Im Gespräch: SAP-CFO Dominik Asam

„Wir müssen den Beschäftigten noch genauer zuhören“

Das Restrukturierungsprogramm von SAP wird größer als zunächst angekündigt. Das sorgt kurzfristig für Belastungen, soll aber langfristig mehr Effizienz bringen. CFO Dominik Asam erklärt, wie er im Umbruch die wichtigsten Talente an Bord halten will und inwieweit ihn die sinkende Mitarbeiterzufriedenheit besorgt.

„Wir müssen den Beschäftigten noch genauer zuhören“

Im Gespräch: Dominik Asam

„Wir müssen den Beschäftigten noch genauer zuhören“

SAP erhöht Prognose für bereinigtes Betriebsergebnis für 2025 – Restrukturierung belastet kurzfristig – Finanzvorstand will Talente halten

sar Frankfurt
Von Sabine Reifenberger, Frankfurt

Die freiwilligen Ausstiegsangebote an die SAP-Belegschaft sind offenbar attraktiv: Von den zu Jahresbeginn angekündigten Restrukturierungen werden nicht mehr 8.000, sondern voraussichtlich 9.000 bis 10.000 Stellen betroffen sein. Das teilte SAP bei Vorlage der Halbjahresbilanz am späten Montagabend nach US-Börsenschluss mit. „Wir haben die Programme bewusst so ausgestaltet, dass sie eine hohe Akzeptanz erfahren“, sagte CFO Dominik Asam am Dienstagmorgen im Gespräch mit der Börsen-Zeitung. Vorruhestands- und Freiwilligenprogramme in den USA und Deutschland seien „sehr gut angenommen“ worden.

„Wir können dies nutzen, um die Ressourcen global besser zu verteilen und uns mit Personen zu verstärken, deren Fähigkeiten in Zukunft besonders gefragt sein werden“, erklärt Asam. Daher sei er mit der Entwicklung der Programme „sehr zufrieden“. Beschäftigte in Deutschland, die sich für eines der Programme registriert haben, können noch bis Ende September entscheiden, ob sie es tatsächlich in Anspruch nehmen wollen.

SAP verbucht zusätzliche Kosten für Restrukturierung

Ein Stellenabbau über den jetzt vereinbarten Umfang hinaus ist dem Konzern zufolge weiterhin nicht geplant. Durch Einstellungen in Wachstumsbereichen, etwa bei künstlicher Intelligenz, soll die Zahl der Beschäftigten insgesamt im Vergleich zum Jahresende 2023 in etwa konstant bleiben. Der Umbau führt aber kurzfristig zu Belastungen. Im zweiten Quartal erfasste SAP zusätzliche Aufwendungen über 600 Mill. Euro, die vor allem auf die positive Resonanz der Freiwilligenprogramme zurückgehen. An Restrukturierungskosten veranschlagt SAP nun insgesamt 3 Mrd. Euro, ursprünglich war man von 2,2 Mrd. Euro ausgegangen.

Einige On-Premise-Kunden stellen jetzt fest, dass sie in eine Sackgasse laufen.

SAP-CFO Dominik Asam

Das Betriebsergebnis sank infolge der Belastung im zweiten Quartal im Vergleich zur Vorjahreszeit um 11% auf 1,2 Mrd. Euro. Im ersten Quartal hatte SAP infolge der Restrukturierungsaufwendungen einen operativen Verlust verbucht. Auf bereinigter Basis legte das Betriebsergebnis (Non-IFRS) im zweiten Quartal dagegen um ein Drittel auf 1,9 Mrd. Euro zu und übertraf damit auch die Konsensschätzungen der Analysten, die bei 1,8 Mrd. Euro lag. Die bereinigten Non-IFRS-Kennzahlen sind bei SAP die primäre Entscheidungsgrundlage bei finanziellen, strategischen und operativen Entscheidungen. Restrukturierungskosten und akquisitionsbedingte Aufwendungen sind darin nicht berücksichtigt.

Aktie steigt deutlich

Der Umsatz legte im zweiten Quartal um 10% auf 8,3 Mrd. Euro zu, getrieben erneut von den Clouderlösen, die um 25% auf 4,15 Mrd. Euro gestiegen sind. An der Börse kletterte die Aktie am Dienstag um gut 6% auf mehr als 196 Euro. Die hohe Wachstumsdynamik soll anhalten: Bis 2025 erwartet SAP Umsatzerlöse von 37,5 Mrd. Euro, davon 21,5 Mrd. Euro Clouderlöse. Ein Treiber dafür sind Anwendungen mit künstlicher Intelligenz, die in der Cloud zeitnah verfügbar sein werden. Kunden, die Software noch über ein Lizenzmodell für die lokale Nutzung (On-Premise) im Einsatz haben, profitieren von diesen Neuerungen nicht.

