VW lehnt Lohnforderung der IG Metall ab
Verhärtete Fronten bei Haustarifrunde
VW lehnt Lohnforderung der IG Metall ab - Betriebsratschefin kündigt „historische“ Reaktion auf Tabubruch an
Die Fronten im Streit über den verschärften Sparkurs bei Volkswagen sind zum Auftakt der Haustarifrunde beim Wolfsburger Autobauer unverändert verhärtet. Schnelle Fortschritte zeichnen sich nicht ab. Das an Volkswagen beteiligte Land Niedersachsen pocht darauf, auf Werksschließungen zu verzichten.
ste Hamburg
Drei Wochen nach der Ankündigung des Volkswagen-Vorstands, den Sparkurs bei VW zu verschärfen, die 30 Jahre alte und bis 2029 geltende Beschäftigungssicherung zu kündigen und erstmals Werksschließungen in Deutschland zu erwägen, haben in Hannover rund einen Monat früher als ursprünglich vorgesehen die Haustarifverhandlungen für die Volkswagen AG begonnen. Die erste Gesprächsrunde endete nach drei Stunden, die Fronten blieben verhärtet.
VW-Betriebsratschefin Daniela Cavallo wertete den Verhandlungsauftakt nach Darstellung der Arbeitnehmervertretung als „einzige Enttäuschung“. Inhaltlich gebe es keine Fortschritte. Das Unternehmen habe über den harten Wettbewerb geklagt, nicht aber erläutert, was anstatt der vom Tisch gewischten Tarifverträge künftig gelten solle.
„Angriff auf unsere Wurzeln“
Bei einer Kundgebung mit rund 3.000 Beschäftigten der VW-Standorte hatte Cavallo zuvor die unverhandelbare Gleichrangigkeit von Beschäftigungssicherung und Wirtschaftlichkeit bei VW betont und erneut entschiedenen Widerstand gegen die neuen Sparpläne des Vorstands angekündigt. „Wir erleben jetzt wieder einen Angriff auf unsere Wurzeln“, so Cavallo mit Verweis auf die Geschichte von Volkswagen. Diesmal kämen die Angriffe „aus Teilen des Vorstands, der Tabubrüche wagt, die historisch sind". Das werde man sich nicht gefallen lassen. „Ebenso historisch wird unsere Reaktion als Arbeitnehmerseite sein.“
Thorsten Gröger, IG Metall-Bezirksleiter und Verhandlungsführer für den VW-Haustarifvertrag bei der Gewerkschaft, sagte, VW habe zum Auftakt der Gespräche weder Werke noch Beschäftigtenzahlen benannt, das Unternehmen halte weiterhin zurück, was es mit seinen Plänen konkret meine. „Wir werden kein Werk verloren geben, alle Standorte müssen bleiben und wir werden für jeden Arbeitsplatz kämpfen.“ Der VW-Haustarifvertrag gilt für rund 120.000 Beschäftigte von sechs westdeutschen Werken, für Volkswagen Financial Services, Volkswagen Immobilien und die IT-Tochter dx.one.
„Nachhaltige Kostenentlastung“
VW teilte am Mittwochnachmittag mit, die Forderungen der IG Metall einer Entgelterhöung um 7% sowie eines Sockelbetrags von 170 Euro für Auszubildende und dual Studierende würden abgelehnt. „Wir können Volkswagen nur zukunftssicher aufstellen, wenn wir wettbewerbsfähig sind“, erklärte VW-Verhandlungsführer Arne Meiswinkel, Personalvorstand der renditeschwachen Kernmarke Volkswagen. Dafür benötige man eine „nachhaltige Kostenentlastung und eine zukunftsfeste Struktur unserer kollektiven Arbeitsbedingungen im Haustarifvertrag". Die Neuausrichtung von Standort- und Beschäftigungssicherung sowie von Beschäftigung in Tarif Plus, die bedarfgerechte Ausbildung und der wettbewerbsadäquate Einsatz von Zeitarbeit seien wesentliche Elemente. Ferner müssten die Arbeitskosten in Deutschland reduziert werden.
Der Kurs der VW-Vorzugsaktie gab am Mittwoch um 1,2% auf 93,12 Euro nach. Am Vormittag hatte sich Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil, für das Land im Aufsichtsrat des Wolfsburger Autobauers, in einer Regierungserklärung im Landtag von Hannover zur Zukunft von VW geäußert. Mit Blick auf die weit auseinander liegenden Positionen von Management und Arbeitnehmerseite sagte der SPD-Politiker, die Unsicherheit bei vielen Beschäftigten durch klare Entscheidungen schnell zu beseitigen, werde leider wohl nicht möglich sein. „Ich hoffe sehr, dass alle Beteiligten zumindest bis Ende November Klarheit haben werden.“
„Gemeinsamer Weg“
Weil unterstrich die Erwartung an Management und Arbeitnehmervertreter, „dass am Ende wieder ein gemeinsamer Weg stehen wird und dass selbstverständlich am Ende das Unternehmen tarifgebunden bleibt". Erneut wandte er sich für die Landesregierung gegen eine Schließung von Standorten. „Industrielle Strukturen, die einmal aufgegeben werden, sind für immer verloren.“
Der Ministerpräsident sagte weiter, Wettbewerbsfähigkeit müssten Unternehmen selbst herstellen. Doch bleibe die Krise der Autoindustrie, der wichtigsten Branche in Deutschland, auch ein politisches Thema. Wenn Deutschland am Ziel der Klimaneutralitätät festhalten wolle, seien staatliche Impulse unabdingbar. Den Stopp der Verkaufsförderung für Elektroautos durch die Bundesregierung Ende vergangenen Jahres, dem ein weiterer spürbarer Absatzrückgang gefolgt sei, bezeichnete Weil als Fehler. „Aber Fehler lassen sich korrigieren." Dafür sei es jetzt höchste Zeit.
Die EU-Kommission fordete der niedersächsische Regierungschef auf, auf den auch in Europa weit hinter den Erwartungen liegenden Elektroautoabsatz zu reagieren und mit Blick auf drohende hohe Strafzahlungen der Autobauer für das Verfehlen von Kohlendioxid-Flottenzielen Vorgaben zu überarbeiten. „Die EU muss auf diese Veränderungen reagieren, wenn sie die Probleme der Automobilindustrie nicht noch weiter verschärfen will.“