Klima-Start-ups ziehen Kapital an
sp Berlin
Start-ups mit klimafreundlichen Geschäftsmodellen stehen bei Investoren hoch im Kurs. Vor zwei Monaten teilte die Berliner Enpal mit, dass der japanische Technologie-Investor Softbank 150 Mill. Euro zu einer Bewertung von mehr als 1 Mrd. Dollar in die Firma investiert. Enpal vermietet Solarzellen und Batterien im Abonnement an Privathaushalte, die sich so den Umstieg auf erneuerbare Energien ohne hohe Anfangsinvestitionen leisten können. Ein Climate-Tech-Unternehmen im engen Sinne, weil das Geschäftsmodell unmittelbar zur Einsparung von CO2-Emissionen beiträgt. Nach Einschätzung von Marktbeobachtern ist es das erste Klima-Start-up aus Berlin, das in die Riege der Nachwuchsfirmen mit einer Milliardenbewertung aufsteigt. Viele weitere „Klima-Einhörner“ dürften folgen, wie eine Marktstudie von PwC zeigt. In ihrem „State of Climate Tech“ zählt sie weltweit bereits 78 klimafreundliche Einhörner, wobei mehr als die Hälfte auf die Sektoren Mobilität und Transport entfallen.
Investitionen verdreifacht
Die Investitionen von Risikokapitalgebern in Climate Tech im zweiten Halbjahr 2020 und im ersten Halbjahr 2021 summieren sich auf mehr als 87,5 Mrd. Dollar, wie PwC vorrechnet. Im Vergleich mit den 28,5 Mrd. Dollar in den zwölf Monaten zuvor haben sich die Investitionen mehr als verdreifacht. Allein im ersten Halbjahr des laufenden Turnus lagen die Investitionen in den Sektor bei 60 Mrd. Dollar. „Climate Tech steht mittlerweile für 14 Cents von jedem Dollar Risikokapital“, heißt es in dem PwC-Bericht.
Die Zahlen sind neu, der Trend ist es nicht. Bereits Ende Oktober rechnete der Informationsdienst Dealroom vor, dass die Investitionen in Climate-Tech-Firmen in den ersten neun Monaten des laufenden Jahres weltweit auf mehr als 32 Mrd. Dollar gestiegen sind und sich im Vergleich zu 2016 – dem ersten Jahr nach der Pariser Klimakonferenz, an der sich die Staatengemeinschaft auf gemeinsame Klimaziele festlegte – etwa verfünffacht haben. Die Investitionen in Europa in Climate Tech wuchsen über diesen Zeitraum demnach schneller als in den USA oder Asien und lagen in den ersten neun Monaten bei 8 Mrd. Dollar. PwC kommt für Europa auf etwas mehr als 18 Mrd. Dollar für das zweite Halbjahr 2020 und das erste Semester des laufenden Jahres. Der Alte Kontinent liegt damit zwischen den USA mit knapp 57 Mrd. Dollar und China, die im Betrachtungszeitraum 9 Mrd. Dollar investierte. In der Rangliste der aktivsten Investmenthubs für Climate-Tech-Firmen steht hinter dem Silicon Valley und London bereits Berlin, das damit noch vor New York und Boston liegt.
Dass sich Risikokapitalgeber etwas mehr als zehn Jahre nach dem Platzen der Clean-Tech-Blase wieder verstärkt jungen Unternehmen zuwenden, die Antworten auf drängende Probleme wie die Klimakrise geben wollen, zeigt auch die Entwicklung der durchschnittlichen Größe von Finanzierungsrunden für Climate-Tech-Firmen. Sie kletterte im ersten Halbjahr 2021 im Vergleich mit der ersten Jahreshälfte 2020 von 27 Mill. Dollar auf 96 Mill. Dollar. Profitiert hat der Sektor auch vom Investoren-Run auf Special Purpose Acquisition Vehicles (Spacs), die im ersten Halbjahr 2021 auf der Suche nach lohnenden Übernahmezielen 25 Mrd. Dollar in Climate-Tech-Firmen pumpten.
Dass das rasant wachsende Investoreninteresse für Start-ups mittlerweile auch wieder Firmen aus dem Climate-Tech-Sektor erreicht und ihre Bewertungen nach oben treibt, ist erfreulich. Für das Klima ist damit allerdings noch nicht viel gewonnen. So sind in die fünf Climate-Tech-Sektoren, die nach Einschätzung von PwC mehr als 80% des Potenzials für Emissionsreduktionen bis zum Jahr 2050 haben, seit 2013 nur 25% der gesamten Investitionen in Climate Tech geflossen.
Eine Studie im Auftrag der „Tech for Net Zero Allianz“, die von der Deutschen Energieagentur und Breakthrough Energy initiiert wurde, hat trotz des wachsenden Engagements von Risikokapitalgebern in Climate Tech vor wenigen Wochen einen großen zusätzlichen Investitionsbedarf festgestellt. Allein in Deutschland müssten jährlich knapp 23 Mrd. Euro Venture Capital in Klima-Start-ups fließen, um neue Technologien zur Eindämmung des Klimawandels rechtzeitig zur Marktreife zu bringen.
Solche Volumina werden nicht ohne staatliche Investitionen darstellbar sein. Einer der bislang größten europäischen Climate-Tech-Venture-Fonds ist gerade in Berlin an den Start gegangen. Die Initiatoren des World Fund um Christian Kroll, der auch die ökologische Online-Suchmaschine Ecosia gestartet hat, wollen 350 Mill. Euro für bis zu 40 Investments auf die Beine stellen. Portfolio-Unternehmen müssen nachweisen, dass sie das Potenzial haben, mindestens 100 Megatonnen Kohlendioxidäquivalent jährlich einzusparen. Das entspricht knapp einem Viertel der gesamten CO2-Emissionen in Deutschland. Der World Fund will mit seinen Investitionen bis 2040 die Reduktion von 2 Gigatonnen CO2-Äquivalenten oder 4% der weltweiten Emissionen erreichen.