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Kion enttäuscht massiv

Dem Intralogistikkonzern Kion bläst kräftiger Gegenwind ins Gesicht. In der Hoffnungssparte der Lieferkettenlösungen können die hohen Preise wegen fehlender Klauseln nicht in ausreichendem Maße weitergegeben werden. Die Materialengpässe halten zudem an. Der neue Ausblick verfehlt die Markterwartungen deutlich.

Kion enttäuscht massiv

kro Frankfurt

Der Schock am Aktienmarkt über Kions neuen Ausblick auf das Geschäftsjahr reißt nicht ab. Auch am zweiten Tag nach der Prognose-Veröffentlichung gab der Kurs noch einmal deutlich nach − zeitweise um fast 7 % auf ein Rekordtief von 22,18 Euro. Insgesamt hat die Aktie damit nun seit Dienstag über ein Drittel an Wert verloren, umgerechnet sind weit über 1 Mrd. Euro an Marktkapitalisierung vernichtet. Das trifft vor allem den langjährigen chinesischen Ankeraktionär Weichai Power, der derzeit gut 45 % der Anteile hält.

Die Reaktion von Analysten auf die neue Prognose fiel recht einhellig aus. „Hässlich“, „desaströs“ oder auch „erschreckend“ hieß es in den Kommentaren der Beobachter, die sich mit Blick auf die aktuellen Schätzungen selbst auch als zu blauäugig bezeichneten, wie die Nachrichtenagentur Dow Jones berichtet.

„Die neuen Jahresziele des Gabelstapler-Konzerns liegen deutlich unter den Markterwartungen“, schrieb etwa Hauck-und-Aufhäuser-Analyst Jorge Gonzalez Sadornil. Es sei bereits damit zu rechnen gewesen, dass sich die Firma im zweiten Halbjahr margenseitig kaum verbessern kann. Doch nun habe sich das Bild wegen der Lieferkettenprobleme noch verschlechtert.

Tatsächlich rechnet Kion nun ausgerechnet in seiner Hoffnungssparte Supply Chain Solutions im dritten Quartal erstmals mit einem Verlust. Das MDax-Unternehmen aus Frankfurt bietet hier mit seiner Tochter Dematic Lösungen für die Lieferkettenlogistik wie zum Beispiel Sortier- oder Fördersysteme an − ein Ge­schäftsfeld, das gerade in der Corona-Pandemie enorm davon profitiert hat, dass Unternehmen im Zuge des E-Commerce-Booms in ihre Lagerautomatisierung investiert ha­ben. 2021 ist das operative Ergebnis hier noch um fast 50 % auf 410 Mill. Euro gestiegen.

Nun soll es im dritten Quartal bei minus 160 bis minus 190 Mill. Euro liegen. Grund seien die erheblich gestiegenen und voraussichtlich weiter steigenden Kosten bei den mehrjährigen Projekten für Material, Komponenten, Lohn und Logistik, heißt es. Analysten weisen hier da­rauf hin, dass das Unternehmen offenbar keine ausreichenden Preisanpassungsklauseln in seinen Verträgen festgeschrieben hat, so dass die Inflation nicht in ausreichendem Maße an die Kunden weitergegeben werden kann. Hinzu kommt, dass die Störungen in den Lieferketten laut Kion anhalten, was zu Verzögerungen und Ineffizienzen und somit zu weiter steigenden Projektgesamtkosten führt. Bis die vom Unternehmen eingeleiteten Maßnahmen zur Verbesserung der Situation in der Sparte ihre Wirkung entfalten, dürfte noch einige Zeit vergehen, heißt es. Parallel dazu sei das Geschäft im dritten Quartal auch noch durch eine geringere Nachfrage der E-Commerce-Kundschaft beeinträchtigt. Im Juli und August habe es zudem vereinzelte Auftragsstornierungen ge­geben. Im bislang noch größeren Gabelstapler-Segment rechnet Kion für das dritte Quartal mit einem Ergebnis auf Höhe des Vorquartals, also knapp 84 Mill. Euro. Die Engpässe in der Produktion dürften hier noch durch einen Cyberangriff auf einen wichtigen Elektroniklieferanten verschärft werden. Konzernweit soll das bereinigte operative Ergebnis somit im dritten Quartal bei minus 100 bis minus 140 Mill. Euro liegen − das wäre der erste Quartalsverlust seit mindestens zehn Jahren, wie ein Analyst von Alster Research bemerkt.

Die „große Enttäuschung“ ist laut Baader-Analyst Peter Rothenaicher aber die Prognose für das bereinigte konzernweite Jahresergebnis von 200 bis 310 Mill. Euro. Im schlimmsten Fall wäre das im Vergleich zum Vorjahr ein Rückgang von etwa 76 %. Ursprünglich war Kion hier noch von einem Sprung von über einem Drittel ausgegangen. Das Unternehmen hatte seine anfänglichen Jahresziele im April dann aber einkassiert. An ihren Einstufungen hielten die meisten Analysten trotz vielfacher Kurszielsenkungen zunächst fest. Von den bei Bloomberg gelisteten Experten raten derzeit 15 zum Kauf der Aktie, 6 zum halten und 2 zum Verkauf. Das durchschnittliche Kursziel liegt bei knapp 55 Euro.

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