Telekomfirmen vor Klima-Herausforderungen
Von Heidi Rohde, Frankfurt
Die Telekombranche geht in Sachen Klimaschutz voran. Erst vor kurzem haben sich die beiden Platzhirsche in Deutschland konzernweit erneut ehrgeizigere Ziele gesetzt. Die Telekom will bis 2025 ihren CO2-Ausstoß gegenüber 2017 um 95% verringern. Vodafone ließ wissen, ebenfalls bis 2025 klimaneutral zu sein und zu 100% auf Grünstrom zu setzen. Letzteres ein Ziel, das Telefónica Deutschland bereits umgesetzt hat. Bis 2040 will die Branche komplett CO2-neutral sein.
Grund für diese Anstrengungen ist der gesteigerte Wert, den Investoren auf ESG-Kriterien legen, wobei die ökologische Bilanz am Kapitalmarkt besonders im Fokus steht. „Das Thema hat eine wahnsinnig starke Dynamik bekommen“, urteilt Michael Opitz, Partner bei Arthur D. Little (ADL). Schon längst sei ESG „ein eigener Bereich im Rahmen der Due Diligence“ bei M&A-Transaktionen, betont er im Gespräch mit der Börsen-Zeitung. Er zeigt sich überzeugt, dass der Druck im Zuge der aktuellen Klimaschutzdebatte und des von der EU gerade verabschiedeten Programms „Fit for 55“ weiter zunehmen wird und ESG-Kategorien in nicht allzu ferner Zeit „auch Eingang in die klassische Rechnungslegung finden werden“.
Die Telekombranche hat schon deshalb Anlass, alle Hebel zu nutzen, um ihren CO2-Fußabdruck zu verringern, weil dieser zunächst einmal tendenziell größer wird. So stieg nach Berechnungen der Climate Group der Ausstoß von Kohlendioxid durch die Branche von 151 Mill. Tonnen im Jahr 2002 um den Faktor 2,3 auf 349 Mill. Tonnen im vergangenen Jahr. Davon entfällt mehr als die Hälfte auf den Mobilfunkbereich gegenüber 43% im Jahr 2002. Auch der Emissionsbeitrag von Endgeräten ist angeschwollen, auf 20% gegenüber erst 12% im Jahr 2002.
Smartphone-Sekundärmarkt
Grund für diese Entwicklung ist der Fortschritt bei den Mobilfunkstandards, der jeweils mit einer zunehmend dynamischen Expansion des Datenverkehrs einherging, so dass die neuen Netze in der Folge einen stetig steigenden Energiebedarf haben. Die wachsende Nutzung digitaler Netze und Hardware-Komponenten führen indes dazu, dass der indirekte CO2-Fußabdruck der Telekomfirmen deutlich größer ist, als die originär verursachten Emissionen. Er hat in etwa die dreifache Größenordnung.
Um das Gesamtvolumen zu reduzieren, haben die Telekomunternehmen laut Opitz eine Reihe von Möglichkeiten, die allerdings nicht alle gleichermaßen steuerbar sind. Neben der Verringerung des unmittelbaren eigenen Energieverbrauchs kommen Einkaufsstandards in Betracht, die ESG-Kriterien bei Lieferanten einfordern. Dies ist allerdings schwer zu kontrollieren. Vielversprechender sind Anreize zum nachhaltigen Umgang mit Endgeräten durch die Kunden. So ist ein liquider Sekundärmarkt für Smartphones und Tablets erst in jüngerer Zeit entstanden, nachdem neue Geräte in Design und Funktion keine so überzeugenden Verbesserungen mehr darstellen, dass sich die Nutzer jährlich mit neuen Geräten eindecken. Stattdessen wächst die Nachfrage nach gebrauchten Smartphones. Die Telekom hat zudem in einigen Märkten bereits einen Recyling-Kreislauf für die Handys gestartet und dazu auch kürzlich eine Kooperation mit Samsung bekanntgegeben. Sogenannte grüne Tarife, die auf einer nachhaltigen Smartphonenutzung basieren, stecken in den Kinderschuhen. Nicht zuletzt können die Telekomunternehmen ihren indirekten CO2-Fußabdruck verringern, indem sie bei den Kunden digitale Lösungen implementieren, die Energieverbrauch sparen.
Für die Telekomunternehmen sind messbare ESG-Erfolge wichtiger denn je. Denn nach einem pandemiebedingt relativ ruhigen Geschäftsbetrieb im vergangenen Jahr rechnen Experten 2021 mit einem deutlich steigenden Finanzierungsbedarf der Branche, der auch durch neue Green und Sustainable Bonds gedeckt werden soll. Während 2020 M&A kaum relevant war und zahlreiche teure Spektrumsauktionen verschoben wurde, sollte sich das Blatt im laufenden Jahr wenden. Insbesondere der Druck, den Glasfaserausbau in Deutschland zu beschleunigen, dürfte zu neuen Zusammenschlüssen führen, glaubt die LBBW. Der steigende aktuelle Finanzierungsbedarf und die Ablösung auslaufender Anleihen dürften nach Einschätzung von Analystin Bettina Deuscher insgesamt zu einem deutlichen Anziehen der neuen Euro-Bond-Emission der Branche auf 35 bis 40 Mrd. Euro führen, nach nur 20 Mrd. Euro im vergangenen Jahr.
Hohes Investoreninteresse
Nachdem Telefónica und Vodafone 2019 mit ihren ersten ESG-Bonds debütierten, kamen im vergangenen Jahr insgesamt vier weitere ESG-Bonds der Branche hinzu. Der Grund für den Trend ist deutlich bei den Investoren erkennbar. Deren Interesse an Green und Sustainable Bonds der Telekomkonzerne war deutlich höher als bei vergleichbaren Senior Bonds, wie Analystin schreibt. Die grünen Emissionen waren deutlich stärker überzeichnet. Ein Green Bond der Swisscom beispielsweise erreichte eine 11-fache Überzeichnung bei einem Volumen von 500 Mill. Euro. Dies ermöglicht den Emittenten ein deutlich attraktiveres Pricing ihrer ESG-Anleihen im Vergleich zu herkömmlichen Titeln. Dies wird angesichts des steigenden Finanzbedarfs immer wichtiger. Zumal allein die Platzhirsche der Branche im laufenden Jahr rund 28 Mrd. Euro ablösen müssen, und 38 Mrd. Euro im kommenden Jahr.