Schlussquartal dämpft Stimmung bei Ottobock
Von Carsten Steevens, Hamburg
Seit Anfang September beteiligt sich Kathrin Dahnke als Chief Financial Officer (CFO) von Ottobock an den Vorbereitungen für einen Börsengang des familiendominierten Medizintechnikunternehmens aus dem niedersächsischen Duderstadt. Wann genau das IPO, für das Deutsche Bank, Goldman Sachs und BNP Paribas als globale Koordinatoren mandatiert wurden, über die Bühne gehen könnte, lässt die neue Finanzchefin in einem Gespräch anlässlich der ersten 100 Tage im Amt auch kurz vor Beginn des Jahres, in dem der Prothesenhersteller Börsenreife erlangen will, offen.
Spekuliert wird seit längerem über einen Zeitpunkt in der ersten Hälfte des kommenden Jahres, doch offiziell gilt bislang nur die Ankündigung des Unternehmens, die die 61 Jahre alte Diplom-Kauffrau auch jetzt, wenige Wochen vor dem Jahresabschluss 2021, wiederholt: „Wir wollen ab 2022 börsenfähig sein.“ Dahnke, will ebenfalls noch keinen genauen Termin nennen, wann Ottobock die Kapitalmarktfähigkeit erreicht haben will. Mit der Umstellung auf den IFRS-Bilanzierungsstandard liege man im Plan, sagt sie. Ziel sei es, dass der Jahresabschluss 2021 in der IFRS-Rechnungslegung testiert wird.
Während die Arbeiten am Wechsel von der HGB- zur IFRS-Bilanzierung, an der Weiterentwicklung der internen Kontrollsysteme sowie an der Stärkung der internen Revision andauern und auch ein ESG-Rating noch angestrebt wird, das Auskunft darüber geben soll, inwiefern das Unternehmen Kriterien für nachhaltige Geschäftspraktiken befolgt, schwächt sich die Geschäftsentwicklung im vierten Quartal infolge der Pandemie ab. Das laufende Geschäftsjahr habe sich bis September sehr gut entwickelt, erklärt Dahnke, deren Vorgänger bei Ottobock den CFO-Posten im August 2019 übernommen und ihn in diesem Jahr aus gesundheitlichen Gründen abgegeben hatte. „Wir sehen aktuell allerdings wieder dunklere Corona-Wolken in verschiedenen Ländern, einige unserer Märkte laufen wieder etwas langsamer als zwischenzeitlich erwartet.“
Im Rahmen der Ziele
Dahnke unterstreicht, das Gesamtjahr entwickle sich „im Rahmen unserer Wachstumsziele“. Doch hatte man sich bei Ottobock kurz vor dem angestrebten Börsengang mehr ausgerechnet. „Natürlich würden wir gern unsere maximale Kraft zeigen, aber da spielt uns der Verlauf der Corona-Pandemie derzeit nicht in die Karten.“ Zur konkreten Umsatz- und Ergebnisentwicklung im laufenden Jahr äußert sich Ottobock nicht. Fortschritte in der operativen Entwicklung lassen sich an Zahlen nicht ablesen, auch zum Geschäftsjahr 2020 hat das Unternehmen bislang keine detaillierten Angaben vorgelegt. „Als Familienunternehmen sind wir bislang nicht verpflichtet, einen Geschäftsbericht zu veröffentlichen“, erklärt die Finanzchefin.
Im Mai 2020 hatte der Prothesenhersteller, dem die seit 2017 mit 20% beteiligte Private-Equity-Firma EQT helfen soll, nachhaltig und profitabel zu wachsen, berichtet, im Geschäftsjahr 2019 – 100 Jahre nach der Gründung des Unternehmens – nach einer Steigerung um 8% erstmals die Milliarden-Umsatzmarke übertroffen sowie ein um 10% erhöhtes bereinigtes operatives Ergebnis vor Abschreibungen (Ebitda) von 191 Mill. Euro erreicht zu haben. Auch 2020 sei ein Umsatz von über 1 Mrd. Euro erwirtschaftet worden, sagt Dahnke. Zu dem vor zwei Jahren von Großaktionär und Gründerenkel Hans Georg Näder für 2022 in Aussicht gestellten Umsatzvolumen von mehr als 1,3 Mrd. Euro will sie sich nicht äußern. Bei einem geplanten jährlichen zweistelligen Wachstum einschließlich Akquisitionen lasse sich eine Umsatzentwicklung absehen, meint die Finanzchefin, die Ottobock aus einer früheren Tätigkeit bis 2004 für Unternehmen der Familie Näder kennt. „Es gibt keinen Anlass, bei unseren Erwartungen an die Wachstumsdynamik Abstriche zu machen.“
Perspektivisch zweistellig
Die für Ottobock relevanten Märkte, das habe man untersuchen lassen, wie die Finanzchefin weiter erläutert, sollen auch in den kommenden Jahren etwa aufgrund von häufiger auftretenden Krankheitsbildern und der sich verändernden Alterspyramide mit 8% im Schnitt wachsen. „Als Marktführer sind wir dabei in den vergangenen Jahren in der Regel schneller gewachsen als der Markt“, betont Dahnke. „Hinzu kommt anorganisches Wachstum, sodass unser Ziel schon sein sollte, perspektivisch zweistellig zu wachsen.“
Zukäufe zieht das Unternehmen, das Anfang November die Übernahme des US-Exoskelett-Spezialisten SuitX für einen in Marktkreisen kolportierten Kaufpreis im höheren zweistelligen Millionenbereich bekannt gab, in zwei Bereichen in Betracht: So stehen weiterhin Versorgungs- und Sanitätshäuser im Visier, zudem Unternehmen, die, wie die Finanzchefin erklärt, „besonders innovative Produkte adressieren, die wir über unsere globale Struktur im Vertrieb dann auch relativ schnell skalieren können“. Mit Blick auf die – infolge von Akquisitionen steigende – Verschuldung fügt sie hinzu, dass man „immer auf einen soliden oder angemessenen Leverage“ achte. Bedeckt äußert sich Dahnke auch zu etwaigen Gewinnausschüttungen an Investoren nach einem Börsengang: Ottobock habe generell immer darauf geachtet, über genügend Geld im Unternehmen zu verfügen. „Das wird auch in Zukunft der Fall sein.“
Die aus Kassel stammende Finanzchefin, die vor ihrer Rückkehr zu Ottobock als CFO beim im Sommer von der Börse genommenen Lichttechnikunternehmen Osram tätig war, von 2014 bis 2019 im Vorstand des Familienunternehmens Werhahn arbeitete und von 2010 bis 2014 den CFO-Posten beim Werkzeugmaschinenbauer DMG Mori (ehemals Gildemeister) innehatte, fügt hinzu, Ottobock müsse nicht an die Börse, die aktuelle Finanzausstattung gebe genug Spielraum für Wachstum. „Wir stehen hier unter keinem Druck.“ Es sei aber generell klug für ein Unternehmen, sich einen Zugang zum Kapitalmarkt zu sichern, denn für die Finanzierung von Wachstum gebe es dann mehr Optionen, sagt Dahnke, die auch dem Aufsichtsrat von Knorr-Bremse angehört und dort den Prüfungsausschuss leitet. „Wir wollen zum richtigen Zeitpunkt alle Optionen in der Hand haben.“