Vonovia gibt sich neue Steuerungsgrößen
Vonovia gibt sich neue Steuerungsgrößen
Wohnimmobilienkonzern rückt bereinigten Vorsteuergewinn und Innenfinanzierungskraft in den Vordergrund – Investoren verunsichert
hek Frankfurt
Deutschlands größter privater Wohnungskonzern Vonovia verabschiedet sich vom Group FFO (Funds from Operations) als Kernkennzahl für die Ergebnissteuerung. Stattdessen stellt der Dax-Konzern nun das bereinigte Ergebnis vor Steuern (Adjusted EBT) als zentrale Ertragsgröße in den Vordergrund. Zusätzlich rückt der Operating Free Cashflow als führende Kennzahl der Innenfinanzierung und damit der Liquiditätssteuerung in den Fokus. Aktionäre zeigen sich verunsichert: Die Aktie verlor am Freitag gut 10%. Analysten geben zu bedenken, dass die neuen Kenngrößen relativ komplex seien.
Mit der Umstellung trage man „dem aktuellen Marktumfeld und der daraus resultierenden notwendigen Liquiditätssteuerung präziser Rechnung“, teilt Vonovia mit. Das bereinigte EBT bilde den Mittelzufluss aus dem operativen Geschäft ab. Die Bereinigungen beträfen vor allem Wertveränderungen der Immobilien und transaktionsbedingte Sondereffekte, erläutert Finanzvorstand Philip Grosse.
Ziel ist „solide Dividende“
Künftig wird die Dividende am adjustierten EBT ausgerichtet. Ziel sei eine „solide Dividende“, die „jederzeit eine ausreichende Finanzierung für Investitionen sicherstellt“, heißt es. Die Hälfte des Adjusted EBT soll an die Aktionäre fließen, geht aus der Investorenpräsentation hervor. Hinzu komme die Überschussliquidität aus dem Operating Free Cashflow. Einige Analysten erwarten, dass die Dividende dann geringer ausfallen könnte.
Bisher hatte Vonovia die Ausschüttung am FFO bemessen. Die Vorgabe war, etwa 70% des FFO nach Minderheitsanteilen auszukehren – eine Regel, von der das Unternehmen allerdings zuletzt abgerückt war, da man sich Kapitaldisziplin verordnet hatte. Für 2023 will Vonovia 0,90 nach zuvor 0,85 Euro zahlen – bei einem Group FFO von 2,23 (2,51) Euro je Aktie.
In der Vergangenheit habe sich der gesamte Sektor Dividenden geleistet, die keine ausreichende Liquidität für Investitionen im Unternahmen belassen hätten, konstatiert Grosse. Hintergrund ist, dass aktivierte Investitionsausgaben in den FFO einfließen und nicht abgezogen werden. Infolge der in der Branche lange üblichen Ausrichtung der Dividende am FFO wurde dann häufig mehr Geld ausgeschüttet, als verdient wurde. Indirekt stammte die Ausschüttung also in Teilen aus neuem Fremdkapital.
„Wir brauchen Steuerungsgrößen, die sowohl in Aufwärts- als auch in Abwärtsphasen funktionieren“, sagt Vorstandschef Rolf Buch. Die alten Steuerungsgrößen seien in einer Zeit entstanden, „als es immer nur aufwärts ging“. Der Wohnungskonzern LEG hat bereits im Herbst 2022 den FFO in der Unternehmenssteuerung durch einen adjustierten FFO abgelöst, der sich am Cashflow orientiert.
