Vorstoß gegen Pleitewelle durch Überschuldung
cru Frankfurt
In seltener Einigkeit machen Firmen-Restrukturierer und Insolvenzverwalter einen Vorstoß zur Anpassung des Insolvenzrechts. Sie drängen die Bundesregierung zur Verkürzung des Prognosezeitraums bei der Überschuldungsprüfung von zwölf auf drei Monate. Damit soll angesichts der Unsicherheiten, die aus dem Energiepreisschock in der Folge des Ukraine-Kriegs entstehen, eine große Pleitewelle verhindert werden. Die Neuregelung soll bis Ende 2022 befristet werden. Das geht aus einem Brief vom Vorstand des interdisziplinären Berufsverbands der Restrukturierungsexperten TMA Deutschland an Bundesjustizminister Marco Buschmann hervor, der der Börsen-Zeitung vorliegt.
Die Pleitenprofis schlagen Alarm in einer Zeit mit wenig Pleiten: Seit 2011 ist laut einer noch unveröffentlichten Studie der Unternehmensberatung Deloitte wegen der offenen Geldschleusen der Notenbanken und der billionenschweren Staatshilfe die Anzahl der Unternehmensinsolvenzen in Deutschland um mehr als die Hälfte auf 14000 im Jahr 2021 gesunken. Infolgedessen wird aber eine „Zombifizierung“ der Firmen befürchtet sowie eine nachgeholte Pleitewelle, die durch den Ukraine-Krieg noch höher ausfallen könnte.
Kapitalgesellschaften sind derzeit gemäß Insolvenzordnung verpflichtet, unverzüglich Insolvenzantrag zu stellen, wenn sie rechnerisch überschuldet sind – und keine „positive Fortführungsprognose“ mehr besteht. Diese ist nur dann gegeben, wenn das Unternehmen aufgrund einer realistischen Liquiditätsplanung in den nächsten zwölf Monaten „überwiegend wahrscheinlich“ in der Lage sein wird, seine Verbindlichkeiten bei Fälligkeit zu erfüllen.
Doch nun führe „der Krieg in der Ukraine – neben dem ungeheuren Leid für die Betroffenen – dazu, dass die nach geltender Rechtslage erforderliche Prognosesicherheit für einen Zeitraum von zwölf Monaten angesichts der erheblichen Preissteigerungen an den internationalen Energiemärkten und der zusätzlichen Belastung der Lieferketten nicht mehr gewährleistet ist“, schreiben Frank Grell von der Kanzlei Latham & Watkins und sechs TMA-Vorstände an Minister Buschmann.
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