Gründerinnen ringen um Kapital
kro Frankfurt
Weibliche Start-up-Gründerinnen stehen bei der Finanzierung ihrer Geschäftsideen in Deutschland, Europa und den USA weiterhin vor erheblich größeren Schwierigkeiten als ihre männlichen Pendants. Laut einer Umfrage unter knapp 2000 deutschen Start-ups belief sich das durchschnittlich erhaltene Finanzierungsvolumen bei reinen Männer-Teams zuletzt auf 9,7 Mill. Euro. Das war neun Mal so viel, wie die 1,1 Mill. Euro, die reine Frauen-Teams im Schnitt bisher erhalten haben. Bei gemischten Gründungsteams belief sich die durchschnittliche Summe auf 2,5 Mill. Euro. Das geht aus Daten des diesjährigen Deutschen Start-up-Monitors hervor, die der Start-up-Verband gemeinsam mit der Recruiting-Plattform Stepstone ausgewertet hat.
Dabei zeigt sich, dass die Lücke keineswegs nur ein Resultat geringerer Ambitionen von weiblichen Gründerinnen ist. So hatten Frauen-Teams zuletzt einen Finanzierungsbedarf von durchschnittlich 1,6 Mill. Euro − drei Mal so wenig wie bei Männern, was ein wesentlich geringerer Unterschied als bei den tatsächlich ausgegebenen Finanzierungssummen ist. „Faktoren wie das Geschäftsmodell, unterschiedliche Herangehensweisen, vielleicht auch andere Zielsetzungen werden häufig vorgebracht und sind auch ein legitimer Punkt“, sagt Stepstone-Chef Sebastian Dettmers. „Ein ganz wichtiger Aspekt, den man dabei aber nicht vernachlässigen darf, ist der Gender Bias, den wir auch im Bereich der Finanzierung haben.“
Der Gender Bias wird in der Wissenschaft als geschlechtsbezogene Verzerrung der eigenen Wahrnehmung beschrieben, die von Stereotypisierungen und Vorurteilen geprägt ist. Das führt dazu, dass Entscheidungen − in diesem Fall etwa bei der Vergabe von Wagniskapital, − entsprechend beeinflusst werden. „Es ist keine bewusste Entscheidung, sondern meistens eine unbewusste“, sagt Dettmers. „Dennoch spielt es eine maßgebliche Rolle in der Art und Weise, wie beispielsweise Pitches bewertet werden, welche Fragen gestellt werden, und so weiter.“
Wenig weibliche Investoren
Dass männliche und weibliche Gründer bei der Vorstellung ihrer Geschäftsidee vor Investoren tatsächlich mit unterschiedlichen Fragen konfrontiert werden, hatte eine Studie der Harvard Business School bereits im Jahr 2017 ergeben. Demnach müssen Männer im Pitching-Prozess meist eher Fragen zum Potenzial ihres Unternehmens beantworten. Frauen dagegen werden häufiger Fragen gestellt, die sich auf das Risiko ihres Businessplans beziehen. Im Ergebnis, so Dettmers, würden Geldgeber aufgrund des Bias dann meist doch eher in Menschen investieren, die ihnen ähnlicher sind.
Mit Blick auf die Zusammensetzung von Frauen und Männern in der Investorenlandschaft ist die Diskrepanz bei der Start-up-Finanzierung somit nicht überraschend. Laut Start-up-Verband waren zuletzt rund 16 % aller männlichen Gründer selbst als Business Angel aktiv, aber nur 6 % der weiblichen Gründer. Auch unter Venture-Capital-Investoren sind Frauen stark unterrepräsentiert. Laut einer Umfrage der Initiative „European Women in VC“ unter 400 VC-Gesellschaften waren zuletzt nur 15 % aller General Partner weiblich.
„Die Geldgeber achten bisher nicht so sehr darauf, dass Diversität in den Strukturen der VC-Fonds vorliegt“, sagt Gesa Miczaika vom Auxxo Female Catalyst Fund, einem VC-Fonds, der sich ausschließlich auf Start-ups mit weiblichen Gründerinnen konzentriert. Auch bei staatlichen VC-Fonds müsse darauf mehr Wert gelegt werden.
Doppelbelastung schreckt ab
Das hierzulande als „Thomas-Kreislauf“ bekannte Problem, das sich auf die immer gleiche Zusammensetzung von Vorständen in börsennotierten Konzernen bezieht, gilt also auch in der Start-up-Szene − und zwar nicht nur in der deutschen. Laut Daten von Pitchbook zogen rein weibliche Gründungsteams in Europa in diesem Jahr bislang lediglich 1% des gesamten VC-Kapitals an Land. Gemischte Teams kamen auf 12,5 %. Der große Rest, etwa 87 %, ging an reine Männer-Teams. In den USA sieht die Lage auch nicht besser aus. Dort gingen 2 % an reine Frauen-Teams. Start-ups, in denen Frauen und Männer zu den Gründungsmitgliedern zählen, erhielten knapp 15 % des investierten VC-Kapitals.
Damit zumindest in der Bundesrepublik nicht dauerhaft Potenzial vergeudet wird, fordern Start-up-Gründerinnen hierzulande unter anderem bessere Angebote zur Vereinbarkeit von Familie und Unternehmensgründung. Denn mit einem Durchschnittsalter von 36 Jahren fällt die Gründung oft in die Phase der Familienplanung. „Das Problem ist also sehr relevant und präsent“, sagt Magdalena Oehl, Mitgründerin der Karriereplattform Talentrocket. Zumal Frauen nach wie vor einen größeren Teil der heimischen Arbeit erledigen und sich die wöchentliche Arbeitszeit für Gründerinnen mit Kindern dadurch sehr viel deutlicher reduziert als bei männlichen Gründern. Die Forderungen beziehen sich etwa auf Mutterschutz auch für Selbständige, eine Flexibilisierung der Elternzeit, eine bessere steuerliche Absetzbarkeit von Betreuungskosten und mehr Betreuungsangebote. „In Zeiten von Fachkräftemangel passiert es, dass gut ausgebildete Frauen vom Arbeitsmarkt verschwinden und vielleicht auch gar nicht mehr zurückkommen, weil ihnen einfach nicht ausreichend Möglichkeiten geboten werden, alles unter einen Hut zu bringen“, sagt Oehl.