Gläubigerbanken und Kreditgenossen verdoppeln Rettungshilfe für Baywa auf über 1 Mrd. Euro
Banken verdoppeln Baywa-Hilfe auf 1 Milliarde Euro
Nach desaströsen Zahlen fürs zweite Quartal verlängern Gläubigerinstitute und Kreditgenossen ihre Stundungsgarantie für Agrarhändler bis zum Jahresende
Von Stefan Kroneck, München
Der in Schieflage geratene Münchner Agrarhandelskonzern Baywa wird zu einem Milliardenloch. Nach der Vorlage tiefroter Zahlen fürs zweite Quartal erhöhen die Gläubigerbanken und die bayerischen Kreditgenossen ihre Finanzspritze für das zur Genossenschaftsgruppe gehörende Unternehmen um weitere 500 Mill. auf über 1 Mrd. Euro. Damit hat sich die Stützungshilfe der Kreditgeber und der Ankeraktionäre verdoppelt. In einem ersten Schritt hatten die Kreditinstitute – allen voran die genossenschaftliche DZ Bank, die LBBW und die Unicredit-Tochter HypoVereinsbank – zusammen mit den Volks- und Raiffeisenbanken des Freistaats der börsennotierten Firma Mitte August eine Stützungshilfe von 550 Mill. Euro gewährt.
In einer Ad-hoc-Mitteilung von Sonntagabend bezeichnete der Vorstand der Baywa das heraufgesetzte Rettungspaket als Schritt, um die Finanzierung des Unternehmens bis Ende dieses Jahres zu sichern. Das sei eine „Grundlage für eine daran anschließende Finanzierungslösung bis Ende 2027“. Dazu verhandeln die Beteiligten. Mit der erneuten Finanzhilfe verlängerte sich das Stillhalteabkommen ebenfalls bis Ende 2024. Das heißt, die Kreditgeber verzichten bis dahin auf die Tilgung der Darlehen inklusive Zinsen. Damit verschieben sich allerdings dieser Finanzlasten nach hinten. Die bisherige Stundung lief Ende September aus.
Aktie springt um über 8 Prozent
Die weiß-blauen genossenschaftlichen Primärbanken sind über ihre Beteiligungsholding Bayerische Raiffeisen-Beteiligungs-AG mit 33,8% größter Einzelaktionär der Baywa. Zuvor gab der Finanzverbund öffentlich eine Rettungszugabe für das Unternehmen ab.
Die Anleger reagierten auf die jüngste Nachricht erleichtert. Zum Wochenauftakt gewann die vinkulierte Namensaktie der Baywa im Xetra-Handel zeitweise 8,5% auf 13,98 Euro an Wert. Die Bekanntgabe des ausgeweiteten Rettungsvolumens übertünchte die zwei Tage zuvor veröffentlichten schlechten Quartalszahlen des Konzerns. Das einstige SDax-Mitglied bringt derzeit am Markt nur noch 488 Mill. Euro auf die Waage auf Basis der vinkulierten Aktien. Anfang dieses Jahres waren es noch über 1 Mrd. Euro. Seitdem verlor der Titel zeitweise bis zu zwei Drittel an Wert.
Schuldenberg von 11,1 Mrd. Euro
Per Ende Juni betrugen die gesamten Finanzverbindlichkeiten des Konzerns 5,44 Mrd. Euro, davon sind 2,15 Mrd. Euro kurzfristig. Das geht aus dem nach langen Verzögerungen veröffentlichen Halbjahresbericht der Baywa hervor. Diese lag am Freitagabend auf der Internetseite des Konglomerats erst gegen 22 Uhr vor. Die Finanzschulden wuchsen gegenüber Jahresultimo per saldo sogar um 15 Mill. Euro. Das lag an den um 263 Mill. auf 3,29 Mrd. Euro hochgeschnellten langfristigen Finanzverbindlichkeiten, während die kurzfristigen um 248 Mill. Euro schrumpften. Die gesamten Verbindlichkeiten des Konzerns (inklusive Pensionsrückstellungen, Leasingverbindlichkeiten aus Lieferungen und Leistungen) kletterten in dieser Zeit auf 11,13 Mrd. Euro. Ende 2023 beliefen sich diese auf 10,81 Mrd. Euro.
