Nahostkonflikt

Israels Tech-Branche ringt um das Vertrauen ihrer Investoren

Die für ihre Spitzentechnologie bekannte israelische Start-up-Szene war schon vor dem Ausbruch des Krieges mit einem massiven Rückgang von Investorengeldern konfrontiert. Nun setzen die Unternehmen im Zuge der Mobilisierung von tausenden Mitarbeitern auf ihr krisenerprobtes Image bei den Geldgebern.

Israels Tech-Branche ringt um das Vertrauen ihrer Investoren

Israels Tech-Branche ringt um das Vertrauen ihrer Investoren

Reservisten-Mobilisierung trifft viele Start-ups – Finanzierungsvolumen zuletzt massiv eingebrochen – Wagniskapitalgeber bekunden Solidarität

kro Frankfurt

Mit der jüngsten Eskalation des Nahost-Konflikts in Israel richten sich die Augen der Welt einmal mehr auf eine Branche, die sich in der Vergangenheit immer mehr zum wirtschaftlichen Aushängeschild in ihrer Heimat entwickelt hat – und deren Beschäftigte plötzlich an vorderster Front in einem katastrophalen Krieg kämpfen. Wie schon zuvor in der Ukraine sind es vielfach junge Tech-Unternehmen, die die nun von der israelischen Regierung mobilisierten Reservisten im passenden Alter stellen. Bei den meisten israelischen Start-ups dürften zwischen 10 und 30% der Belegschaft von der Einberufung betroffen sein, wie Aviad Eyal, Mitgründer und Managing Partner der Londoner Venture-Capital-Firma Entrée Capital, in einem Interview des "Wall Street Journal" schätzte. Andere berichten sogar von rund der Hälfte. Auch israelische VC-Investoren selbst sind einberufen worden oder haben sich freiwillig für den Militärdienst gemeldet.

Gleichzeitig versuchen die Firmen ihre Geschäfte trotz des Einsatzes in der Armee am Laufen zu halten. "Ich habe eine Waffe auf meinen Knien, ich habe einen Helm auf meinem Kopf und ich trage eine Weste, aber ich warte eine halbe Stunde lang ... also arbeite ich eine halbe Stunde lang", zitiert die "Washington Post" den CEO eines israelischen Tech-Start-ups. Es ist genau diese Einstellung, die die Szene hoffen lässt, dass es im Zuge des Krieges nicht zu einem noch viel kräftigeren und länger andauernden Einbruch der Tech-Investitionen kommt als ohnehin schon in der jüngeren Vergangenheit.

Finanzierungsvolumen massiv eingebrochen

Laut dem IVC Research Center und der VC-Firma Viola ist das Finanzierungsvolumen in den ersten sechs Monaten gegenüber dem Vorjahr in Israel um mehr als 70% auf gut 3 Mrd. Dollar zurückgegangen – und damit deutlich stärker als im Rest der Welt. Damit liegt das Land, in dem es pro Kopf so viele Start-ups gibt wie nirgends sonst auf der Welt und dessen Bruttoinlandsprodukt sich mittlerweile zu 18% aus dem Hightech-Sektor speist, international nur noch auf Platz 10. Zuvor hatte es sich lange auf Platz 5 gehalten.

Das liegt daran, dass die selbsternannte Start-up-Nation zuletzt mit mehr Herausforderungen fertig werden musste als mit der ganz allgemeinen wirtschaftlichen Unsicherheit, die Investoren weltweit stärker in die Defensive getrieben hat. Zuallererst wäre da die umstrittene Justizreform von Ministerpräsident Benjamin Netanjahu zu nennen, die zu monatelangen Massenprotesten geführt und die Szene massiv verunsichert hatte. Laut einer Umfrage der Nichtregierungsorganisation „Start-up Nation Central“ hatten Ende Juli fast 70% der israelischen Start-ups Vorkehrungen getroffen, um Teile ihres Geschäfts gegebenenfalls ins Ausland zu verlegen. Etwa jedes vierte Start-up hatte zu dem Zeitpunkt Bargeldreserven aus dem Land abgezogen. Durch die Unruhen kam es auch zu einer deutlichen Abwertung des israelischen Schekel. Mit dem Kollaps der Silicon Valley Bank im März war nicht zuletzt ein wichtiger Geldgeber aus den USA weggebrochen.

Nun kommt also noch der Großangriff der Terrororganisation Hamas obendrauf, der all das ohnehin in den Schatten stellt. In der Szene macht man sich mit Blick auf die nahe Zukunft deshalb auch nichts vor: "Während wir mitten im Krieg sind, ist es natürlich schwer, sich vorzustellen, dass es zu größeren Deals kommt", sagte der Chef von Startup Nation Central, Avi Hasson, der Nachrichtenagentur Reuters. Er sowie viele andere Kenner setzen dennoch darauf, dass das Tech-Ökosystem erneut in der Lage sein wird, sich langfristig von dem militärischen Konflikt mit den Palästinensern zu erholen. Die Branche habe das Vertrauen der Investoren darüber bereits erlangt, so Hasson weiter. "Ich sehe es daher nicht, dass Investoren ihren Glauben an Israel so schnell verlieren."

Ob es so kommt, muss sich zeigen. In den Sozialen Netzwerken haben zumindest viele Wagniskapitalgeber ihre Solidarität mit dem Land in einem einheitlichen Statement bekundet und für eine Unterstützung der dortigen Start-ups geworben.

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