RWE steht mit Kohlekraftwerken bei Fuß
ab Düsseldorf
Ähnlich wie für Uniper sind mit der Invasion Russlands in der Ukraine auch für RWE die Geschäftsrisiken gestiegen. An der kurz vor Kriegsausbruch erhöhten Prognose für das laufende Geschäftsjahr hält der Stromversorger jedoch fest. Es sei „die bestmögliche Prognose“, sagte RWE-Chef Markus Krebber in der Bilanzpressekonferenz auf die Frage nach den Chancen und Risiken. Bislang seien die Folgen für RWE überschaubar.
Letztlich hängen die Auswirkungen auch von den Kriegsfolgen für die Gesamtwirtschaft ab, zieht eine Rezession doch einen geringeren Strombedarf nach sich. Auch vor diesem Hintergrund lehnt Krebber einen sofortigen Stopp für Energieimporte aus Russland ab. „Ich kann die Rufe nach maximaler Ausweitung der Sanktionen sehr gut verstehen“, sagte der Manager. Die Folgen seien jedoch unabsehbar.
Um sich aus der hohen Abhängigkeit von Energielieferungen aus Russland zu lösen, prüft RWE derzeit, welche Kohlekraftwerke im Notfall wieder ans Netz gehen oder länger als geplant laufen könnten. Insgesamt geht es um Kraftwerkskapazitäten von 3,5 Gigawatt (GW). Allerdings stellte Krebber klar: „Die Entscheidung, ob dieses erfolgen soll, wird die Bundesregierung treffen.“
An dem eingeschlagenen Kohleausstiegspfad ändere das jedoch nichts. „Es ist keine Rolle rückwärts, sondern allenfalls ein Schritt zur Seite für eine begrenzte Zeit.“ Die Entscheidung der Bundesregierung gegen einen Ausstieg aus dem Atomausstieg hält Krebber für richtig: „Auch wir schätzen die Hürden als zu hoch ein.“
Die mit dem Kriegsausbruch gestiegenen Risiken erstrecken sich zum einen auf russische Rohstofflieferanten, die ihren Lieferverpflichtungen womöglich nicht mehr nachkommen. Das hätte zur Folge, dass RWE die Rohstoffe zu hohen Marktpreisen nachkaufen müsste, heißt es im Geschäftsbericht. Zum anderen sei nicht auszuschließen, dass Vertragspartner wegen der Sanktionen insolvent würden, was spürbare finanzielle Einbußen nach sich ziehen könne. Gleichwohl stuft RWE die Risiken aus der Bonität von Geschäftspartnern unverändert in der Kategorie „mittel“ ein.
Noch verfügt RWE über einen langfristigen Gasliefervertrag mit der russischen Gazprom. Welche Auswirkungen der Krieg auf diesen Kontrakt habe, sei unbestimmt. Sollte der Vertrag Bestand haben, könne im Rahmen der turnusmäßigen Preisverhandlungen auch über die Vertragskonditionen verhandelt werden. Neue Lieferverträge mit Russland schließe RWE nicht mehr ab.
Versorgungssicherheit
„Der Energiemarkt wird sich ausgelöst durch diesen Krieg fundamental ändern“, sagte Krebber. Kurzfristig stehe dabei die Versorgungssicherheit im Zentrum allen Handelns. Mittel- und langfristig gehe es darum, die Bezugsquellen von Energie und Rohstoffen zu diversifizieren und in der Energieversorgung nachhaltig zu werden. Von daher könne der Krieg auch dazu führen, dass in den Ausbau erneuerbarer Energien „eine ganz andere Dynamik“ komme. Das käme RWE, die sich dem Ausbau der Erneuerbaren verschrieben hat und bis zum Ende des Jahrzehnts 50 Mrd. Euro in den Kapazitätsausbau stecken will, entgegen. Dabei wollte und will RWE auch in Backup-Kapazität investieren.
„An unserer strategischen Ausrichtung hat sich nichts geändert“, sagte Krebber. Allerdings müsse man nun vielleicht ein Fragezeichen hinter den Brennstoff Erdgas setzen, der durch grünen Wasserstoff oder grünen Ammoniak ersetzt werden könne. RWE beteiligt sich am Bau des ersten deutschen Flüssiggas-Terminals in Brunsbüttel. Daran werde mit Hochdruck gearbeitet. Mit der Inbetriebnahme wird allerdings frühestens 2025 gerechnet. Wenn die Infrastruktur stückweise errichtet werde, könne es auch schneller gehen, sagte Krebber. RWE lenke in dem Projekt ein besonderes Augenmerk auf die spätere Umrüstung des Terminals, um den Import von grünen Molekülen zu ermöglichen.
Bekanntermaßen hat RWE im abgelaufenen Turnus die eigenen Ziele dank hoher Gewinne im Handelsgeschäft und gestiegener Erzeugungsmargen im Gefolge der sprunghaft gestiegenen Gas- und Strompreise im abgelaufenen Turnus übertroffen. Deutlich sichtbar werden die Preisverwerfungen jedoch auch in der Bilanz. So hat sich die Bilanzsumme binnen eines Jahres mehr als verdoppelt. In der Folge schnurrte die Eigenkapitalquote auf 11,9 % zusammen, obwohl sich das Eigenkapital kaum veränderte. Umgekehrt schnellte der Cashflow aufgrund hoher Einnahmen aus Derivatgeschäften in die Höhe, so dass die Nettofinanzposition positiv ausfiel. Dabei ist die Finanzverschuldung sehr kräftig auf 17,8 (i.V. 5,2) Mrd. Euro gestiegen, weil viel Liquidität zur Besicherung von Derivatgeschäften nötig war. Anders als Uniper oder Leag, die auf Liquiditätshilfen der KfW zurückgreifen mussten, fühlt sich RWE an dieser Stelle jedoch gut aufgestellt.
RWE | ||
Konzernzahlen nach IFRS | ||
in Mill. Euro | 2021 | 2020 |
Stromerzeugung (GWh) | 160 773 | 141 204 |
Umsatz | 24 526 | 13 688 |
Bereinigtes Ebitda | 3 650 | 3 286 |
Offshore Wind | 1 110 | 1 069 |
Onshore Wind/Solar | 258 | 523 |
Wasser/Biomass./Gas | 731 | 621 |
Energiehandel | 769 | 539 |
Kohle/Kernenergie | 889 | 559 |
Bereinigtes Ebit | 2 185 | 1 823 |
Nettoergebnis | 721 | 1051 |
Ber. Nettoergebnis | 1 569 | 1 257 |
Ergebnis/Aktie (Euro) | 1,07 | 1,65 |
Dividende/Aktie (Euro) | 0,90 | 0,85 |
Free Cashflow | 4 562 | 1 132 |
Nettofinanzposition | 360 | –4432 |
Eigenkapitalquote (%) | 11,9 | 28,7 |
Investitionen | 3 769 | 3 358 |
Börsen-Zeitung |