Mobilitätswende stockt

Wenn der Kunde streikt: Britische Autohersteller in der Krise

Die britische Autobranche hat ein Problem. Die vom Staat diktierten Verkaufsziele für Elektrofahrzeuge lassen sich selbst mit heftigen Rabatten nicht erreichen.

Wenn der Kunde streikt: Britische Autohersteller in der Krise

Wenn der Kunde streikt: Britische Autohersteller in der Krise

Verkaufsziele für „Nullemissionsfahrzeuge“ lassen sich der Branche zufolge ohne staatliche Anreize nicht erreichen

Von Andreas Hippin, London

Der staatlich verordnete Übergang zur Elektromobilität hat sich für die britische Autoindustrie bislang als schlechtes Geschäftsmodell erwiesen. Im vergangenen Jahr wurden so wenige Kraftfahrzeuge hergestellt wie zuletzt 1954, wenn man die Pandemiejahre einmal unberücksichtigt lässt. Dazu trug neben der Umstellung der Produktion auf Batteriefahrzeuge auch die schwache Verbrauchernachfrage bei.

Der von der Regierung für 2024 vorgeschriebene Marktanteil für „Nullemissionsfahrzeuge“ (ZEV) wurde nicht erreicht. Statt bei 22% lag er am Ende bei 21%. Dabei hat die Branche nach Angaben ihres Verbands SMMT (Society of Motor Manufacturers & Traders) den Absatz von Elektrofahrzeugen 2024 mit Rabatten und anderen Kaufanreizen im Volumen von 4,5 Mrd. Pfund subventioniert.

Schwer erreichbare Ziele

Nicht ganz uneigennützig: Den Herstellern drohen Geldstrafen von 15.000 Pfund pro Fahrzeug, das zur Zielerreichung fehlt. Für das laufende Jahr gibt Westminster einen Zielwert von 28% für den Marktanteil vor. Bis 2030 wird es auf 80% steigen. Das wird nach Einschätzung der Branche ohne staatliche Kaufanreize nicht zu schaffen sein.

Zu den Vorschlägen, die der Branchenverband vorbringt, gehört die Halbierung der Mehrwertsteuer auf Elektrofahrzeuge. Zudem forderte CEO Mike Hawes auf der Fachkonferenz SMMT Electrified, die dieses Jahr zum vierten Mal stattfand, die Erhöhung der Schwelle für das „Expensive Car Supplement“, einen Zuschlag zur Kfz-Steuer für hochpreisige Autos. Bislang wird er ab 40.000 Pfund fällig, eine Schwelle, die von vielen Batterieauto-Modellen überschritten wird. Es sollten mindestens 60.000 Pfund sein, befand Hawes.

Kein Entgegenkommen der Regierung

Auch das seit langem bekannte Problem, dass Fahrer an öffentlichen Ladestationen einen höheren Mehrwertsteuersatz auf den Strom bezahlen müssen als Fahrer, die ihren Wagen zuhause aufladen, besteht fort. Vor allem weniger wohlhabende Menschen, die über keine eigene Einfahrt verfügen, werden dadurch benachteiligt.

Doch die für die Zukunft des Straßenverkehrs zuständige Staatssekretärin Lilian Greenwood (Labour) zeigte auf der Veranstaltung wenig Bereitschaft, der Branche entgegenzukommen. „Wir wussten, dass diese grundlegende Umstellung nicht leicht werden wird“, sagte Greenwood. Die Regierung habe „regulatorische Gewissheit“ geschaffen.

Leere in den öffentlichen Kassen

Man darf davon ausgehen, dass Schatzkanzlerin Rachel Reeves das Geld, das sie angesichts der gähnenden Leere in den öffentlichen Kassen Sozialleistungsempfängern wegnehmen muss, nicht einfach so an die Autohersteller weiterreichen wird.

Immerhin: Der preisliche Abstand von Fahrzeugen, die keine Treibhausgase durch den Auspuff in die Luft blasen, und Verbrennern hat sich Ian Plummer, dem Geschäftsführer von Auto Trader, zufolge von 35% auf 23% verringert. Die Zahl der Modelle, die weniger als 30.000 Pfund kosten, habe sich von neun auf 29 erhöht.

Kaufanreize für den Massenmarkt

Plummer forderte gezielte staatliche Kaufanreize für neue Elektrofahrzeuge unter 30.000 Pfund und gebrauchte unter 20.000 Pfund. „Da sollte der Massenmarkt liegen“, sagte er auf der Konferenz.

„Was wir in dieser Branche am meisten brauchen, ist Flexibilität und die Einsicht, dass Zuckerbrot das Verhalten der Verbraucher mehr beeinflusst als die Peitsche“, sagte Gareth Dunsmore, der bei Nissan Europe für Elektrofahrzeuge verantwortlich zeichnet. Nissan produziert in Sunderland das Batteriemodell Leaf.

Höhere Kosten, niedrigere Margen

„Wir haben eine enorme Summe in das Vorantreiben des Wandels gesteckt“, sagte David George, der das Geschäft von BMW in Großbritannien und Irland verantwortet. „Die Verbrauchernachfrage hält mit dem ZEV-Mandat nicht Schritt. Für uns ist das unglaublich schwierig.“ Die Herstellung von Elektrofahrzeugen koste mehr, die Margen seien niedriger als bei Verbrennern.

BMW schob Investitionen von 600 Mill. Pfund in die Produktion des elektrischen Mini in Oxford auf. Ein weiteres Beispiel für die Situation in der Branche ist Stellantis: Das 120 Jahre alte Vauxhall-Werk in Luton soll 2025 geschlossen werden. 

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