Northvolt meldet Insolvenz in Schweden an
Northvolt meldet Insolvenz in Schweden an
Strauchelnder Batteriehersteller findet keine neuen Investoren – VW schreibt Restbuchwert der Beteiligung ab
ste Hamburg
Der finanziell schwer angeschlagene Batteriehersteller Northvolt hat in seiner schwedischen Heimat Insolvenz angemeldet. Wie das Unternehmen am Mittwoch mitteilte, betrifft der Schritt die Muttergesellschaft Northvolt AB und weitere schwedische Einheiten, nicht aber die Tochtergesellschaften in Deutschland und Nordamerika.
Alle Entscheidungen bezüglich dieser Unternehmen würden vom gerichtlich bestellten Treuhänder von Northvolt in Absprache mit den Kreditgebern zu gegebener Zeit getroffen, hieß es. Das im März vorigen Jahres im Beisein von Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) und Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) offiziell gestartete Bauvorhaben zur Errichtung einer Northvolt-Batteriefabrik bei Heide in Schleswig-Holstein wird offenbar vorerst fortgesetzt.
Verkauf möglich
Trotz Ausschöpfung aller verfügbaren Optionen zur Umsetzung einer Sanierung einschließlich eines Restrukturierungsverfahrens nach Chapter 11 in den USA und trotz Liquiditätsunterstützung durch Kreditgeber und Gegenparteien habe man die notwendigen finanziellen Voraussetzungen für einen Fortbestand in der bisherigen Form nicht schaffen können, begründete Northvolt den Insolvenzantrag. Das Unternehmen werde alle realistischen Optionen zur Finanzierung seiner Fortführung während des schwedischen Insolvenzverfahrens ausloten. Dazu wird auch ein Verkauf gezählt.
Wie für viele Unternehmen in der Batteriebranche hätten sich in den vergangenen Monaten durch steigende Kapitalkosten, geopolitische Instabilität mit der Unterbrechung von Lieferketten sowie durch Veränderungen der Marktnachfrage die Herausforderungen für Northvolt verschärft. Das Unternehmen verwies ferner auf interne Probleme beim Hochfahren der Produktion. Nach der Ankündigung im vorigen September, Expansionspläne für seine Aktivitäten in Schweden auf Eis zu legen und 1.600 Stellen – rund 20% der Belegschaft – abzubauen, hatte Northvolt im November bei einem Gericht in Texas Gläubigerschutz gemäß US-Insolvenzrecht beantragt. Mitgründer Peter Carlsson trat von seinem Posten als CEO zurück.
Einst Hoffnungsträger
Dem 2016 als Hoffnungsträger der europäischen Autoindustrie gestarteten Start-up, das es mit den dominierenden Batterieherstellern aus Asien aufnehmen sollte, war es nicht gelungen, langfristige Finanzierungszusagen von Geldgebern zu vereinbaren. Auch Volkswagen, mit einem Anteil von mehr als 21% größter Einzelgesellschafter von Northvolt, zeigte sich nicht zu einer Eigenkapitalstärkung bereit. Die schwedische Regierung schloss eine staatliche Rettung des Unternehmens aus.
Zur Insolvenz von Northvolt in Schweden teilte VW mit, man werde sich zu etwaigen künftigen Entwicklungen nicht äußern. Mit Eröffnung des Gläubigerschutzverfahrens in den USA hatte Europas größter Fahrzeugbauer die verbliebenen Restbuchwerte der Beteiligung sowie der Darlehnsforderungen gegenüber Northvolt vollständigt wertberichtigt. Ausgenommen, so der Wolfsburger Konzern in seinem am Dienstag veröffentlichten Geschäftsjahresbericht 2024, seien Darlehnsforderungen aus Finanzmitteln, die dem Batteriehersteller erst nach Eröffnung des Gläubigerschutzverfahrens gewährt und die separat besichert wurden. Die Abwertung führte 2024 zu einem Aufwand von 661 Mill. Euro. Der VW-Konzern unterstrich weiter, an seinem Multi-Lieferanten-Ansatz festzuhalten.
VW plant eigene Batterieproduktion
„Wir werden weiterhin mit verschiedenen Batteriezellenlieferanten zusammenarbeiten, dies ist die richtige Strategie in einem dynamischen und sich ständig verändernden Markt", teilte das Unternehmen mit. Mit dem 2022 gestarteten Batteriezellenlieferanten Powerco bauen die Wolfsburger auch eine eigene Batterieproduktion auf.
Noch 2025 soll die Produktion in Salzgitter beginnen, gefolgt von Valencia in Spanien und St. Thomas im kanadischen Ontario. Weil der Hochlauf der Elektromobilität jedoch langsamer abläuft als beim Powerco-Start erwartet, bremst der VW-Konzern bei Investitionen: Im Rahmen der neuen fünfjährigen Planungsrunde bis 2029 sind von geplanten Gesamtinvestitionen von 165 Mrd. Euro rund 10 Mrd. Euro für den Batteriebereich vorgesehen, wie der Konzern am Dienstag mitteilte. Die bisherigen Planungsrunden sahen Investitionen von bis zu 15 Mrd. Euro vor.
Chancen für europäische Hersteller
Branchenbeobachter sehen weiterhin Chancen für europäische Batteriehersteller. Die Northvolt-Insolvenz heiße nicht, dass eine Batteriezellproduktion in Europa nicht möglich ist oder keinen Sinn ergibt, so Jörn Neuhausen von der zu PwC gehörenden Beratungsgesellschaft Strategy& Deutschland. Besser zugängliche Standorte und höhere Kompetenzen bei der Industrialisierung seien bei den verbleibenden zwei großen Zellherstellern, Powerco und ACC, gegeben.
Europäische Batteriezellhersteller müssten nun beweisen, dass sie die
ersten NMC-Zellen (Nickel-Mangan-Cobalt) industrialisieren und wettbewerbsfähig an die Autohersteller liefern können. Für den zunehmenden Anteil der LFP-Zellen (Lithium-Eisenphosphat) werden nach Einschätzung von Neuhausen Kooperationen notwendig sein, um in Fahrzeugen schnell genug auf dem Markt zu sein. „Langfristig wäre auch hier eine europäische Zelle ab 2030 sinnvoll.“
Habeck hofft noch
An der Dominanz der asiatischen Batterieproduzenten wird sich nach den Worten von Neuhausen in den kommenden Jahren nichts ändern. Mit Blick auf die Lage bei Northvolt sagte der aus Schleswig-Holstein stammende Bundeswirtschaftsminister Habeck laut Reuters am Rande einer Handwerksmesse in München, er sei „noch immer guter Hoffnung, dass über das Insolvenzverfahren ein neuer Investor gefunden wird, sowohl für Heide wie auch vielleicht für das schwedische Mutterunternehmen“. Es werde jemand gesucht, der das Unternehmen wieder auf solide Beiene stellen könne. „Die Möglichkeit besteht durchaus.“ Der Bund und das Land Schleswig-Holstein stützen das Fabrikprojekt in Schleswig-Holstein durch zugesagte Fördermittel und Garantien.