Washingtons Sicherheitsstrategie prägt M&A-Markt
US-Sicherheitspolitik prägt globalen M&A-Markt
Interventionen bei US Steel und TikTok fachen Diskussionen unter Dealmakern an – Banken wollen verpatzte Twitter-Transaktion hinter sich lassen
Die Vereinigten Staaten gehen mit Verweis auf nationale Sicherheitsbedenken zunehmend gegen ausländische Einflüsse in der amerikanischen Wirtschaft vor. Die jüngsten Entwicklungen um TikTok und US Steel machen deutlich, wie stark dies den Markt für Fusionen und Übernahmen noch beeinflussen könnte.
xaw New York
Die Industrieikone US Steel macht derzeit wohl einige der unruhigsten Tage ihrer nahezu 124-jährigen Geschichte durch. Denn nachdem der gerade aus dem Amt geschiedene US-Präsident Joe Biden im Januar eine 2023 beschlossene, 14 Mrd. Dollar schwere Übernahme durch die japanische Konkurrentin Nippon Steel blockierte, befinden sich die beiden Konzerne im Rechtsstreit mit der Regierung der Vereinigten Staaten. Doch nicht nur das: Der Tumult zieht auch Shareholder-Aktivisten an.
Aktivisten machen Druck
So zettelt Ancora Holdings einen Stimmrechtskampf bei US Steel an: Obwohl sie bisher wohl lediglich einen Anteil von weniger als 1% an dem Konzern aus Pittsburgh hält und eine „bedeutende Beteiligung“ erst noch aufbauen will, stellt die Investmentgesellschaft bereits neun Kandidaten für den zwölfköpfigen Verwaltungsrat des Stahlriesen auf. Zudem will Ancora CEO David Burritt durch Alan Kestenbaum, den ehemaligen Chef der kanadischen Stelco, ersetzen. Die zentrale Forderung der Aktivisten: US Steel solle ihre Bemühungen zur Rettung des Mergers mit Nippon Steel fallenlassen.
Der Verkauf an einen anderen Transaktionspartner steht angeblich nicht auf der Agenda von Ancora, die Mittel im Umfang von rund 10 Mrd. Dollar verwaltet. Doch mit der 2023 von Nippon Steel überbotenen Cleveland-Cliffs und Nucor bringen sich bereits zwei Rivalinnen in Stellung, die ab Sommer mit einem neuen Übernahmeangebot an US Steel herantreten könnten. Das Drama um den einst weltgrößten Konzern zeigt nicht nur, wie umtriebig Shareholder-Aktivisten derzeit sind. Es wirft bei Analysten auch die Frage auf, wie Washingtons Sicherheitspolitik den Markt für Fusionen und Übernahmen noch durcheinander wirbeln wird.
Denn Biden führte zur Begründung für seine Deal-Blockade an, er besitze „glaubwürdige Beweise“ dafür, dass Nippon Steel „Maßnahmen ergreifen könnte, die die nationale Sicherheit“ der USA „zu beeinträchtigen drohen“. Politbeobachter verstanden darunter hypothetische Kürzungen der Stahlproduktion von US Steel. Der neue US-Präsident Donald Trump hat sich ebenfalls als Gegner des Deals positioniert und wirbt damit um den Zuspruch der Gewerkschaft United Steelworkers.
Opportunistische Strategie
Auch in anderen Fällen, betonen Analysten, dürfte die neue Administration ausländischen Interessen in der amerikanischen Wirtschaft mit einer opportunistischen Handels- und Sicherheitsstrategie begegnen. Dies zeige sich bereits am Beispiel von TikTok. Hatte Biden ein Gesetz unterzeichnet, das die chinesische Mutter Bytedance vor die Wahl zwischen einem Verkauf der Video-App oder einem US-Bann gegen die Plattform stellte, verschob Trump die gesetzliche Deadline für die Veräußerung durch einen Exekutivbeschluss um 75 Tage.
Der neue US-Präsident, der in seiner ersten Amtszeit noch aufgrund von Datenschutz- und nationalen Sicherheitsbedenken für ein Verbot von TikTok eintrat, will die Plattform am liebsten in ein Joint Venture mit einer US-Beteiligung von 50% überführen. Zunächst suggerierte er, dass die Vereinigten Staaten dafür nichts bezahlen sollten – dass sich Bytedance darauf einlässt, die Hälfte der Anteile an der von CFRA Research mit mindestens 40 Mrd. Dollar bewerteten Video-App einfach abzugeben, gilt allerdings als unwahrscheinlich. Am Rande des Weltwirtschaftsforums in Davos kursierte zuletzt indes die Lösung eines US-Staatsfonds, für den das Trump-Lager Investitionszusagen von großen Private-Equity-Gesellschaften und Banken einholen könnte.
Signale der Erholung
An der Wall Street geht daher nun die Hoffnung um, dass die Aktivität bei Fusionen und Übernahmen insgesamt einen Schub erhält. „Der M&A-Markt hat 2024 Zeichen einer Belebung gezeigt, und es sind genügend Treiber vorhanden, die 2025 für eine Beschleunigung sorgen könnten“, kommentieren die Analysten von S&P Global Market Intelligence. Nach einem „ziemlich stetigen zweijährigen Rückgang“ sei die Zahl der Deal-Ankündigungen zuletzt gewachsen, sie liege aber noch unter den vor der Corona-Pandemie erreichten Niveaus und weit unter den 2021 erreichten Spitzenwerten.
Positive Impulse für den Markt, der sich noch auf Richtungssuche befindet, versprechen sich die Analysten durch eine gelockerte Geldpolitik der Federal Reserve. Zudem ruhen die Hoffnungen auf einer freundlicheren Kartellregulierung der Trump-Administration für amerikanische Unternehmen. Wichtige Signale dürfte laut Wall-Street-Insidern auch die laufende Woche liefern. Denn Geldhäuser um Morgan Stanley und Bank of America wollen wohl Kredite im Volumen von bis zu 3 Mrd. Dollar am Markt abladen, die sie zur Finanzierung von Musks Übernahme des Kurznachrichtendienstes Twitter (heute X) 2022 herausgegeben hatten.
Banken werfen Altlast ab
Insgesamt hatten die beteiligten Häuser für die 44 Mrd. Dollar schwere Akquisition 13 Mrd. Dollar bereitgestellt. Dass sie die Darlehen nicht loswurden und damit den schlechtesten Deal seit der Finanzkrise eingingen, lastete auf der Stimmung der Dealmaker. Nun erhoffen sich die Institute auf Vorrangkredite noch Erlöse von 90 bis 95 Cent auf den Dollar. Die Erwartung ist groß, dass sie befreiter aufspielen und stark von einem M&A-Aufschwung profitieren. Doch Washingtons opportunistisch geprägte Sicherheitsstrategie, warnen Analysten, drohe auch neue Unsicherheiten zu schaffen.