Was sie sagen, was sie tun
Von Andreas Hippin, London
Aktionäre der britischen Supermarktkette Sainsbury’s (J Sainsbury) werden auf der Hauptversammlung am Donnerstag über eine Resolution abstimmen, die höhere Löhne für die Belegschaft fordert. Das entspricht vermutlich nicht dem Bild, das man auf dem Kontinent von Großbritannien hat. Doch die befürchtete Rückkehr zum Manchester-Kapitalismus hat nicht stattgefunden. Immerhin zehn institutionelle Investoren stellten sich hinter die Forderung von Share Action, der Einzelhändler möge sich zum „Living Wage“-Arbeitgeber mausern. Mehr als 100 000 Unterschriften fanden sich auch dafür. Mehr als 11 000 Firmen haben sich bereits dazu durchgerungen, darunter auch Einzelhändler wie Lush oder Ikea. Sie zahlen nicht nur den gesetzlichen Mindestlohn, sondern ein existenzsicherndes Minimum, das sich an den Maßstäben der Living Wage Foundation orientiert. Derzeit sind das 9,90 Pfund pro Stunde landesweit und 11,05 Pfund pro Stunde in London, wo die Lebenshaltungskosten weit höher sind. Zu den Unterstützern der Resolution gehören Aviva und Coutts & Co.
Der stets mit ESG-Themen an die Öffentlichkeit drängende Vermögensverwalter Schroders befürchtet dagegen, dass die Wettbewerbsfähigkeit von Sainsbury’s unter einer Akkreditierung als „Living Wage“-Arbeitgeber leiden könnte. Vielleicht habe Schroder als einer der fünf größten Anteilseigner des Unternehmens mehr Anreiz als andere, die Rendite für die Aktionäre in den Vordergrund zu stellen, heißt es dazu im Blog von Share Action.
Sainsbury’s habe als Reaktion auf die Resolution die Löhne ihrer Mitarbeiter in den Außenbezirken der britischen Metropole erhöht, die bislang nicht den „Living Wage“ erhielten. Allerdings gelte das nicht für die Mitarbeiter von Sub-Unternehmen. Zudem habe es keine Garantie dafür gegeben, dass man der Belegschaft auch in Zukunft genug bezahlen wird, um ihre Lebenshaltungskosten zu decken.
Man darf gespannt sein, wie sich die großen Assetmanager am Donnerstag entscheiden werden, die sich meist als verantwortungsvolle Investoren gerieren. Denn oft besteht ein großer Unterschied zwischen dem, was man sagt, und dem, was man macht. Sainsbury’s böte die Akkreditierung die Möglichkeit, sich als Branchenführer zu profilieren. Dadurch würde die Konkurrenzfähigkeit der FTSE-100-Gesellschaft nicht etwa geschwächt, sondern gestärkt, vor allem wenn es um den Kampf um die immer knapper werdenden Arbeitskräfte geht. Die Wettbewerber wären gezwungen, nachzuziehen. Bei den Hausbaugesellschaften hat es bereits eine solche Entwicklung gegeben. Nachdem sich Barratt Developments vor zwei Jahren akkreditierte, ist ein halbes Dutzend namhafter Wettbewerber gefolgt.