„Nicht jeder Tischler bekommt ein Nachhaltigkeitsrating“
Herr Fröhlich, Herr Riese – gibt es in der DZ Bank einen Schrein mit Kerzen für Frau Lagarde? Immerhin sorgt diese bei der EZB durch die Nullzinsen dafür, dass bei Ihrer Tochter Union Investment ein Rekordjahr vor der Tür steht und der Dauerhype an den Börsen für hübsche Bewertungseffekte in den Wertpapierportfolien Ihres Konzerns sorgt. Ein super Gewinntreiber für Ihr Haus.
Riese: Wir stellen mit Sicherheit keine Kerzen auf dem Hausaltar auf. Bei den Genossenschaftsbanken hat die negative Zinspolitik gravierende Auswirkungen. Die Zinsüberschüsse gehen zurück. Manche Beobachter versuchen sich an einer ganz einfachen Rechnung: Wie viel negative Zinsen zahlt eigentlich eine Bank? Und meinen dann, das sei gar nicht so viel und deswegen nicht so schlimm.
Aber?
Riese: Die Wirkung der negativen Zinsen ist viel weitreichender. Bei Banken, die sich mit Einlagen finanzieren, sorgen negative Zinsen dafür, dass die Marge schlichtweg sinkt. Denn die Zinsen sind quasi auf der Einkaufsseite gefloort – es gibt zwar negative Zinsen, aber nicht in der Breite des Kundengeschäfts. Das ist der eine Effekt. Der andere Effekt ist, dass die Volks- und Raiffeisenbanken selbst größere Wertpapierbestände haben. Natürlich ist es ein Unterschied, ob diese beim Zehnjahres-Bund von minus 0,35% oder von plus 1% angelegt sind. In unserem Konzern ist die Wirkung der Negativzinsen sehr unterschiedlich. Von dem Marktumfeld profitiert natürlich die Union Investment. Auf der anderen Seite steht die Bausparkasse Schwäbisch Hall, bei der früher Ergebnisniveaus von 400 bis 450 Mill. Euro üblich waren. Heute sind es nur noch rund 100 Mill. Euro – und das auch nur durch konsequentes Entgegensteuern.
Unterm Strich?
Riese: Ist das negative Zinsniveau kritisch, für die Genossenschaftsbanken noch stärker als für die DZ-Bank-Gruppe. Insofern würden wir lieber Kerzen für eine Trendwende anzünden.
Sie haben einen Gewinn von spürbar über 2 Mrd. Euro für das laufende Jahr prognostiziert. Verraten Sie uns das endgültige Ergebnis? Wenn man das erste Halbjahr schlicht verdoppelt, müsste es einen Rekordgewinn von 3,6 Mrd. Euro geben. Sie hatten schon gesagt, dass man das nicht hochrechnen kann. Aber ist es vermessen anzunehmen, dass der bisherige Rekord von 2014 mit 2,9 Mrd. Euro geknackt wird?
Riese: Wir werden ein Ergebnis auf jeden Fall deutlich spürbar jenseits von 2 Mrd. Euro und ein sehr gutes Jahr haben.
Reden wir über eines der wichtigsten Themen für die Finanzbranche derzeit: die Nachhaltigkeit. Was bedeutet das für die DZ-Bank-Gruppe mit all ihren verschiedenen Töchtern?
Riese: Das Thema Nachhaltigkeit zieht sich wirklich durch die gesamte Organisation – in der Rück- und Erstversicherung genauso wie im Kredit- und Kapitalmarktgeschäft. Es spielt in jedem Kundengespräch eine Rolle, geht durch die Marktfolge bis hin zur Steuerung. Schaut man zum Beispiel in den Maschinenraum der Steuerung, entdeckt man wiederum erneut ganz viele Einzelthemen. Wir müssen einen EZB-Klimastresstest machen. Wir haben eine Taxonomie konzernweit umzusetzen. Wir müssen eine Green Asset Ratio ermitteln. Es gibt ein SDG-Mapping des Kreditportfolios gemäß den Sustainable Development Goals der Vereinten Nationen und Nachhaltigkeitsratings für unsere Kunden und wir setzen derzeit das CO2-Accounting für wesentliche Sektoren um.
Und das angesichts noch vielfach ausstehender Regulierung und Standards sowie eines Mangels an grundlegenden Daten.
Riese: Ja, uns allen steht daher noch eine lange Lernreise bevor. Was in diesem Zusammenhang besonders wichtig ist – und hier ist die Green Asset Ratio das beste Beispiel: Es gibt Menschen und Regulatoren, die denken, dass diese Green Asset Ratio das Nachhaltigkeitsprofil von Banken in einer Zahl verdichtet. Und dass daraus dann eine Rangliste entsteht, die zeigt, wer besser oder schlechter ist.
Nicht?
