Tui atmet etwas auf
hei Frankfurt – Die mit mehreren staatlichen Hilfspaketen vor dem Zusammenbruch gerettete Tui betrachtet ihre Finanzschulden als „keineswegs erdrückend“, wie Strategievorstand Peter Krüger im Gespräch mit der Börsen-Zeitung betont. Von den Staatsgeldern im Gesamtvolumen von 4 Mrd. Euro, darunter 1 Mrd. Euro, die als Eigenkapital gezählt werden, habe der Reisekonzern bisher 2 Mrd. Euro gezogen. „Man muss unterscheiden zwischen den verzinsten Staatskrediten, die ähnlich wie ein privater Dispositionskredit funktionieren, und tatsächlicher Verschuldung. Derzeit haben wir rund 2 Mrd. Euro der Kfw-Kredite genutzt, hinzu kommen rund 1,5 Mrd. Euro an Nettoverschuldung zum Beispiel über die Banken oder Schuldscheine, so dass sich unsere Netto-Finanzschulden ohne Leasing-Verpflichtungen aktuell auf rund 3,5 Mrd Euro belaufen“, rechnet Krüger vor. „Tui kann diese Schulden bewältigen, wenn sie an ihre Ertragskraft der Vorkrisenzeit anknüpft“, als zuletzt ein operatives Ergebnis (Ebitda) von 2 Mrd. Euro erzielt wurde. Der Manager geht davon aus, dass dies gelingt, denn das Geschäft ziehe derzeit an. „Die Buchungsnachfrage belebt sich immer mehr, so dass auch Cash reinkommt und der Mittelabfluss deutlich gebremst wird“, so Krüger, der darauf setzt, dass die Tui in den kommenden Sommermonaten kein Geld mehr verbrennt. Der Verkauf der 49-Prozent-Beteiligung an den Riu-Hotel-Immobilien, die Tui bisher gemeinsam mit der Familie gehalten hatte, für insgesamt 670 Mill. Euro sei nicht aus Gründen der Liquiditätsknappheit erfolgt, erklärt der Strategievorstand.
Schmale Rendite
Derzeit hortet der Reisekonzern, der Ende des zweiten Geschäftsquartals eine Eigenkapitalquote von 1,3% offenbarte, den Mittelzufluss aus dem Verkauf des Hotelportfolios, 430 Mill. Euro fließen sofort, sowie die 400 Mill. Euro, die kürzlich aus einer Wandelanleihe aufgenommen wurden. Denn noch sind die Pandemielage und die Folgen für den Tourismus zu unüberschaubar, als dass es der Vorstand schon wagen will, einen größeren Teil des in Anspruch genommenen Staatskredits sofort zu tilgen. Weitere Transaktionen, um Geld einzutreiben, seien im Hotelbereich nicht geplant. Derzeit hat die Tui noch 411 Hotels in Betrieb und 19 weniger in ihrem Besitz. „Es kann sein, dass wir noch kleinere Deals über fünf oder insgesamt acht Häuser abschließen, aber ein großer Brocken ist nicht mehr in Sicht“, betont der Manager. Er unterstreicht, dass für den Konzern eine Bereinigung des Hotelportfolios wirtschaftlich sinnvoll sei, „auch ohne Coronakrise“. Denn „Hotelimmobilien erzielen derzeit etwa eine Rendite von 5 bis 6% auf das eingesetzte Kapital. Das ist nicht üppig.“ Hinzu komme, „noch die Wertsteigerung der Immobilie, daher sind diese Investitionen gerade bei Familienunternehmen im Hotelbereich sehr beliebt. Mit unserer Reichweite skalieren wir und sind der ideale Partner für Hotelvermarktung, -produkt und –betrieb, müssen aber nicht die Immobilien besitzen.“ Im Hotelmanagement, belaufen sich die Gebühren als Faustformel auf 3% vom Umsatz bzw. 10% vom Gewinn eines Objekts.
Allerdings arbeitet das Management daran, weitere Mittel in der Bilanz freizusetzen, und zwar durch den Umbau des Kreuzfahrtgeschäfts. Nachdem die Luxusmarke Hapag-Lloyd Kreuzfahrten vergangenes Jahr für 837 Mill. Euro an das zu je 50% mit Royal Caribbean betriebene Joint Venture Tui Cruises verkauft wurde, ist „ein ähnlicher Schritt“ auch für die im britischen Markt mit fünf Schiffen aktive Marella Cruises geplant. Allerdings sei hier nicht vor 2022 mit Fortschritten zu rechnen, da das Kreuzfahrtgeschäft erst allmählich wieder anlaufe und die Tui Cruises derzeit auch zunächst ihre Liquidität sichern müsse. Allerdings belebe sich auch die Nachfrage im meist sehr langfristig vorgebuchten Kreuzfahrtgeschäft spürbar. Krüger spricht von einer „sehr guten Buchungslage für 2022“.
Auf der dritten Baustelle, die dem Konzern im vergangenen Jahr hohe Verluste einbrockte, der Airline-Sparte, sieht der Manager keinen dringenden Handlungsbedarf. Die noch vor einiger Zeit angedachte „Partnerschaft“ mit der Condor ist zunächst kein Thema, nachdem die Fluglinie, die sich im Zuge von zwei Schutzschirmverfahren entschuldet und auf der Kostenseite deutlich verschlankt hatte, nun einen neuen Investor gefunden hat. Auch die Tui hat die Krise genutzt, um die Flotte zu verkleinern und tarifliche Strukturen wettbewerbsfähiger zu gestalten.
Überdies gewinne man Flexibilität, weil künftig „mit Überkapazitäten im Leisure-Markt zu rechnen ist“, so Krüger. „Für uns bietet sich daher die Möglichkeit, Kapazitäten bei Bedarf günstig einzukaufen. Wir müssen sie nicht vorhalten. Das dämpft unsere Kosten“.