Rom fordert Ablösung des STMicroelectronics-Chefs
Rom fordert Ablösung des STMicro-Chefs
Regierung versucht, bei französisch-italienischen Unternehmen Einfluss zu nehmen
bl/wü Mailand/Paris
Sein Konzern sei ein Modell für die französisch-italienische Zusammenarbeit, lobte STMicroelectronics-Chef Jean-Marc Chéry noch vor ein paar Jahren. Davon kann inzwischen keine Rede mehr sein.
Stattdessen ist der Infineon-Wettbewerber das jüngste Beispiel, wie der italienische Staat immer wieder versucht, bei französisch-italienischen Unternehmen Einfluss zu nehmen. Eine Tendenz, die seit dem Regierungsantritt von Giorgia Meloni deutlich zugenommen hat. Wie zuvor bei Stellantis dringt Rom nun auch bei STMicroelectronics auf die Abberufung des Chefs.
Der Halbleiterriese, der 1987 aus dem Zusammenschluss der französischen Thomson Semiconducteurs mit der italienischen SGS Microelettronica entstand, durchlebt gerade eine Krise, nicht nur, weil der Nettogewinn letztes Jahr um 63% eingebrochen ist, sondern auch, weil Rom immer offener gegen Chéry stänkert. Die italienische Regierung und der französische Staat (über Bpifrance) halten laut Bloomberg eine kombinierte Beteiligung von 27,5% an dem für sie strategisch wichtigen Chiphersteller, zu dessen Kunden Apple und Tesla gehören.
Rom könnte Class Action nutzen
Rom wirft Chéry Missmanagement und die Bevorzugung französischer Interessen vor. Wirtschaftsminister Giancarlo Giorgetti soll sich laut Informationen von „Les Echos“ bereits letztes Jahr gegen eine Verlängerung des Mandats für drei weitere Jahre ausgesprochen haben. Chéry habe aber dank der Unterstützung des damaligen französischen Wirtschaftsministers Bruno Le Maire seinen Kopf retten können, berichtet die Wirtschaftszeitung. Die Idee Roms, dass Frankreich bevorzugt werde, sei eine Unwahrheit, sagte Bpifrance-Chef Nicolas Dufourcq dem Blatt.
So investiert der Konzern nicht nur in ein neues Werk bei Grenoble, sondern auch im sizilianischen Catania. Die Hauptversammlung im Mai dürfte turbulent werden, glauben Beobachter. Dem Vernehmen nach will die Regierung Melonis die in den USA gegen STMicroelectronics lancierte Class Action nutzen. Die Kläger werfen Chéry und Finanzchef Lorenzo Grandi vor, irreführende Informationen zu den Aussichten und der Verschlechterung des Halbleitermarktes gegeben zu haben, sodass sie Geld verloren haben.
Rom weitet Einfluss aus
Massiver Druck Roms war zuvor auch ein Grund für die Ablösung von Stellantis-CEO Carlos Tavares im Dezember, nicht dagegen für die italienische Machtübernahme bei dem Brillenriesen EssilorLuxottica. Rom ist aus fadenscheinigen Gründen jetzt auch gegen die Bildung eines paritätischen Joint Ventures zwischen der Versicherung Generali und Natixis im Bereich Assetmanagement. Die Regierung Melonis hat auch durchgesetzt, dass der französische Direktor der Mailänder Scala von einem Italiener abgelöst wird. Schon vor Amtsantritt der rechtsextremen Meloni haben diverse Regierungen Italiens ihren Einfluss auf die Wirtschaft deutlich ausgeweitet. Mit Golden-Power-Regelungen kann Rom praktisch jedes grenzüberschreitende Vorhaben, auch innerhalb der EU, unterbinden.
Stellantis wird nun interimistisch von John Elkann, Chairman und Chef des italienischen Großaktionärs Exor, geleitet. Bei EssilorLuxottica ist Francesco Milleri CEO, der Chef des italienischen Großaktionärs Delfin (32%), obwohl bei der Fusion des französischen Brillenglasherstellers Essilor mit Luxottica eine paritätische Führung der neuen Gruppe vereinbart worden war. Allerdings haben französische Konzerne wie LVMH, Lactalis, Kering, Crédit Agricole und BNP Paribas auch etliche italienische Unternehmen aus der Luxus-, Lebensmittel- und Finanzindustrie gekauft.