Glencore erwartet baldige Strafe
dz Zürich
Der in der Schweiz ansässige Rohstoffkonzern Glencore nutzt ein geschäftlich herausragendes Jahr, um finanzielle Vorkehrungen für die Beilegungen langjähriger Untersuchungen von Strafbehörden mehrerer Länder zu treffen. Das Unternehmen legt zulasten des vergangenen Geschäftsjahres 1,5 Mrd. Dollar zurück in Erwartung, dass die Ermittlungen in den USA, Großbritannien und Brasilien noch im laufenden Jahr abgeschlossen werden.
Bei dem Betrag handle es sich um die bestmögliche Schätzung über die mit der ausstehenden Beilegung der Strafuntersuchungen anfallenden Kosten, gab Glencore gleichzeitig mit der Bekanntgabe der vorläufigen Ergebnisse für 2021 bekannt.
Im Sommer 2018 hatte Glencore erstmals über Nachforschungen der US-Strafbehörden zu möglichen Verstößen des Unternehmens gegen US-amerikanische Anti-Korruptions- und Geldwäschegesetze informiert. Die Behörden verlangten Einsicht in verdächtige Vorgänge in Nigeria, der Demokratischen Republik Kongo und Venezuela.
Bereits im Dezember 2017 hatte das US-Finanzministerium den früheren Glencore-Geschäftspartner Dan Gertler beschuldigt, die amerikanische Menschenrechts- und Anti-Korruptions-Gesetzgebung verletzt zu haben. Seither steht der Mann auf der Sanktionsliste wegen Zuwiderhandlungen gegen den Global Magnitsky Human Rights Accountability Act.
In der Folge musste sich Glencore einen rechtlich ziemlich wagemutigen Weg einfallen lassen, um alte Verpflichtungen gegenüber Gertler trotzdem erfüllen zu können und eine Eskalation zu vermeiden. Beim Kauf von Schürfrechten in den kongolesischen Kobalt- und Kupfervorkommen hatte Glencore vor über zehn Jahren Gertlers Dienste in Anspruch genommen. Ohne Bezahlung dieser Dienste hätte der im politischen Milieu des Kongos überaus gut vernetzte Gertler womöglich eine Enteignung der für Glencore strategisch wichtigen Minen erwirken können.
Ende des vergangenen Jahres hatte das US-Finanzministerium Sanktionen gegen einen kongolesischen Staatsbürger erlassen, der Gertler mit Finanztransaktionen Hilfe geleistet haben soll. Ob und inwieweit daraus ein Zusammenhang zu den nun offenbar deblockierten Vergleichsverhandlungen mit Glencore hergestellt werden kann, ist nicht bekannt. Klar ist aber, dass ein vormaliger Glencore-Trader im vergangenen Jahr mit einem Schuldbekenntnis vor einem US-Gericht die Ermittlungen über korrupte Geschäftspraktiken im Zusammenhang mit dem brasilianischen Erdölkonzern Petrobras ins Rollen brachte. Der britische Trader gab zu, Millionen von Dollar an Bestechungsgeldern an Beamte gezahlt zu haben, um an Erdölkontrakte zu gelangen.
Das Damoklesschwert der Strafuntersuchungen, von denen auch in der Schweiz eine solche anhängig ist, hat in den vergangenen Jahren schwer auf dem Kurs der in London gehandelten Glencore-Aktien gelastet. Die Titel, die gestern auf ein Zehnjahreshoch stiegen, haben in den vergangen vier Jahren gerade einmal 10% zugelegt, während die Aktien anderer Bergbaukonzerne wie Rio Tinto, BHP oder Anglo American um 50 bis 100% gewannen.
2021 hat Glencore dank stark gestiegener Rohstoffpreise einen Gewinn von 5 Mrd. Dollar erzielt, nachdem im Vorjahr noch ein Verlust von knapp 2 Mrd. Dolllar angefallen war. Der auf 16,7 Mrd. Dollar verdoppelte Cashflow erlaubt dem Konzern eine Gewinnausschüttung an die Aktionäre in Höhe von rund 4 Mrd. Dollar. Zudem konnte die Nettoverschuldung von 16 Mrd. auf 6 Mrd. Dollar verringert werden.