Riese: Das zeigt mitnichten, wie gut eine Bank beim Thema Nachhaltigkeit ist. Nehmen wir als gedanklichen Extremfall eine Bank, die eine Green Asset Ratio von 100% hat, weil sie nur Tesla finanziert. Dann nehmen wir eine Bank, die zu 10% rein grüne Unternehmen finanziert und zu 90% andere wie Automobilhersteller oder Kraftwerksbetreiber. Diese hat aber mit diesen Unternehmen ganz klare Vereinbarungen, wie deren CO2-Haushalt sich in den nächsten zehn Jahren reduzieren soll. Welche dieser Banken leistet eigentlich den größeren Beitrag und bei welcher Bank liegt der größere Hebel für die Transformation? Unserer Überzeugung nach ist das die zweite Bank. Damit hat man aber nur eine Green Asset Ratio von 10%. Aber was ist das Gegenmodell? Wenn alle Banken einfach aussteigen würden, wer finanziert dann diese Sektoren? Entweder niemand, was schlecht wäre, oder Hedgefonds und Oligarchen. Und diese werden garantiert als Kapitalgeber das Thema ESG nicht stärker unterstützen, als es die Banken tun.
Fröhlich: Als Finanzholding wird es für uns auch aufsichtsrechtlich wichtig sein, dass wir stringent nach gleichen Parametern die Nachhaltigkeitsrisiken in der gesamten Gruppe steuern. Daher wird es eine zentrale Rolle für uns spielen, dass die regulatorischen Rahmenbedingungen für Nachhaltigkeit in den unterschiedlichen Sparten unserer Gruppe – Versicherung, Assetmanagement oder Corporate Banking – bestmöglich homogen sind.
Aber wie gehen Sie denn mit dieser schwammigen Situation um, um stringent zu sein? Wenn die Union Investment ein Unternehmen aus ihrem Portfolio schmeißt, würde dieses Unternehmen von Ihnen auch keinen Kredit mehr in der Bank bekommen?
Riese: Nicht automatisch. Es gibt eine Governance-Struktur auf Gruppenebene. Diese besteht aus zwei Elementen. Wir haben ein Group Responsibility Committee, in dem genau diese Dinge besprochen und abgestimmt werden. Und wir haben jeweils eine Taskforce auf Ebene der Bank und der Gruppe, die das Thema vorantreibt. Das sind die institutionellen Hebel, um Stringenz sicherzustellen. Im Maschinenraum wiederum ist wichtig, dass wir in den Grundlagen so harmonisiert wie möglich sind. Wenn zum Beispiel die Union Investment sich mit einem Firmenkunden auseinandersetzt, dann sollte allein aus Effizienzgründen die gesamte Gruppe diese Daten nutzen. Das gemeinsame Fundament führt aber nicht zwingend zur gleichen Bewertung. Union Investment kann als Eigenkapitalgeber zu einer anderen Einschätzung kommen als eine Bank als Fremdkapitalgeber.
Kommen wir zum Grundproblem der fehlenden Daten. Sie sind Finanzierer des Mittelstands. Diese veröffentlichen bislang keine Nachhaltigkeitsdaten, und die kleinen Unternehmen werden das auch nicht alle durch die ab 2024 geltende Corporate Sustainability Reporting Directive tun müssen. Woher kommen Ihre Daten für die Kreditbeurteilung?
Fröhlich: Wir setzen im ersten Schritt vor allem auf die Informationen, die wir uns selbst über unser eigenes Portfolio erarbeitet haben. Wir haben es klassifiziert, analysiert und uns auch Ziele gesteckt mit Blick auf die 17 Nachhaltigkeitsziele der Vereinten Nationen. Daraus entwickeln wir Werkzeuge, die wir auch in der genossenschaftlichen Finanzgruppe als Dienstleistung anbieten können für die Ortsbanken. Diese müssen dann keine eigenen Standards entwerfen. Einheitliche Regeln für die gesamte Finanzgruppe wären sinnvoll. Für Unternehmen unterhalb einer gewissen Größenordnung werden wir uns mit standardisierten Annahmen behelfen müssen. Nicht jeder Tischler und Bäcker bekommt ein individuelles Nachhaltigkeitsrating, hier wird es wahrscheinlich Brancheneinstufungen geben.
Wie ist bislang Ihr Eindruck von der ESG-Regulierung?
Fröhlich: Man sollte nicht den Fehler machen, auf einem so tiefen Granularitätslevel zu regulieren, dass man sich am Ende in lauter Widersprüche verstrickt. Man sieht es schon an der obersten Ebene, wenn es um die Einordnung nachhaltiger Energiequellen geht, dass Franzosen etwas anders über die zivile Nutzung der Nuklearenergie denken als Deutsche. Das macht deutlich, dass verschiedene Blickwinkel das Nachhaltigkeitsthema in völlig unterschiedlichem Licht erscheinen lassen. Vor dem Hintergrund ist es wichtig, dass man eher prinzipienorientiert handelt und nicht auf der untersten Ebene die Dinge festmacht. Spannend wird es beim EZB-Klimastresstest werden, der bezüglich der Daten-Lieferungen eine Herausforderung darstellen dürfte. Da werden wir – wie alle Banken – an vielen Stellen feststellen, dass wir die Informationen, die möglicherweise gewünscht sind, auf Einzelkundenebene gar nicht in dem Maße vorliegen haben.
