GastbeitragVenture Capital

Raues Umfeld für Start-up-Finanzierung

Das aktuelle Marktumfeld erschwert die Finanzierungsrunden junger Unternehmen. Investoren stellen härtere Bedingungen.

Raues Umfeld für Start-up-Finanzierung

Gastbeitrag

Raues Umfeld für Start-up-Finanzierung

Marktumfeld deutlich eingetrübt

Das aktuelle Marktumfeld erschwert die Finanzierungsrunden junger Unternehmen. Investoren stellen härtere Bedingungen.

Von Henning Bloss und Jörn Hirschmann

Die Luft für Start-ups wird dünner. Das allgemeine Marktumfeld hat sich deutlich eingetrübt. Neben den bereits stark gestiegenen Zinsen spüren die Akteure weitere Änderungen makroökonomischer Parameter, insbesondere in Form anhaltend hoher Inflation sowie der gestiegenen Energiepreise. Belastend ist dabei nicht zuletzt die fehlende Verlässlichkeit der zukünftigen volkswirtschaftlichen Entwicklung.

Diese schwierige Gemengelage hat zu einem wahrnehmbaren Rückgang der in Deutschland investierten VC-Mittel geführt. So steckten nach Angaben des Datenanbieters CB Insights Investoren in Deutschland im vierten Quartal 2022 nur noch 1,7 Mrd. Dollar in insgesamt 183 Transaktionen. Beide Werte sind die niedrigsten Werte für ein Quartal seit Ende des Jahres 2020. Mit der Eintrübung des finanziellen Ausblicks geraten auch die Bewertungen unter Druck. Die in früheren Finanzierungen erzielten Unternehmenswerte können in neuen Finanzierungsrunden oft nicht mehr gehalten werden.

Eine weitere Folge des Ende des billigen Geldes ist, dass Geschäftsmodelle von Seiten der Investoren verstärkt unter die Lupe genommen werden. Unternehmen, die sich auf absehbare Zeit nicht selbst tragen können, haben kaum noch eine Chance. Insbesondere forschungsintensive Unternehmen, etwa im Bereich Biotechnologie, die sich von den Erfolgen deutscher Vorzeigeunternehmen beflügelt sahen, spüren den Gegenwind. Oft kann mangels der Bereitschaft neuer Investoren eine Finanzierungsrunde nur unter den Bestandsinvestoren gesichert werden.

Die vermehrte Zurückhaltung der Investoren verändert auch die Prozessdynamik. Zum einen verlängern sich die Finanzierungsprozesse. Zum anderen gibt es in einer Finanzierungsrunde vermehrt gestufte Closings. Viele Investoren sind nicht mehr bereit, ihr volles Investment bereits beim Closing einer Finanzierungsrunde zu erbringen, sondern knüpfen die Auszahlung ihres Investments ganz oder teilweise an die Erreichung bestimmter Milestones.

Mehr Brückenfinanzierungen

Ein Sekundäreffekt ist, dass die Anzahl von Brückenfinanzierungen bis zur nächsten Finanzierungsrunde steigt: Entsprechend kommt es auch zu einem vermehrten Einsatz von Wandeldarlehen. Diese haben aus Sicht des Investors den Vorteil, dass sie sein Ausfallrisiko reduzieren. Auch kommt es vermehrt zum Einsatz von Risikokrediten (Venture Debt), wie sie spezialisierte private Anbieter oder auch die Förderbanken des Bundes und der Länder anbieten. Auch hier wird die Auszahlung vermehrt gestaffelt (staggered) und an Milestones gebunden.

Aus Sicht der Start-ups geht es in diesem schwierigen Umfeld primär darum, sicherzustellen, dass Neuinvestoren das zugesagte Investment auch tatsächlich erbringen. Dies kann insbesondere dadurch erreicht werden, dass - anders als üblich - die Investoren im Investment Agreement verpflichtet werden, den vollen Betrag bereits vor Erhalt der neuen Geschäftsanteile in die Gesellschaft einzuzahlen. Alternativ können Einziehungsklauseln oder Klauseln zur verpflichtenden Anteilsübertragung sinnvoll sein.

