Hoher Ölpreis zwingt Airlines zu Preiserhöhungen
Von Lisa Schmelzer, Frankfurt
Der Krieg in der Ukraine würgte zu Beginn im Februar die gerade erst ansetzende Erholung des Flugverkehrs nach der Coronavirus-Pandemie ab. Die Nachfragedelle währte allerdings nur kurz, mittlerweile vermelden die Unternehmen unisono kräftig anziehende Buchungen für den Sommer. Doch der Krieg in Osteuropa hat noch weitreichendere und tiefgehendere Folgen für die Branche als eine Nachfragedelle. Er hat dazu geführt, dass der Ölpreis sich deutlich erhöht hat, und das könnte die Airlines im Jahresverlauf stark belasten.
Rohöl der Sorte Brent wird aktuell für rund 113 Dollar pro Barrel gehandelt, gegenüber 79 Dollar zu Beginn des Jahres 2022. Zwar betreiben die meisten europäischen Fluglinien Treibstoff-Hedging, um sich gegen Kostenschwankungen abzusichern, den Materialaufwand erhöhen dürfte der Preisanstieg der vergangenen Wochen aber dennoch. Die Ratingagentur Moody’s schätzt, dass ein Anstieg des Treibstoffpreises um 50 bis 60% für eine Airline, die rund 60% ihres Bedarfs abgesichert hat, zu einem Anstieg der Kerosinausgaben um rund 20 bis 25% führen dürfte.
Zweitgrößter Posten
Die Lufthansa hat letzten Angaben zufolge für 2022 rund 63% ihres Bedarfs zu einem Preis von 74 Dollar je Barrel gesichert. Auch für das Jahr 2023 sind bereits fast 30% zu einem durchschnittlichen Break-even-Preis von 82 Dollar pro Barrel abgesichert. Im vergangenen Geschäftsjahr hat die deutsche Airline-Gruppe insgesamt 2,4 Mrd. Euro für Jetbenzin ausgegeben, das war der nach dem Personalaufwand zweitgrößte Kostenblock. Lufthansa hat bereits angekündigt, dass unter anderem wegen der höheren Treibstoffpreise die Tickets teurer werden dürften.
Viele Fluglinien haben laut Moody’s während der Pandemie ihre Treibstoffabsicherung reduziert. Wizz Air etwa hatte in der Coronazeit eine No-Hedge-Politik verfolgt, nun aber erklärt, sie werde wieder absichern. Allerdings steigen die Kosten für die Hedging-Maßnahmen, wenn der Ölpreis anzieht, so dass Wizz Air trotzdem mit deutlich steigendem Kerosinaufwand konfrontiert sein dürfte. „Wizz Airs Wettbewerbsposition bei den Kosten wird geschwächt, und die Profitabilität wird unter Druck geraten, wenn die Ölpreise für länger als ein paar Wochen hoch bleiben“, urteilt die Ratingagentur Fitch. Dagegen ist Ryanair innerhalb der Branche mit rund 80% am höchsten abgesichert, was den Iren in den kommenden Monaten einen Wettbewerbsvorteil verschaffen dürfte.
Der Airline-Verband IATA prognostizierte bislang für 2022 einen durchschnittlichen Ölpreis in Höhe von 67 Dollar (Stand Oktober 2021). Eine angepasste Schätzung wird im Vorfeld der IATA-Jahresversammlung Mitte Juni erwartet. Unter der Annahme eines durchschnittlichen Ölpreises von 100 Dollar würden die Treibstoffkosten 2022 schlimmstenfalls um 65 Mrd. Dollar ansteigen, schreiben die Airline-Analysten der Nord/LB in einer Studie. Statt des von der IATA erwarteten kumulierten Verlustes der weltweiten Branche in Höhe von 12 Mrd. Dollar beliefe sich dieser bei einer entsprechenden Mehrbelastung dann auf 77 Mrd. Dollar.
Teure Umwege
Verschärft wird die Situation durch die Luftraumsperrungen infolge des Ukraine-Krieges. Denn Richtung Japan, China oder Südkorea müssen deshalb nun Umwege geflogen werden. Dadurch steigt der Kerosinverbrauch. Allerdings ist die Nachfrage auf diesen Strecken aufgrund der Pandemie nach wie vor niedrig. Anders sieht das im Frachtgeschäft aus, das auf Hochtouren läuft. Weil die Flugzeuge aufgrund der längeren Strecken mehr Treibstoff tanken müssen, sinkt die nutzbare Kapazität des Flugzeugs um rund 5 bis 20%, hat die Nord/LB berechnet. Das Flugverbot für russische Fracht-Airlines in Europa verknappt die Frachtkapazitäten zwischen Europa und Asien um weitere 5 bis 15%. „Aufgrund der ohnehin schon belasteten Lieferketten wird die nun zusätzlich reduzierte Kapazität voraussichtlich zu einem weiteren Aufwärtsdruck bei den Preisen führen“, so die Analysten.
Bei Lufthansa wird betont, dass das Hedging-Portfolio das Unternehmen weiterhin weitgehend vor dem starken Anstieg des Ölpreises schütze. Allerdings habe der Krieg in der Ukraine nicht nur den Preis für Rohöl in die Höhe getrieben. Er habe auch zu physischen und finanziellen Verwerfungen auf den Märkten für Erdölerzeugnisse geführt. „Insbesondere der Markt für Flugzeugtreibstoff ist unter Druck geraten“, so Finanzvorstand Remco Steenbergen bei Vorlage der Geschäftszahlen für das erste Quartal Anfang Mai. Verschärft durch die Erholung der Nachfrage habe dies zu einem starken Anstieg der Preisdifferenz zwischen Flugzeugtreibstoff und Rohöl, dem sogenannten Jet Crack, geführt, der von knapp 20 Dollar Anfang März auf zuletzt über 50 Dollar angestiegen ist. „Dies ist ein Vielfaches des historischen Niveaus“, führt Steenbergen aus. An dieser Entwicklung besonders prekär ist, dass Fluggesellschaften sich wegen der in der Vergangenheit nur minimalen Volatilität des Jet Crack und der Illiquidität des Jet-Crack-Hedging-Marktes bei ihrer Absicherung auf Rohöl konzentrieren. Wird die „Verfeinerung“, also die Umwandlung in Flugbenzin, teurer, schlägt sich dieser zusätzliche Aufwand 1:1 nieder. Allerdings hat die Lufthansa reagiert und laut Steenbergen begonnen, „einige Jet-Crack-Absicherungen für den Sommer zu schließen“. Man werde allerdings dennoch mit einer „erheblichen Treibstoffkostenbelastung“ konfrontiert sein. Der derzeitige Anstieg der Treibstoffpreise sei viel zu hoch, um durch zusätzliche Kostensenkungen ausgeglichen zu werden. „Deshalb werden die Ticketpreise steigen müssen.“
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