Netzagentur bei Rosneft-Raffinerien am Steuer
scd/dpa-afx Frankfurt
Der Bund hat die Kontrolle über die beiden deutschen Töchter des staatlichen russischen Ölkonzerns Rosneft übernommen und will so die Produktion und Versorgung mit Sprit, Heizöl und anderen Produkten sichern. Im Fokus steht dabei vor allem die für Ostdeutschland wichtige PCK-Raffinerie im brandenburgischen Schwedt. Hinzu kommen zwei Raffinerien in Baden-Württemberg und Bayern.
In Schwedt war die Sorge vor einer Einstellung des Betriebs in den vergangenen Monaten stark gestiegen, da die Raffinerie ausschließlich mit russischem Öl beliefert wurde. Zwar wird dieses bei einem kompletten Ausfall nicht zu 100% kompensiert werden können. Mit der Lieferung durch eine Pipeline von Rostock aus kann Schwedt aber mit bis zu 60 % ausgelastet werden. Mit zusätzlichen Lieferungen aus Polen (Danzig) könnten es 75 % werden.
Allerdings sind dafür noch Schritte nötig. So soll die Hafeninfrastruktur in Rostock und die Pipeline von dort nach Schwedt zunächst ausgebaut werden. Darüber hinaus soll Öl via Pipeline vom Danziger Hafen geliefert werden. Die Zusage aus Polen war ausgeschlossen, solange mögliche Gewinne über die zwei Rosneft-Töchter nach Russland gingen, erklärte Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck. „Die Umstellungen sind vorbereitet, und die Gespräche auch mit der polnischen Seite sind weit vorangeschritten.“ Rosneft Deutschland vereint 12% der deutschen Erdölverarbeitungskapazität auf sich.
In den vergangenen Monaten hatte eine Arbeitsgruppe zunächst die technische Machbarkeit geprüft, verschiedene Ölsorten in Schwedt zu verarbeiten. Diese Prüfung ist zu einem positiven Ergebnis gekommen. Neben den neuen Lieferwegen hat die Bundesregierung weitere Maßnahmen gegen ein plötzliches Ausbleiben der Lieferungen eingeleitet. So seien die Reserven der Raffinerie, aber auch die Ölreserven des Landes aufgefüllt worden.
Lieferstopp befürchtet
Bundeskanzler Olaf Scholz bezeichnete das Konzept zur Sicherung von PCK am Freitag als „weitreichende energiepolitische Entscheidung zum Schutz unseres Landes“. Russland sei kein zuverlässiger Partner mehr. Habeck ergänzte: „Der Standort ist gesichert, und die Zukunft für Schwedt wird erarbeitet.“ Die Reaktionen aus der Branche auf die Ankündigungen fielen überwiegend positiv aus. Der Branchenverband „Fuels und Energie“ nannte die Entscheidung nachvollziehbar. Die Gewerkschaft IG BCE unterstützt die Entscheidungen. „Die Beschäftigten in Schwedt können aufatmen“, sagte Bezirksleiter Rolf Erler.
Ob und wie schnell die Rohöllieferungen nach Schwedt eingestellt werden, war zunächst unklar. PCK fürchtet aber, dass Russland rasch Konsequenzen ziehen könnte. „Wir bereiten uns auf mögliche, kurzfristige Einschränkungen in der Druschba-Rohölversorgung vor“, teilte das Unternehmen mit. Ein Teil der Versorgung laufe bereits über den Hafen Rostock. Die Bundesregierung hat sich zudem im Rahmen des Ölembargos gegen Russland auf EU-Ebene dazu verpflichtet, von Anfang 2023 an auf russisches Pipelineöl zu verzichten. Schwedt wird seit Jahrzehnten über die Druschba-Pipeline aus Russland mit Öl beliefert.
An einer Abkehr von russischem Öl hatte der Mehrheitseigner Rosneft, der selbst als Lieferant auftritt, nach Angaben des Wirtschaftsministeriums wenig Interesse. Trotz der Sanktionen hatte der russische Staatskonzern zuletzt über einen Umsatz- und Gewinnanstieg berichtet. Rosneft profitiert wie die gesamte Branche von den gestiegenen Ölpreisen – allerdings weniger stark als die nicht mit Sanktionen belegten Wettbewerber (siehe Grafik). Die deutschen Töchter führten zuletzt jeden Monat Rohöl im Wert von Hunderten Millionen Euro aus Russland nach Deutschland ein.
Um dem Ölkonzern die Kontrolle über die deutschen Raffinerien zu entziehen, setzt die Bundesregierung erneut auf eine Treuhandlösung. Die Unternehmen Rosneft Deutschland und RN Refining & Marketing kommen für zunächst sechs Monate unter Verwaltung der Bundesnetzagentur. Die Behörde übernimmt auch die Kontrolle über den jeweiligen Anteil in den drei Raffinerien PCK sowie Miro in Karlsruhe und Bayernoil bei Ingolstadt. Neben Rosneft mit 54% ist Shell mit 37% Miteigentümer von PCK. Der Ölkonzern will den Anteil schon länger verkaufen. Verbio und Enertrag hatten bereits Interesse bekundet. Für den Rosneft-Anteil wäre im Prinzip eine Enteignung rechtlich möglich. Bislang will der Bund diese Option aber nicht ziehen.