Novem tastet sich ans Handelsparkett heran
Von Stefan Kroneck, München
Aufgrund der Hausse an den Aktienmärkten sind Börsengänge mehr denn je en vogue. Nach dem Initial Public Offering (IPO) des Online-Gebrauchtwagenhändlers Auto1 arbeitet sich mit Novem ein weiterer deutscher Mittelständler aus der Automobilbranche an das Handelsparkett in Frankfurt heran. „Wir haben mit der Evaluation eines Börsengangs begonnen. Dabei ist die Gestaltung der Kapitalstruktur ein wesentlicher Punkt“, sagt der in der zweiköpfigen Geschäftsführung für Finanzen zuständige Johannes Burtscher im Gespräch mit der Börsen-Zeitung.
Das auf das Innenraumdesign für Oberklassefahrzeuge spezialisierte Unternehmen mit Hauptsitz in Vorbach (Bayern) befindet sich mehrheitlich im Eigentum der Beteiligungsgesellschaft Bregal. Hinter der Münchner Private-Equity-Adresse steht die C&A-Gründerfamilie Brenninkmeijer. Kleinere Anteile hält das Management von Novem.
„Hoher“ Mittelzufluss
Nach dem im Bundesanzeiger im März veröffentlichten Bericht für das Geschäftsjahr 2019/20, welches am 31. März 2020 endete, machte das 105 (i.V. 49) Mill. Euro umfassende buchmäßige Eigenkapital der als GmbH firmierenden Novem-Gruppe gemäß HGB 7,7 (10)% der auf 1,4 (0,5) Mrd. Euro deutlich ausgeweiteten Bilanzsumme aus. Dazu trugen auf der Passivseite der Bilanz vor allem eine 2019 emittierte Anleihe (bilanziert mit 403 Mill. Euro) und ein auf 439 (93) Mill. Euro hochgeschossenes Gesellschafterdarlehen bei.
Ein Börsengang wäre für Bregal ein eleganter, lukrativer Weg, um bei Novem nach zehn Jahren auszusteigen. Bregal hatte die Firma 2011 von einem Treuhänder der damaligen Gläubigerbanken erworben. Seinerzeit war das Haus der vierte Finanzinvestor, der das zuvor von der Finanzmarkt- und Wirtschaftskrise geschwächte Unternehmen aus der Oberpfalz sich aneignete. Unter der Regie von Bregal kämpfte sich Novem erfolgreich zurück.
Für Burtscher ist das ein Pluspunkt. „Wir fokussieren uns auf das Premiumsegment. Novem ist Weltmarktführer. Unser Marktanteil in unserem Geschäft liegt derzeit bei 46%. Wir sind bei allen Premiumherstellern dabei“, berichtet er. Zu den Kunden des über 5900 Mitarbeiter zählenden Konzerns gehören unter anderem Audi, BMW, Daimler, Porsche und Maserati. Den Wandel der Branche zur Elektromobilität sieht Burtscher als Chance: „Diese Megatrends sind für uns förderlich. Die Kunden wollen künftig auch Premium im Innenraum eines elektrisch angetriebenen Fahrzeugs. Das Fahrzeug wird immer mehr von innen nach außen entwickelt.“ Die Wachstumsmöglichkeiten seien „signifikant“. Der CFO erwähnt dabei unter anderem China, wo sich ebenfalls ein Premiumsegment unter den heimischen Autobauern herausbildet. „Wir bringen Substanz ein. Wir erwirtschaften einen hohen Cash-flow“, wirbt der CFO für Novem. „Unser Ziel ist, mittelfristig eine Umsatzrendite auf Basis des angepassten Ergebnisses vor Zinsen und Steuern in einer Spanne zwischen 17 und 18% zu erwirtschaften. Wir wollen an die Profitabilität der Vergangenheit, also vor Ausbruch von Covid-19, anknüpfen.“ Der Corona-Schock traf auch Novem. Dem CFO zufolge kam das Unternehmen glimpflich davon. „Die Pandemie ist für uns im zurückliegenden Geschäftsjahr 2020/21, also vom 1. April 2020 bis 31. März 2021, nicht dramatisch ausgefallen. Die Folgen des globalen Lockdowns im Frühjahr 2020 konnten wir im Herbst teilweise wettmachen. Insgesamt sind wir besser aus der Krise herausgekommen als der Branchendurchschnitt. Wir mussten lediglich einen moderaten Umsatzrückgang hinnehmen“, sagt Burtscher. Der Abschluss für das zurückliegende Geschäftsjahr ist derzeit in Arbeit. Abschlussprüfer von Novem ist EY. Die Gesellschaft ist infolge des Zusammenbruchs von Wirecard in die Kritik geraten. Für den CFO ist es aber kein Thema, den Prüfer zu wechseln: „Ich schließe die Diskussion komplett aus. Wir schätzen die sehr profunde Zusammenarbeit mit EY.“
Dem Geschäftsbericht für 2019/20 zufolge schrumpfte seinerzeit der Konzernumsatz um 9% auf 645 Mill. Euro. Netto machte Novem in diesem Zeitraum Miese. Nach Steuern fiel ein Minus von 41 Mill. Euro an nach einem Überschuss von 73 Mill. Euro ein Jahr zuvor. Als Grund für den Verlust gab Novem die emittierte Anleihe und einen Umbau der Konzernstruktur an. Dies löste Neubewertungen aus. Letztere führten im Zwölfmonatsberichtsturnus zu hohen Abschreibungen.
Derweil arbeitet Novem daran, ihr Zahlenwerk auf den internationalen Standard IFRS umzustellen. IPO-Projektbegleiter sind die Geldhäuser J.P. Morgan, Berenberg und die Commerzbank. Eine endgültige Entscheidung über einen Börsengang ist aber noch nicht getroffen worden. „Wir sind noch nicht so weit, dies zu tun“, so der CFO. Zuletzt wurde Novem eine Bewertung von 1,5 Mrd. Euro zugetraut (vgl. BZ vom 14. Januar). Burtscher will darauf nicht näher eingehen. Nur so viel: „Aufgrund unseres soliden Finanzprofils erhoffen wir uns auch eine sehr gute Bewertung von Novem.“ Das kürzlich abgebrochene IPO des Online-Neuwagenhändlers Meinauto ist für ihn aber kein Warnsignal. „Selbstverständlich schauen wir, was um uns passiert. Wir hätten das Projekt aber nicht gestartet, wären wir von Novem nicht überzeugt.“