Insolvenzen

Insolvenz­erleichter­ungen finden Zustimmung

Bereits während der Corona-Pandemie hatte die Bundesregierung die Insolvenzantragspflichten zeitweise ausgesetzt, mit Blick auf die steigenden Energiepreise soll es nun erneut Erleichterungen geben. Restrukturierer beurteilen dies positiv.

Insolvenz­erleichter­ungen finden Zustimmung

sar Frankfurt

Die drohende Insolvenzwelle – sie rollt und rollt nicht an. Im Gegenteil: Die Zahl der Insolvenzanträge ist auf einem Tiefstand. Doch es wächst die Sorge, dass die steigenden Energie- und Rohstoffpreise die Zahl der Pleiten in die Höhe treiben könnten. Die Bundesregierung plant daher neue Erleichterungen bei Insolvenzanträgen – allerdings nur beim Insolvenzgrund der Überschuldung. Der Fortbestand muss nicht mehr über zwölf, sondern nur noch über vier Monate hinweg überwiegend wahrscheinlich sein, um die Pflicht zum Insolvenzantrag abzuwenden.

Aus der Restrukturiererbranche kommt Zustimmung. Die Gesellschaft für Restrukturierung TMA hatte sogar für einen Prognosezeitraum von drei Monaten plädiert. Dies halte man „mit Blick auf die Marktpraxis und die prognostischen Unsicherheiten“ für geboten.

Die gegenwärtig außergewöhnlich volatilen Märkte erlaubten es auch gesunden Unternehmen nicht, eine objektiv belastbare Prognose des Geschäftsverlaufs für ein ganzes Jahr zu erstellen. Dies dürfe keine Pflicht der Geschäftsleitung begründen, einen Insolvenzantrag zu stellen. Ähnlich sieht es Frank Grell, Partner Latham & Watkins: „Die Verkürzung des Prognosezeitraums ist dringend notwendig, um unnötige Insolvenzanträge zu vermeiden“, sagt er.

Auch Tillmann Peeters, Partner der Restrukturierungsberatung Falkensteg, findet die Verkürzung des Zeitraums für die Fortführungsprognose angemessen. Er begrüßt, dass es für zahlungsunfähige Unternehmen keine Ausnahmen gibt: „Richtigerweise wurde hier nichts geändert, und das sollte auch in keinem Fall getan werden“, sagte er. Diesen Unternehmen den Insolvenzantrag „aus politischer Angst vor der Insolvenzwelle“ zu erlassen, würde das Vertrauen in die Verlässlichkeit von Geschäftspartnern zerstören. Wer regelmäßig am Geschäftsverkehr teilnehme, müsse Rechnungen auch bezahlen können.

Beim Verband der Insolvenzverwalter und Sachwalter Deutschlands (VID) sieht man die nun angekündigte Erleichterung als „kurze Verschnaufpause“ für Unternehmen, die im Kern gesund sind und genügend Liquidität haben. „Alle anderen Unternehmen, die aufgrund der wirtschaftlichen Entwicklung zahlungsunfähig werden, können von dieser Regelung nicht profitieren. Hierbei dürfte es sich um den größeren Teil der kleinen und mittleren Unternehmen handeln“, sagt VID-Geschäftsführer Daniel Bergner.

Er hält es für entscheidend, wie die Bundesregierung im weiteren Verlauf reagieren wird. „Der Staat könnte mit weiteren Hilfszusagen analog zur Coronakrise reagieren. Er könnte aber auch eine steigende Zahl von Insolvenzen in Kauf nehmen.“ Ohne pauschale Hilfszusagen wäre es laut VID möglich, dass die Insolvenzen im kommenden Jahr um bis zu 40% steigen.

Für Insolvenzverwalter würde dies freilich ein Plus an Aufträgen bedeuten. Mit Blick auf historische Vergleichszahlen wäre aber auch ein solcher Anstieg keine Insolvenzwelle, sagt Bergner. Man komme derzeit „von einem historisch niedrigen Stand“ der Unternehmensinsolvenzzahlen. „Vergleicht man die Zahlen mit den Zahlen vor der Corona-Pandemie, wird auch mit einem deutlichen Anstieg der Insolvenzen das Vorkrisenniveau kaum erreicht.“

Die Insolvenzgründe bei den aktuellen Fällen liegen Bergners Einschätzung nach nicht allein bei den Energiepreisen. Der Schuhhändler Görtz kämpft mit strukturellen Problemen, Hakle nannte in erster Linie hohe Rohstoffpreise als Auslöser. Ein Auslöser ist der Fachkräftemangel: „Wir sehen derzeit Insolvenzen – insbesondere bei Hotellerie und Gastronomie –, die mit einem Arbeitskräftemangel zu tun haben“, berichtet Bergner.

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