Ukraine-Krieg

Industrie fürchtet Ölembargo-Schock

Die deutsche Industrie rechnet bei einem europäischen Ölembargo gegen Russland mit wahrscheinlich weiter steigenden Energiepreisen. Die Politik müsse nun alles an Unterstützung gewähren, was für die Aufrechterhaltung der Wettbewerbsfähigkeit notwendig ist.

Industrie fürchtet Ölembargo-Schock

cru Frankfurt

Die deutsche Industrie rechnet bei einem europäischen Ölembargo gegen Russland mit wahrscheinlich weiter steigenden Energiepreisen. „Die Politik muss im engen Austausch mit Wirtschaft und Gesellschaft nun alles an Unterstützung gewähren, was für die Aufrechterhaltung der Wettbewerbsfähigkeit und den Schutz der privaten Verbraucher notwendig ist“, sagte der Präsident des Bundesverbandes der Deutschen Industrie (BDI), Siegfried Russwurm, am Mittwoch. Nach seiner Einschätzung würde ein Ölembargo allerdings vor allem Russland hart treffen. „Es ist ein außerordentlich drastischer Schritt.“

„Für den russischen Staat ist der Verkauf von Öl die wichtigste Einnahmequelle“, erläuterte Russwurm. „Angesichts der russischen Aggression braucht es unmissverständliche, zielgenaue und langfristig durchhaltbare Sanktionen, die den Aggressor stärker bestrafen als uns Europäer.“ Russisches Öl lasse sich auf dem Weltmarkt kurzfristig ersetzen, allerdings verbunden mit zusätzlichen Kosten und logistischen Herausforderungen. Die von der EU-Kommission vorgeschlagenen Übergangsfristen seien der richtige Weg.

EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen hat die neuen Pläne für Sanktionen gegen Russland bestätigt. „Wir schlagen jetzt ein Embargo für russisches Öl vor. Dabei geht es um ein vollständiges Einfuhrverbot für sämtliches russisches Öl“, sagte sie im Europaparlament. Man wolle russische Öllieferungen innerhalb von sechs Monaten und den Import raffinierter Erzeugnisse bis Ende des Jahres auslaufen lassen.

Chemiebranche in Sorge

Die deutsche Chemieindustrie befürchtet bei einem Ölembargo der Europäischen Union gegen Russland weiter steigende Rohöl- und Rohstoffpreise. Zwar scheine die Versorgung über veränderte Bezugsquellen gesichert, sagte der Hauptgeschäftsführer des Verbandes der Chemischen Industrie (VCI), Wolfgang Große Entrup. „Sorgen machen uns aber die zu erwartenden weiteren Preisanstiege für Rohöl und damit auch der Rohstoffpreise. Die Wettbewerbsfähigkeit der Branche wird mehr und mehr belastet.“ Der Verband unterstütze aber einen Boykott.

Erdöl – oder der für die Chemie relevante Bestandteil Rohbenzin – ist auf dem Weltmarkt aus verschiedenen Regionen verfügbar. Es müssten allerdings Probleme bei der Logistik innerhalb Deutschlands insbesondere zur Versorgung von Ostdeutschland gelöst werden.

Die chemisch-pharmazeutische Industrie benötigt nach eigenen Angaben mehr als 14 Mill. Tonnen Naphtha (Rohbenzin) im Jahr. Daraus werden verschiedene Grundchemikalien erzeugt, etwa für die Herstellung von Kunststoffen, Chemiefasern, Medikamenten oder Autoreifen.

Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck wies erneut auf die Raffinerie im brandenburgischen Schwedt hin, die vom russischen Staatskonzern Rosneft kontrolliert wird. Er bekräftigte, dieses Problem müsse man lösen. „Die klare Aussage der Bundesregierung ist, dass der Standort erhalten bleiben soll, dass wir dort eine zukunftsfähige Industrie aufbauen wollen, dass das Embargo gegen russisches Öl nicht dazu führt, dass in der Region die Lichter ausgehen.“ Die Bundesregierung werde Sorge tragen, eine andere Ölversorgung auch für Schwedt zu sichern.

Zur Entwicklung der Preise sagte Habeck, dies bedeute, in die Glaskugel zu schauen. „Aber natürlich können die Preise auch deutlich nach oben gehen.“ Eine Verknappung beim Öl führe erst einmal zu höheren Preisen. Bundeskanzler Olaf Scholz sagte, die Bundesregierung wolle die Raffinerien in Leuna bei Halle und Schwedt unterstützen und sicherstellen, dass die Beschäftigten dort eine Perspektive hätten.

Auch wenn Deutschland seine Abhängigkeit von russischem Öl seit Beginn des Ukraine-Kriegs auf 12% zurückgefahren hat: Für den Osten gilt das nur bedingt. Die Raffinerie Mitteldeutschland in Leuna, die bisher über die Druschba-Pipeline versorgt wurde, schafft die Abkehr vom russischen Öl nur schrittweise. Und die PCK-Raffinerie Schwedt/Oder ist vorerst komplett davon abhängig.

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