„Einige On-Premise-Kunden stellen jetzt fest, dass sie in eine Sackgasse laufen“, erklärt Asam. Ein Großteil dieser Kunden habe allerdings bereits die SAP-Plattform S4 im Einsatz – dies verringere das Risiko, dass ein Kunde die Reise in die Cloud mit einem anderen Softwareanbieter antritt. Ein erheblicher Teil der weiteren Wachstumsdynamik wird traditionell gegen Jahresende gelegt, wenn besonders viele Verträge abgeschlossen werden. „Das vierte Quartal wird entscheidend dafür, ob wir die Cloud-Ziele 2025 erreichen.“

Prognose für bereinigtes Betriebsergebnis steigt

Die Prognose für den Free Cashflow für 2025 hatte das Unternehmen erst im Januar auf rund 8 Mrd. Euro erhöht – diese Prognose bleibt bestehen, obwohl SAP nun für 2025 Restrukturierungszahlungen im mittleren dreistelligen Millionen-Euro-Bereich erwartet. Beim Betriebsergebnis (Non-IFRS) sollen sich die positiven Effekte der Transformation bemerkbar machen, dieses soll auf 10,2 Mrd. Euro nach zuvor 10 Mrd. Euro steigen.

Intern drückt die Restrukturierung derweil auf die Stimmung: Der Index, mit dem das Engagement der Mitarbeiter gemessen wird, geht deutlich zurück. Für 2024 erwartet SAP nun ein Ergebnis zwischen 70 und 74%, zuvor waren 76 bis 80% angepeilt. Ziel für 2025 ist es nun nicht mehr, den Index „stetig“ zu steigern, sondern nur noch, ihn zu steigern.

Wir wollen in der Transformation wichtige Talente halten können.

SAP-CFO Dominik Asam

„Wir wollen in der Transformation wichtige Talente halten können“, betont Asam. Die Angebote zum Austritt aus dem Konzern basieren auf gegenseitiger Freiwilligkeit – wenn sich ein Mitarbeiter registriert, kann SAP diese Registrierung ablehnen, wenn beispielsweise Teams ansonsten zu stark ausgedünnt würden oder Spezialfähigkeiten verlorengingen. Sorgen, dass diese Personen ohnehin auf dem Sprung sein könnten und SAP bei nächster Gelegenheit verlassen, hat Asam nicht: „Wir haben mit denen, die wir nicht ziehen lassen wollen, ausführliche Gespräche geführt. Die Ergebnisse waren sehr positiv.“ Dass das Mitarbeiterengagement zurückgeht, sei erwartet worden. „Wir haben viele Themen anstoßen müssen, die nicht beliebt sind“, räumt er ein. „Aber wenn wertgeschätzte Kollegen in einer Transformation von Bord gehen, dann schlägt das natürlich auf die Stimmung.“

Rückkehr ins Büro

Zudem forciert SAP die Rückkehr ins Büro: In der Regel sollen Beschäftigte nur noch zwei Tage die Woche remote arbeiten, drei Tage sollen sie wieder im Büro oder beim Kunden tätig sein. „Das gefällt auch nicht jedem, aber ich persönlich finde, dass das wichtig ist“, sagt Asam. In einem anderen Punkt müsse sich das Management aber hinterfragen, räumt er ein: „Mich treibt besonders um, wie wir die Umsetzung verbessern können.“

So hätten die Befragungen gezeigt, dass die Mitarbeiter von der SAP-Strategie durchaus überzeugt seien – sie seien aber unsicher, wie sie es schaffen sollen, die Aufgaben alle umzusetzen. „Wir müssen den Beschäftigten noch genauer zuhören“, hat Asam sich vorgenommen. Schließlich seien die Mitarbeiter, derzeit weltweit etwa 105.000 Personen, entscheidend für den Erfolg der Strategie. „Wir können ja die Umsetzung als Vorstand nicht einfach ansagen – irgendwer muss es machen.“

Asam will künstliche Intelligenz in Vertragsmanagement nutzen

Ein Effizienzhebel sind auch in der SAP-Organisation Anwendungen mit künstlicher Intelligenz. Etwa 100 Anwendungsfälle will der Konzern bis Jahresende zu den Kunden bringen, selbst will SAP mit gutem Beispiel vorangehen. In der Finanzabteilung setzt Asam beim Management von Verträgen auf KI-Unterstützung: „Die Vertragsangebote, die wir Kunden machen, sind oft sehr individuell“, erklärt der CFO. Die Anzahl der Verträge soll jedoch deutlich steigen, zumal SAP verstärkt auch Kunden im Mittelstand adressiert.

In den nächsten drei Jahren will SAP die Zahl der Angebote verdoppeln. „Die Verarbeitung soll aber mit einer konstanten Personenzahl funktionieren“, betont Asam. Eine KI, die auch mit unstrukturierten Daten umgehen kann, soll helfen, einen zunehmenden Anteil dieser Arbeit zu automatisieren. Dies sei auch ein
Argument im Kundengespräch: „Wir wollen nicht nur die Vorzüge einer Anwendung anpreisen, sondern diese auch selbst nutzen.“

Das Restrukturierungsprogramm von SAP wird größer als zunächst angekündigt. Das sorgt kurzfristig für Belastungen, soll aber langfristig mehr Effizienz bringen. CFO Dominik Asam erklärt, wie er im Umbruch Talente an Bord halten will und inwieweit ihn die sinkende Mitarbeiterzufriedenheit besorgt.