Industrie

Für Auto­hersteller steht Geschäft nun an zweiter Stelle

Die Unternehmen zeigen sich besorgt und betroffen wegen des Angriffs Russlands. Beide Märkte spielen für die deutschen Produzenten nur eine kleinere Rolle.

Für Auto­hersteller steht Geschäft nun an zweiter Stelle

BZ Hamburg/München/Paris

Die deutschen Autohersteller zeigen sich besorgt über den Angriffskrieg Russlands. „Wir denken an die Menschen in der Ukraine und ihre Sicherheit“, sagte Konzernchef Ola Källenius in der Jahrespressekonferenz von Mercedes-Benz am Donnerstag. An so einem Tag gehe es weniger um das Geschäft und die wirtschaftlichen Konsequenzen, fügte Källenius hinzu. „Es liegt nun an den Experten, den Politikern in der ganzen Welt, Lösungen zu finden, um die Situation zu deeskalieren.“ Vor gut drei Jahren hatte Mercedes-Benz ein Pkw-Werk in Russland in der Nähe von Moskau in Betrieb genommen. Es ist das einzige des Unternehmens in dem Land. Rund 1000 Mitarbeiter seien dort beschäftigt, berichtete Källenius. „Selbstverständlich sind wir mit ihnen in Kontakt.“

BMW beobachtet nach eigener Aussage die Entwicklung in der Ukraine mit großer Besorgnis und Betroffenheit und appelliert „an die Vernunft aller Beteiligten, die Situation im Sinne des internationalen Rechts schnell und friedlich beizulegen“. Das Unternehmen ließ offen, welche Auswirkungen der Krieg auf die Zusammenarbeit mit dem russischen Auftragsfertiger Avtotor infolge harter Sanktionen des Westens haben könnte. Erst in diesen Tagen hatten beide Seiten ihre Zusammenarbeit, die im März ausgelaufen wäre, bis 2028 verlängert.

BMW ist seit 1999 in Russland über Avtotor aktiv. Die Bayern betreiben dort kein eigenes komplettes Produktionswerk, sondern lassen am Standort Kaliningrad in Einzelteile zerlegte importierte Fahrzeuge von Avtotor zusammenschweißen, lackieren und endmontieren. Damit werden hohe Importzölle umgangen. Laut BMW fertigte Avtotor 2021 rund 12000 Fahrzeuge der Baureihen BMW 5er und verschiedene X-Modelle. BMW setzte 2021 insgesamt 49000 Pkw in Russland ab, in der Ukraine 3000. Das waren 2 % der weltweiten Auslieferungen des Konzerns. Das Geschäft in beiden Ländern ist für BMW sehr profitabel.

Auch der Volkswagen-Konzern hat die Nachrichten über den russischen Angriff nach eigenen Angaben mit großer Sorge und Betroffenheit zur Kenntnis genommen und hofft auf eine schnelle Einstellung der Kampfhandlungen und eine Rückkehr zur Diplomatie. Die Auswirkungen auf die Geschäftstätigkeit des Konzerns in den betroffenen Ländern ermittle ein Krisenstab fortlaufend. Die Sicherheit und Unversehrtheit der Beschäftigten stünden an erster Stelle. 2021 hatte der VW-Konzern in Russland rund 216000 Fahrzeuge und in der Ukraine rund 15000 Fahrzeuge an Kunden übergeben – etwa 2,4 bzw. 0,17% aller weltweiten Auslieferungen. In Russland laufen in Kaluga und Nischni Nowgorod (Auftragsfertigung) Modelle der Marken VW und Skoda vom Band. Die Gesamtinvestitionen seit Beginn des Fabrikbaus in Kaluga 2006 beziffern die Wolfsburger mit 2,2 Mrd. Euro.

Laut Stefan Bratzel vom Center of Automotive Management wurden 2021 in Russland rund 1,67 (i.V. 1,6) Millionen Pkw und leichte Nutzfahrzeuge abgesetzt. Absatzstärkste Herstellergruppen seien Hyundai (inkl. Kia) mit 380000 Fahrzeugen sowie Avtovaz (Lada) mit 351000 und die Renault-Nissan-Mitsubishi-Allianz mit 212000 Fahrzeugen gewesen, wobei Renault seit 2017 auch einen Mehrheitsanteil an Avtovaz halte.

Sollte sich die Lage zuspitzen, bestehe das Hauptproblem darin, Avtovaz mit Teilen aus dem Ausland zu beliefern, hatte Renault-Chef Luca de Meo am vorigen Freitag in der Jahrespressekonferenz gesagt. Russland macht Analysten zufolge 8% des operativen Ergebnisses von Renault aus.

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