Porsche lässt die Nische hinter sich
Von Sebastian Schmid, Frankfurt
Viele Zahlen zum abgelaufenen Kalenderjahr sind noch nicht bekannt. Was bislang von Porsche bereits öffentlich gemacht wurde, überzeugt allerdings. Knapp 302000 Autos hat der Sportwagenbauer Porsche im Jahr 2021 abgesetzt. In einem Jahr, in dem die meisten Autohersteller primär aufgrund der Produktionsengpässe in der Halbleiterindustrie deutlich rückläufige Auslieferungen zählten, konnte sich Porsche einmal mehr steigern. Die VW-Tochter aus Zuffenhausen hat sich binnen weniger Jahre nach der Übernahme vom schuldenbeladenen Problemkind zur glänzendsten Perle des Konzerns gemausert.
Das liegt nicht zuletzt an einer deutlich ausgeweiteten Angebotspalette. Zu den damals noch vier Modellreihen 718 (Boxster/Cayman), 911, Cayenne und Panamera sind mit dem kleineren SUV Macan und dem batterieelektrischen Taycan zwei weitere hinzugekommen. Die beiden neuen Reihen standen 2019 und 2020 zusammengenommen jeweils für mehr als ein Drittel der Auslieferungen.
Auch wenn Porsche-CEO Oliver Blume stets den Premium-Anspruch von Porsche betont, gibt sich der Autobauer Mühe, nicht nur die oberste Preisklasse im Segment zu bedienen. So wurde für den Taycan im März 2021 eine günstigere Hinterradantriebsversion auf den Markt gebracht, mit der Porsche den Einstiegspreis des Stromers um mehr als 20000 Euro auf gut 83500 abgesenkt hat. Das dürfte auch dazu beigetragen haben, dass Porsche die Auslieferungen der Taycan-Baureihe 2021 weit überdurchschnittlich von rund 20000 auf mehr als 41000 Stück gut verdoppeln konnte. Damit ist der Taycan laut Blume „auf Augenhöhe“ mit dem 911 und damit aktuell Porsches meistverkaufte Modellreihe jenseits der SUV-Reihen Macan und Cayenne. Letztere dominieren den Absatz mit mehr als der Hälfte der globalen Auslieferungen aber weiterhin klar.
Die hohe Kundennachfrage für die spritschluckenden SUVs dürfte auch ein wesentlicher Grund sein, warum Porsche die Elektrifizierung schneller vorangetrieben hat als einige Schwestermarken im Konzern. Im vergangenen Jahr war bereits jeder vierte weltweit verkaufte Porsche elektrifiziert. In Europa, wo die Regulierung noch ehrgeizigere Ziele nötig macht, kam Porsche bereits auf einen Anteil von knapp 40 %. Bis zur Mitte des Jahrzehnts wird global bereits ein Anteil von 50 % angepeilt. Bis 2030 soll dieser auf 80 % steigen.
Zwar rechnet Porsche hier Plug-in-Hybride mit rein. Aber schon 2021 war der Anteil des Taycan an den Auslieferungen höher als die Summe aller Plug-in-Hybriden zusammengenommen. Als eigenständiger auf Nachhaltigkeit fokussierter Premium-Sportwagenbauer wäre Porsche noch deutlich mehr wert als heute als Teil der VW-Markenfamilie, glauben viele Marktbeobachter.
Finanzvorstand Lutz Meschke, dessen Vertrag erst vor wenigen Wochen verlängert wurde, wirbt schon seit Jahren für eine Börsennotierung der Zuffenhausener VW-Edelmarke. Das enorme Potenzial eines Going Public zeigt der Wettbewerber Ferrari. Die einstige Fiat-Tochter kommt an der New Yorker Börse auf eine Bewertung von knapp 40 Mrd. Dollar – bei einem Absatz von nur rund 11000 Fahrzeugen 2021 und ohne erkennbare Nachhaltigkeitsstrategie.
Allerdings scheint der Vergleich auch schief. Wahrend sich Ferrari tatsächlich weiterhin auf das absolute Hochpreissegment im Verbrennergeschäft kapriziert, konkurriert Porsche am unteren Ende der Preisskala auch mit „normalen“ Premiumherstellern wie BMW, Mercedes und teils wohl auch Tesla. Alle drei Wettbewerber haben Porsche indes derzeit noch eines voraus: eine eigenständige Börsennotierung.