische Start-ups liegen in Europa bei Finanzierungen vorn, doch die Herausforderungen nehmen zu

wü Paris

Die ganze Welt redet über das chinesische KI-Modell DeepSeek und das amerikanische KI-Projekt Stargate. Die ganze Welt? Nicht ganz. Ein von unbeugsamen Galliern bevölkertes Land in Europa hört nicht auf, der Vormacht der USA und Chinas beim Thema künstliche Intelligenz (KI) Widerstand zu leisten. Zwar spielt Europa in dem Bereich eine wesentlich kleinere Rolle als die Vereinigten Staaten und das Reich der Mitte. Doch der alte Kontinent hat mit Aleph Alpha aus Heidelberg und Wayve aus Großbritannien einige erfolgversprechende KI-Perlen hervorgebracht, allen voran Frankreich mit Mistral AI, Poolside und Dust.

Vielfältige Szene

Die französische KI-Start-up-Szene ist jedoch weit vielfältiger, wie die Kartierung zeigt, die der Start-up-Verband La France Digitale zusammen mit Sopra Steria Ventures und dem Investmentfonds H7 jetzt im Vorfeld des KI-Aktionsgipfels am 10. und 11. Februar in Paris veröffentlicht hat. 751 junge Unternehmen, die Produkte oder Dienstleistungen entwickeln, die KI einbeziehen oder die Infrastrukturen für KI entwickeln, gibt es derzeit in Frankreich. Das sind 27% mehr als bei der letzten Kartierung 2023. Und 64 mehr als in Deutschland.

Gleichzeitig sind die französischen KI-Start-ups finanziell robust. 84% von ihnen schreiben nach Angaben von La France Digitale bereits schwarze Zahlen oder rechnen damit, innerhalb der nächsten drei Jahre die Gewinnschwelle zu erreichen. Zum Vergleich: 2023 galt dies nur für 50% der jungen KI-Unternehmen.

Gleichauf mit Großbritannien

Auch bei Finanzierungsrunden hatten sie letztes Jahr die Nase vorn. Von den insgesamt 7,8 Mrd. Euro, die französische Start-ups 2024 eingesammelt haben, entfielen nach Angaben der Unternehmensberatung EY 1,6 Mrd. Dollar auf den Bereich generative KI, wobei Mistral AI und Poolside die größten Finanzierungsrunden realisierten. Damit sammelten französischen Spezialisten für generative KI genau so viel ein wie britische, obwohl Start-ups in Großbritannien insgesamt fast doppelt so viel Geld bekommen haben. Sie lagen damit auch vor deutschen KI-Wettbewerbern, die nach Angaben von Franck Sebag von EY 2024 gerade mal auf 620 Mill. Dollar kamen.

Entwicklungen für das Gesundheitswesen

Die französischen KI-Start-ups haben zudem inzwischen eine gewisse Reife erreicht, denn 44% von ihnen produzieren bereits und 34% internationalisieren sich. Die Daten von La France Digitale bieten weitere interessante Einblicke: So entwickeln mit 99 Unternehmen die meisten Anwendungen für das Gesundheitswesen oder Biotechnologie. Einige setzen wie Aqemia, Bioptimus und Owkin auf neue Behandlungsmethoden, andere wie Nabla und Care.foormi auf KI-Assistenten für Ärzte und Patienten. Ebenfalls stark vertreten sind die Bereiche Softwareentwicklung, Data und Cloud, Industrie und Fertigung, Finanzen und Versicherung.

Angesichts der geopolitischen Spannungen gebe es jetzt seit zwei, drei Jahren immer mehr KI-Anwendungen für den Rüstungsbereich, sagt Sopra-Steria-Ventures-Generaldirektor Socheat Chhay. Derzeit machen große Konzerne 35% der Kunden der KI-Start-ups aus, mittelgroße Unternehmen 22%, mittlere 13% und öffentliche Einrichtungen 11%.

Herausforderungen durch Wettbewerb mit den USA

Nicht weiter verwunderlich im zentralistischen Frankreich ist die Tatsache, dass sich 63% der KI-Start-ups im Großraum Paris angesiedelt haben, wo auch die Mehrheit der CAC 40-Konzerne sitzt. Danach folgen mit weitem Abstand die Regionen Okzitanien, die an die Schweiz angrenzende Auvergne-Rhône-Alpes und die Provence-Alpes-Côte d'Azur.

„Frankreich ist in Europa der Knotenpunkt für KI-Start-ups“, meint France-Digitale-Generaldirektorin Maya Noël. Die jüngsten Daten hätten die führende Rolle des Landes bestätigt. Doch dies dürfe nicht darüber hinwegtäuschen, dass die KI-Szene Frankreichs vor zahlreichen Herausforderungen stehe. Zugang zu Daten und Rechnerleistungen, aber auch Zugang zu Märkten und vor allem zu Geldern – diese Herausforderungen würden jetzt durch den erhöhten Wettbewerb mit den USA noch verstärkt.

Europa gefragt

Das zeigt sich auch bei den Finanzierungsrunden von auf generative KI spezialisierten Start-ups. In Europa konnten sie letztes Jahr laut EY gerade mal 4,1 Mrd. Dollar einsammeln, in den USA dagegen 38 Mrd. Dollar. Noël plädiert deshalb dafür, dass Europa angesichts des verstärkten Wettbewerbs mit den USA ein Ökosystem bilden müsse, das schlüsselfertige Lösungen biete, um den Einsatz von KI in Unternehmen und der öffentlichen Verwaltung zu begleiten.

Fragen wie diese dürften auf dem KI-Gipfel in Paris Thema der Gespräche sein. Frankreich möchte dabei die Gründung einer Stiftung anstoßen, die KI für das Gemeinwohl entwickeln soll, möglicherweise mit Sitz in Paris.

Präsident Emmanuel Macron hofft, dafür 2,5 Mrd. Euro für einen Zeitraum von fünf Jahren einsammeln zu können.

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