Energiepolitik

Scheitert die Energiewende am Kapitalmarkt?

Für ein Gelingen der Energiewende sind milliardenschwere Investitionen erforderlich. Das Geld hierfür muss über den Kapitalmarkt kommen. Und dafür bedarf es marktadäquater Verzinsungen.

Scheitert die Energiewende am Kapitalmarkt?

Die Bundesregierung will die Energiewende konsequent voranbringen. Am 30. Januar 2023 hat sie eine Formulierungshilfe zur Umsetzung des Artikels 6 der EU-Notfallverordnung beschlossen, um den Windkraftausbau in sogenannten Go-To-Areas ohne projektspezifische Um­weltverträglichkeitsprüfung durchführen zu können.

Dieser Booster für die Energiewende, der die verschiedenen Beschleunigungspakete aus dem vergangenen Jahr verstärkt, wird jedoch ins Leere laufen, wenn die zuständige Beschlusskammer der Bundesnetzagentur nicht zügig auf die Zinsveränderungen auf den Kapitalmärkten reagiert. Die für den Ausbau verantwortlichen Netzbetreiber zahlen dort immer höhere Zinsen für die mehrjährige Finanzierung ihrer milliardenschweren Investitionen. Angesichts der weiter steigenden Zinsen kann man unschwer vorhersagen, dass die Finanzierungskosten für die Netzbetreiber und ihre Gesellschafter weiter steigen werden. Gleichzeitig blickt die Bundesnetzagentur in der Regulierung der Netzentgelte, also auf der Einnahmenseite der Netzbetreiber, zu starr auf die vergangenen Jahre mit den dort vorhandenen, sehr niedrigen Zinsen. Hier droht ein massives Ungleichgewicht zwischen dem tatsächlichen, marktgerechten Zinsaufwand und den regulatorisch zugestandenen (Eigenkapital)Kosten der Netzbetreiber.

Viele Investoren werden den Netzbetreibern, insbesondere den Übertragungsnetzbetreibern, risikoreiches Eigenkapital nicht in ausreichendem Umfang zur Verfügung stellen. Während für Fremdkapital derzeit Zinsen in Höhe von bis zu 4,5% am Kapitalmarkt gefordert werden, fällt die regulatorische Eigenkapitalverzinsung, also die staatlich festgelegte Rendite des Netzbetreibers, mit gut 5% (auf einen Eigenkapitalanteil von 40%) spärlich aus. Der 40% übersteigende Eigenkapitalanteil wird mit 1,72% verzinst. Wenn Fremdkapitalanlagen ein zunehmend besseres Risikoprofil bieten als Eigenkapitalanlagen, wird es für Netzinvestitionen kein ausreichendes Eigenkapitalangebot geben.

Es ist der Trägheit des Regulierungsrahmens und der zuständigen Beschlusskammer der Bundesnetzagentur zuzuschreiben, dass die aktuelle Kapitalmarktentwicklung regulatorisch nicht adäquat abgebildet wird. Hier besteht dringender Handlungsbedarf. Dazu gehört die kapitalmarktgerechte Erhöhung des festgelegten Eigenkapitalzinssatzes sowie des Zinssatzes für den die 40% übersteigenden Eigenkapitalanteil. Die Bundesnetzagentur belässt es derzeit bei Ankündigungen und handelt nicht. Verharrt sie weiter in Passivität, wird privates Kapital kaum noch in den Netzausbau fließen. Letztlich wird dann der Staat die Finanzierung weitgehend übernehmen müssen. Der Energiewende ist damit nicht gedient.

Hinzu kommt, dass spezifische Kostensteigerungen in der aktuellen Regulierung nicht hinreichend zeitnah berücksichtigt werden. Hierzu zählen steigende Betriebskosten, zum Beispiel für den erforderlichen Personalaufbau oder für IT- und Cybersicherheit. Abzuschaffen wäre auch ein Relikt aus der Frühphase der Regulierung: Mit dem generellen sektoralen Produktivitätsfaktor wurden der Netzwirtschaft besondere Anstrengungen zur Kostenminimierung auferlegt. Nach 20 Jahren Regulierung sollte die Netzwirtschaft keine Produktivitätspolster gegenüber der Gesamtwirtschaft mehr haben. Damit wäre auch ein Ende kostspieliger Gerichtsverfahren möglich, bei denen seit fast 15 Jahren Geld „verbrannt“ wird.

Notwendig ist ein klarer Blick nach vorn: Für ein Gelingen der Energiewende sind milliardenschwere Investitionen erforderlich. Das Geld hierfür muss über den Kapitalmarkt kommen. Es bedarf daher marktadäquater Verzinsungen für das erforderliche Eigenkapital sowie einer nach vorne, auf den Netzausbau und die Energiewende ausgerichteten An­passung des regulatorischen Rahmens.

Die Bundesnetzagentur wird in Umsetzung der vom Europäischen Gerichtshof im Jahr 2021 erzwungenen größeren Unabhängigkeit höhere Freiheitsgrade erhalten. Dies ist Chance und Verpflichtung für die Behörde, verantwortungsvoll zu handeln.

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