Krisenszenarien für Start-ups

Investoren hingegen müssen sich für den Fall wappnen, dass das Unternehmen in die Krise rutscht. Hierfür kommen verschiedene Handlungsoptionen in Betracht. Die üblichen Liquidationspräferenzen (als Participating oder Non-Participating) bieten zwar einen guten Schutz für den Fall, dass im Rahmen eines Exits die Erlöse unter der Einstiegsbewertung des Investors liegen. Im Fall einer Insolvenz sind sie allerdings nutzlos, da es sich bei dem Investment eben um nachrangiges Eigenkapital handelt.

Daher versuchen einige Investoren, ihr Investment nicht in Form von Eigenkapital, sondern - zumindest auch - als Fremdkapital zu gestalten, das im Insolvenzfall vorrangig aus der Insolvenzmasse bedient wird. Hier kommt insbesondere auch eine Kombination von Eigenkapital mit einem Wandeldarlehen in Betracht. Da die EK-Beteiligung regelmäßig unter der eine Nachrangigkeit begründenden Schwelle von 10% liegt, wird der Darlehensanteil vor Wandlung stets als Fremdkapital behandelt.

Schutz für Investoren

Für die Bestandsinvestoren erhält die Downround-Protection eine größere Bedeutung. Damit gemeint ist eine rückwirkende Bewertungsanpassung des Investments, die bei nachfolgenden Finan-
zierungsrunden zu einer niedrigen Bewertung zum Tragen kommt. Für Neuinvestoren kommt dem Präventivschutz mittels Due Diligence und auch den operativen Garantien der Gründer eine immer größere Bedeutung zu. Im Falle eines Garantieverstoßes bevorzugen Investoren, dass das Unternehmen den Schadensersatz in Geld leistet. Das heißt, dass eine Kompensation in Form von zusätzlichen Anteilen des Unternehmens eher die Ausnahme bleibt.

Zudem drängen Investoren zunehmend auf eine strikte Corporate-Governance-Struktur, die ihnen eine ausreichende Einflussnahme sichert. Hierzu zählen neben den üblichen Zustimmungsvorbehalten für die Geschäftsführung die Einsetzung von Fremdgeschäftsführern zur Einhegung des Gründereinflusses und Professionalisierung des Managements sowie die Ausweitung der Kompetenzen des Beirats, der die Geschäftsführung überwacht und berät.

Schließlich haben sowohl die Investoren als auch das Start-up ein Interesse daran, für den Fall, dass Krisenfinanzierungen erforderlich sind, diese durch entsprechende vertragliche Regelungen zu ermöglichen. Hierbei werden insbesondere niedrigere Mehrheitsschwellen vorgesehen, um Blockaden zu verhindern. Zudem können auch Zustimmungspflichten zu Kapitalmaßnahmen vereinbart werden, wobei Zeichnungspflichten ausgeschlossen werden. Üblich sind auch sogenannte „Pay to Play“-Regelungen. Danach verlieren Investoren ihre Liquidationspräferenz bzw. ihren Downround-Schutz, wenn sie sich nicht an einer Finanzierungsrunde beteiligen und frisches Geld zuschießen.

ESG gewinnt an Bedeutung

Zunehmend sind die Unternehmen zudem auch damit konfrontiert, dass Investoren aufgrund der größeren Bedeutung der für sie geltenden ESG-Regulierung verstärkt auf nachhaltige Geschäftsmodelle setzen. Start-ups bemühen sich ihrerseits, selbst verbindliche ESG-Leitlinien festzulegen, um z.B. Impact-Investoren für sich gewinnen zu können. Die Impact-Investoren werden den Start-ups darüber hinaus regelmäßig noch weitere ESG Standards abverlangen.

Jörn Hirschmann

Jörn Hirschmann ist Partner der Kanzlei Covington Burling.

Henning Bloss

Henning Bloss ist Partner der Kanzlei Covington Burling