Infolge des hohen Nettoverlusts im zweiten Quartal schrumpfte zugleich das Eigenkapital um 345 Mill. auf 1,37 Mrd. Euro. Der Anteil der Eigenmittel an der Bilanzsumme fiel per Ende Juni auf 11%. Das ist der niedrigste Stand seit dem Börsengang im Jahr 2002. Zuletzt betrug die Eigenkapitalquote 13,7%. Die Zielgröße der Baywa liegt bei mindestens 20%.
Rekordverlust
Im ersten Halbjahr verbuchte die Baywa einen Verlust vor Steuern von 409 Mill. Euro nach einem Gewinn von 33 Mill. Euro ein Jahr zuvor. Aufgrund von Steuererstattungen von 119 Mill. Euro fiel der Fehlbetrag zwar mit 291 Mill. Euro niedriger aus als vor Steuern – allerdings war das ein Wert, den die Baywa noch nie in ihrer 101-jährigen Geschichte ausgewiesen hat. Ein Jahr zuvor erzielte die Baywa noch einen Überschuss von 23 Mill. Euro. Im zweiten Quartal verzeichnete der Konzern einen Nettoverlust von 182 Mill. Euro. Im ersten Quartal machte die Baywa 108 Mill. Euro Miese. Im Gesamtjahr 2023 waren es minus 93 Mill. Euro.
Hauptgründe für den Rekordverlust im ersten Halbjahr waren die hochdefizitäre Erneuerbare-Energien-Tochter Baywa r.e., Firmenwertabschreibungen von 222 Mill. Euro (überwiegend Baywa r.e.) und sprunghaft gestiegene Zinsaufwendungen aufgrund des Schubs bei den Marktzinsen. Diese legten von Januar bis Juni um 37 Mill. auf 200 Mill. Euro zu. Infolgedessen wies das Finanzergebnis minus 219 Mill. Euro aus nach minus 148 Mill. Euro ein Jahr zuvor. Die Zinskosten überstiegen die liquiden Mittel um 3 Mill. Euro. Die Liquidität brach um 62 Mill. auf 197 Mill. Euro ein. Der operative Cashflow schwächte sich um 166 Mill. auf 351 Mill. Euro ab.
Konzerntochter ebenso Sanierungsfall
Das Geschäft mit Windkraft- und Solaranlagen ist nun ebenfalls ein Sanierungsfall. Die Gläubigerbanken installierten bei der Baywa r.e. AG einen Restrukturierungsmanager und gaben ein Sanierungsgutachten in Auftrag. Für die Muttergesellschaft Baywa stellten die Unternehmensberater von Roland Berger in einem Gutachten zuletzt fest, dass das Unternehmen eine Überlebenschance hat, wenn es sich von Randaktivitäten trennt und sich auf seine Kernaufgaben zurückbesinnt.
Zudem muss die Kapitalstruktur wieder auf eine solide Basis gestellt werden. Nach einer fremdfinanzierten Expansion durch Zukäufe geriet die Baywa in finanzielle Schwierigkeiten, als nach dem Ende des langen Zinstiefs die Zinskosten abrupt wuchsen.
Keine Prognose mehr
Der Vorstand um CEO Marcus Pöllinger wagt keine Prognose mehr für 2024. Es zeichnet sich derweil ab, dass die Zinsbelastungen im gerade endenden dritten Quartal und im Schlussquartal 2024 spürbar sinken werden. Das liegt an der Stundungsvereinbarung mit den Gläubigerbanken. Zugleich entwickelt sich aber die Baywa r.e. zu einem großen Finanzrisiko für den Konzern.
Die Baywa veröffentlicht ihre Zahlen für das dritte Quartal am 14. November. Die Zahlen für das zweite Quartal wollte sie ursprünglich am 8. August bekannt geben. Aufgrund der Existenzkrise verschob sie die Veröffentlichung des Halbjahresberichts auf den 27. September. Dadurch vermied sie eine drohende Geldbuße der Aufsicht BaFin.
Der in Schieflage geratene Agrarhändler Baywa erweist sich für die Gläubigerbanken und für seine Haupteigentümer als Milliardenloch. Nach einem Rekordverlust im zweiten Quartal erweiterten die kreditgebenden Institute sowie die bayerischen Volks- und Raiffeisenbanken ihre Rettungshilfe auf über 1 Mrd. Euro.