Pflege kein eigenes Segment mehr
Für das laufende Geschäftsjahr stellt Vonovia zwischen 1,7 Mrd. und 1,8 Mrd. Euro Adjusted EBT in Aussicht. Bezogen auf die Mitte der Spanne wären das 6% weniger als 2023, als 1,87 Mrd. Euro verdient wurden. Das bereinigte Ergebnis vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen (Ebitda) siedeln die Bochumer zwischen 2,55 Mrd. und 2,65 Mrd. Euro an (2023: 2,65 Mrd. Euro). Das zum Verkauf stehende Pflegegeschäft ist künftig kein eigenes Segment mehr, und der auslaufende Neubau fließt noch in die Bewertung ein, aber nicht mehr ins Ebitda. Aus Verkäufen will Vonovia 3 Mrd. Euro generieren. 2023 waren es 4 Mrd. Euro, womit das Verkaufsziel übertroffen wurde.
Zuversichtlich äußert sich das Management zu den Marktaussichten. Buch wähnt den Wohnimmobilienmarkt, der ab Mitte 2022 infolge des schnellen und starken Zinsanstiegs in die Krise gestürzt war, am Vorabend eines Aufschwungs. Denn der Zinsanstieg scheint auszulaufen, die Notenbanken stehen vor Leitzinssenkungen. Vonovia werde einer der Ersten sein, die wieder auf Wachstum umstellen, kündigt der CEO an. Es nähere sich der Moment, um von der Bremse aufs Gaspedal zu wechseln. Indizien in diese Richtung gibt es bereits in der Investitionsplanung: Die Ausgaben für Modernisierung und Neubau sollen 2024 auf 1 Mrd. Euro steigen (2023: 762 Mill. Euro). Schwerpunkt ist der Ausbau der Fotovoltaik.
Fast 11 Mrd. Euro Bewertungsverlust
Auf den Wohnungsbestand hat Vonovia 2023 auf vergleichbarer Basis 10,8% abgeschrieben. In der ersten Jahreshälfte waren es 6,6%, in der zweiten 4,2%. Daraus resultierten satte 10,7 Mrd. Euro Bewertungsverlust, so dass unter dem Strich 6,8 Mrd. Euro Jahresfehlbetrag stehen. Zum Jahresende stand der Bestand mit 83,9 (94,7) Mrd. Euro in den Büchern. „Der Abwärtstrend hat sich abgeflacht“, sagt Buch. „Die Stabilität kommt zurück.“
Der Verschuldungsgrad hat sich infolge der Wertkorrekturen um 2,2 Basispunkte auf 47,3% des Immobilienvermögens erhöht. Bei Berücksichtigung beurkundeter Verkäufe sind es 46,7%. Ziel bleibt die Rückkehr in den Korridor von 40 bis 45%.
Verschuldungsgrad steigt
Der unbesicherte Finanzierungsbedarf ist laut Grosse bis zum dritten Quartal 2025 gedeckt. Nach dem Sprung an den britischen Bondmarkt zu Jahresbeginn hat Vonovia inzwischen auch eine kleine Schweizer-Franken-Anleihe über 150 Mill. sfr platziert. Der seit Januar 2022 als CFO amtierende Grosse hat seinen Vertrag um drei Jahre bis Januar 2028 verlängert.
Vonovia | ||
Konzernzahlen nach IFRS | ||
in Mill. Euro | 2023 | 2022 |
Segmenterlöse | 5151 | 5566 |
Adjusted Ebitda | 2652 | 2763 |
Group FFO | 1847 | 2036 |
Adjusted EBT | 1866 | 1997 |
Periodenergebnis | -6756 | -669 |
Verschuldungsgrad (%) | 47,3 | 45,1 |
Immobilienwert | 83.928 | 94.695 |
NTA * je Aktie (Euro) | 46,82 | 57,48 |
Wohnungen (Anzahl) | 545.919 | 548.524 |
Kaltmiete (Euro/qm) | 7,74 | 7,49 |
*) Net Tangible Assets |
Der Wohnungskonzern Vonovia überrascht Investoren mit einem neuen Steuerungssystem, das neben dem bereinigten Vorsteuergewinn den operativen Free Cashflow als führende Kennzahl für die Innenfinanzierung berücksichtigt. Der Group FFO tritt in den Hintergrund. Auch die Dividendenpolitik wird umgestellt.