Wackeliger „Delisting-Friede“ zwischen China und USA
nh Schanghai
Trotz einer jüngsten Vereinbarung, die US-Wertpapierregulatoren den von ihnen seit langem geforderten Zugang zu Buchprüfungsunterlagen chinesischer Unternehmen mit Börsenlisting in den USA geben soll, sehen Marktteilnehmer die Gefahr eines regulatorisch erzwungenen Delisting dieser Firmen als noch nicht gebannt an. In einer neuen Einschätzung der Investmentbank Goldman Sachs heißt es, das gegenwärtige Kursniveau der in New York gelisteten China-Aktien, die überwiegend der Tech-Branche zuzuordnen sind, beinhalte noch eine 50-prozentige Wahrscheinlichkeit eines forcierten Delisting.
Im März, als chinesische Tech-Firmen einen besonders heftigen Absturz an den Börsen erlebt hatten, war ein solches Risiko allerdings bereits schon einmal mit bis zu 95% in den Kursen an der Wall Street eingepreist worden. Die im Rahmen des sogenannten „Delisting Barometer“ von Goldman Sachs ermittelten Prozentangaben beziehen sich nicht auf die tatsächliche Wahrscheinlichkeit eines auch von politischen Faktoren abhängigen regulatorischen Kompromisses zwischen den Wertpapieraufsehern beider Länder, sondern auf quantitatives Aktienresearch, mit dem das in Kursentwicklungen ausgedrückte Sentiment der Anleger reflektiert wird.
Am Freitag hatten die US-Wertpapieraufsicht SEC und die ihr beigeordnete Prüferkommission Public Company Accounting Oversight Board (PCAOB) einen Durchbruch in den Verhandlungen mit der chinesischen Seite erzielt. Nun steht eine Vereinbarung, der zufolge US-Inspektoren direkten Zugang zu den Büchern und Prüfungsunterlagen der 270 an den New Yorker Börsen gelisteten chinesischen Unternehmen erhalten. Bislang hatte sich China mit Verweis auf Souveränitätsrechte und nationale Sicherheit dieser für sämtliche ausländische Firmen mit Börsennotierung in den USA geltenden Auflage entzogen.
Die Problematik ist Gegenstand eines im vergangenen Jahr verabschiedeten US-Gesetzes, dem zufolge die SEC die Erfüllung der Prüfungsanforderungen durch die chinesische Seite gewähren muss. Im Falle einer „Non-Compliance“ ist die SEC damit beauftragt, bis Ende 2023 ein Delisting der gegen die Auflagen verstoßenden chinesischen Unternehmen zu erwirken. US-Beobachter sehen die neue Vereinbarung zwar als großen Fortschritt an, hegen aber immer noch Zweifel, ob Peking den von US-Auditoren geforderten vollumfänglichen Zugang tatsächlich gewährt.