Plädoyer für mehr Pragmatismus im Umgang mit China
Von Thomas Spengler, Stuttgart
Bei dem Laserspezialisten Trumpf in Ditzingen, vor den Toren Stuttgarts, ist alles ein bisschen anders. Der Rasen zwischen den blitzblanken Gebäuden des Stammsitzes wirkt wie von englischen Gärtnern gepflegt, man schreibt gute Gewinne, hat bei der Zukunftstechnologie EUV einen starken Fuß in der Tür und baut im Inland weiter Personal auf. Damit die Geschäfte auch in Zukunft nicht gefährdet sind, bekennt sich Konzernchefin Nicola Leibinger-Kammüller eindeutig zum pragmatischen Umgang mit China und hat dabei sogar ein Lob für Olaf Scholz parat.
Dass der Bundeskanzler es der chinesischen Staatsreederei Cosco gestatte, sich an einem Containerterminal im Hamburger Hafen zu beteiligen, sei eine kluge Entscheidung gewesen. „Denn was wir gegenüber China brauchen, sind Dialog und Pragmatismus“, macht die 62-Jährige auf der Jahrespressekonferenz klar. Schließlich handle es sich um einen derartigen „Riesenmarkt“, dass ein Rückzug der deutschen Industrie aus dem Reich der Mitte nicht ohne gravierende Folgen für den hiesigen Wohlstand einhergehen würde. Dass sich viele Firmen im Westen durch Lieferverflechtungen mit China in sehr starke Abhängigkeit begeben hätten, will Leibinger-Kammüller nicht verhehlen. „Aber wir sind dabei, resilienter zu werden“, sagt sie. So suchten sich die Unternehmen für sämtliche Komponenten verstärkt eine Second Source, also einen zweiten Lieferanten, um sich gegen Ausfälle zu wappnen.
Für den Fall eines chinesischen Militärschlags gegen Taiwan aber wäre auch für die Vorstandsvorsitzende „eine rote Linie überschritten“, so dass das Geschäft mit China als Ganzes zur Disposition stünde – mit ungewissen Folgen. Trumpf müsste sich dann Ersatzmärkte suchen und diese ausbauen – etwa Vietnam, meint Leibinger-Kammüller. Die Geschäftsbeziehungen mit Russland, das für nur 1% Umsatz stand, hat Trumpf im März beendet. China ist unterdessen der viertgrößte Einzelmarkt des Maschinenbauers.
Allen Krisen zum Trotz fuhr das Unternehmen im Geschäftsjahr 2021/22 (30. Juni) mit einem Plus von 42% auf 5,6 Mrd. Euro den höchsten Auftragseingang seiner Geschichte ein bei einem ebenfalls rekordhohen Umsatz von 4,2 Mrd. Euro (plus 20,5%). Die Diskrepanz zwischen den beiden Werten erklärt Leibinger-Kammüller damit, dass Kundenaufträge infolge fehlender Komponenten durch Lieferkettenprobleme und eingeschränkter Logistikkapazitäten nur schleppend abgearbeitet werden konnten. Erschwerend kam seit einigen Monaten die Ungewissheit über die Energiekosten hinzu. Ausgerechnet der größte Geschäftsbereich Werkzeugmaschinen blieb mit einem immer noch ordentlichen Plus von 12,2% auf 2,3 Mrd. Euro hinter den Plänen zurück, weil Maschinen wegen fehlender Komponenten teilweise nicht ausgeliefert werden konnten. Dabei fürchtet die Trumpf-Chefin, dass steigende Material- und Energiekosten diesen Trend verfestigen könnten.
Als wahre Wundertüte des Konzerns entpuppt sich immer mehr die sogenannte EUV-Technik, die mit extrem ultraviolettem Licht zur Herstellung winziger Mikrochips geeignet ist. So konnte Trumpf den Umsatz in diesem Bereich um 81,6% auf 795 Mill. Euro rasanter steigern als erwartet. Im laufenden Geschäftsjahr dürfte sich das Wachstum bei EUV etwas abschwächen, wird laut Leibinger-Kammüller aber immer noch bei knapp unter 50% liegen.
Die niederländische Firma ASML verarbeitet die EUV-Technik in Anlagen für die weltweite Chipproduktion; Trumpf liefert dafür den Laser, von Zeiss im schwäbischen Oberkochen kommt das optische System. Trumpf steckt mehr als 10% vom Umsatz in Forschung und Entwicklung, im Berichtsjahr 448 Mill. Euro (+17%). Ohne eine absolute Zahl zu nennen, versicherte die Trumpf-Chefin, dass der Ergebnisbeitrag, den der Bereich EUV abwerfe, „maßgeblich für die Trumpf-Gruppe ist“. Dies spiegelt sich in einer Steigerung der Ebit-Rendite von 10,5 auf 11,1% wider. Der Gewinn vor Zinsen und Steuern wurde 2021/22 um 26,8% auf 468 Mill. Euro gesteigert.