TAG Immobilien verschafft sich Kapitalspritze
cru Frankfurt
Die TAG Immobilien will die Übernahme des polnischen Wohnungsentwicklers Robyg zum Teil mit Geld aus einer Kapitalerhöhung finanzieren. Mit der Ausgabe von rund 29 Millionen neuen Aktien zu je 6,90 Euro sollen etwa 200 Mill. Euro eingespielt werden. Das teilte das Unternehmen aus Hamburg mit. Das entspricht knapp einem Fünftel der bislang ausstehenden Aktien – und ist zugleich ein Abschlag von 36% auf den Schlusskurs vom Donnerstag. Die Mitglieder des Vorstands und Aufsichtsrats, die bereits Anteile besitzen, wollen sich nahezu ausnahmslos an der Kapitalerhöhung beteiligen, heißt es.
Der Kurs der ohnehin angeschlagenen Aktie rutschte auf den niedrigsten Stand seit Anfang 2015. Seit April hat sich der Börsenwert damit halbiert auf 1,5 Mrd. Euro. Die im MDax enthaltene Aktie verlor am Freitag in der Spitze fast 13% auf das Siebeneinhalbjahrestief von 9,45 Euro und erholte sich später auf ein Minus von gut 6%. Auch andere Immobilienwerte stehen wegen der steigenden Kapitalmarktzinsen unter Druck, weil dies die Refinanzierung verteuert und auf die Bewertung des Immobilienbestands drückt. Der europäische Immobiliensektor hat seit Jahresbeginn 30% eingebüßt. Analysten sprechen von einer kompletten Neubewertung. Gleichzeitig sind Mieterhöhungen wegen der hohen Inflation schwerer durchsetzbar. Hinzu kommt, dass bei steigenden Zinsen die als anleihenähnlich geltenden Immobilienaktien aus Investorensicht an Attraktivität verlieren.
Börsenwert 2022 halbiert
Seit dem Jahreswechsel hat die Aktie von TAG Immobilien mehr als 60% verloren. Um dennoch die Summe von 200 Mill. Euro einsammeln zu können, muss TAG Immobilien viele neue Aktien ausgeben. Damit sinkt der Gewinn je Aktie und es tritt die von Investoren gefürchtete Verwässerung ein. Finanzchef Martin Thiel verteidigte die Kapitalmaßnahme indes als die „angemessenste und solideste Form, zusätzliches Eigenkapital aufzunehmen“.
Der Konzern hatte die kurz vor Weihnachten 2021 angekündigte Robyg-Übernahme mit einer Brückenfinanzierung über 650 Mill. Euro gestemmt, die nun mit der schon damals angekündigten Kapitalerhöhung teilweise getilgt werden soll. Die Brückenfinanzierung läuft noch bis Januar 2024. Den Rest des Kredits will die TAG überwiegend aus dem Verkauf bestehender Immobilien in Deutschland für 300 Mill. Euro und aus der eigenen Kasse mit 150 Mill. Euro tilgen.
TAG Immobilien hatte ihr Geschäft Ende 2019 mit der Übernahme von Vantage auf das Nachbarland Polen ausgeweitet. Mit dem Kauf des größten polnischen Wohnungsentwicklers Robyg kamen 23000 Wohnbauprojekte in den Metropolen Warschau, Breslau und Polen sowie in der „Dreistadt“ genannten Stadtregion aus Danzig, Gdingen und Zoppot hinzu.
Bei der Kapitalerhöhung sollen für jeweils 101 bestehende Aktien 20 neue ausgegeben werden. Die Investmentbanken Bank of America, Credit Suisse, die Deutsche Bank und Société Générale garantieren dafür, dass nicht bezogene Aktien später mindestens zum Ausgabepreis in einer Privatplatzierung oder am Markt veräußert werden. Die Bezugsrechte für die neuen Aktien sollen laut Mitteilung vom 12. bis 20. Juli gehandelt werden, die Bezugsfrist endet voraussichtlich am 25. Juli. Der erste Handelstag der neuen Papiere ist nach dem Eintrag in das Handelsregister für den 28. Juli vorgesehen.
Schlechtes Timing
Angesichts der jüngsten Kursentwicklung wird der Zeitpunkt kritisch gesehen. Analyst Tom Carstairs vom Investmenthaus Stifel erklärte, er gehe davon aus, dass die Aktionäre von TAG Immobilien eine Kapitalerhöhung unterstützen. Aber der Aktienkurs von TAG und anderer deutscher Immobilienunternehmen sei derart stark gefallen, dass auf diesen Kursniveaus eine Kapitalerhöhung die Gewinne deutlich stärker verwässere.