Wie stellen Sie denn die korrekte Berechnung von Risiken sicher angesichts der vielen unterschiedlichen Definitionen? Das kann doch auch schnell ein Unsicherheitsfaktor in der Risikovorsorge werden. Oder ein Zankapfel mit Kunden wegen verweigerter oder teurerer Kredite.
Fröhlich: Ich würde das nicht so kritisch sehen, denn wir haben uns sehr vernünftige prinzipienorientierte Ausschlusskriterien für einzelne Themen gegeben. In allen anderen Fällen wird es gegebenenfalls um einen intern höheren Preis für Kredite gehen, weil der Regulator eine höhere Eigenkapitalbelastung aufgrund potenzieller Nachhaltigkeitsrisiken unterstellt. Dann müssen wir uns mit dem Kunden überlegen, ob dieser Kredit für ihn bezahlbar ist. Aber wir werden deswegen keinem Kunden einen Kredit verweigern.
Angst vor Greenwashing-Attacken durch Umweltverbände, Verbraucherschützer oder von geschassten Ex-Mitarbeitern wie bei der DWS haben Sie nicht angesichts der diametral unterschiedlichen Auffassungen von Nachhaltigkeit?
Fröhlich: Reputationsrisiken gilt es auf jeden Fall zu vermeiden, sich also nicht an der falschen Stelle grüner zu machen, als es der Realität entspricht. Wir pflegen und schätzen den Austausch mit Nichtregierungsorganisationen – sie sind Teil des gesellschaftlichen Diskurses. Als Bank müssen wir diesen Diskurs in seiner Breite miteinbeziehen. Wir wollen – mit einem hohen Maß an Verantwortung und Transparenz – für den wirtschaftlichen Erfolg unseres Landes in klugen Schritten die Transformation begleiten. Neben den Anforderungen an die Nachhaltigkeit gibt es viele andere Fragestellungen wie zum Beispiel die Beschäftigung der Menschen in unserem Wirtschaftsraum, die notwendigen Gewinne der Unternehmen, damit wir überhaupt die Investitionen tätigen können und vielleicht auch genügend Steuern zahlen, damit im Zweifel auch der Staat in der Lage ist, entsprechende Zuschüsse für sensible Branchen zu geben, damit die Transformation gelingt.
Kommen wir zur nächsten großen Herausforderung: die Digitalisierung. Welche Schritte sind bei Ihnen als Nächstes konkret geplant?
Fröhlich: Digitalisierung und Nachhaltigkeit sind eng miteinander verknüpft. Die Steuerungssysteme, Daten oder Tools, die es für die Nachhaltigkeitsanforderungen braucht, sind ohne Digitalisierung nicht denkbar. Das ist ein wesentlicher Punkt unserer Investitionen, auch im digitalen Umfeld die Infrastruktur dafür zu schaffen, damit wir aussagefähig sind. Im Kerngeschäft der Bank wiederum haben wir in den letzten zwei Jahren unter anderem intensiv daran gearbeitet, unsere gesamten Kreditprozesse komplett neu zu strukturieren und digital umzusetzen und in wichtigen Teilen zu automatisieren. Darüber hinaus führen wir aktuell unsere Zahlungsverkehrssysteme zusammen. Und natürlich investieren wir im Kapitalmarktgeschäft weiter intensiv, um dort à jour zu bleiben bei der technischen Infrastruktur.
Was passiert bei Cloud und Blockchain?
Fröhlich: Wir haben unsere Handelsrisikodaten inzwischen in einer Cloud und berechnen dort auch Marktpreisrisiken. Wir sind in Sachen Blockchain und Distributed-Ledger-Technologien insbesondere im Transaction Banking sehr gut unterwegs und haben mit einigen Partnern zum Beispiel einen digitalen Schuldscheinprozess entwickelt. Das sind alles Technologien und Know-how-Potenziale, die wir weiter ausbauen, in die wir investieren und wo wir mit Partnern im Kapitalmarktgeschäft darüber nachdenken, welche Geschäftsmodelle künftig möglich sind.
Ist die Blockchain neben dem Kapitalmarktgeschäft auch noch in anderen Bereichen ein Thema?
Fröhlich: Da gibt es interessante Schnittstellen, die zum Beispiel mit dem Zahlungsverkehr zu tun haben. Es gibt Firmenkunden unseres Hauses, die beispielsweise im Rahmen eines Maschinen-Leasings produzieren. Die tatsächliche Nutzung wird mithilfe von Blockchain-Technologien dem Maschinengeber gemeldet, damit dieser entsprechend fakturieren kann. Solche Lösungen werden dann über unsere Technologie-Infrastruktur in den Zahlungsverkehr eingespielt.
Riese: Wenn über Blockchain geredet wird, dann denken viele nur an Kryptowährungen oder an den digitalen Euro. Zwei Anwendungsfelder, über die man trefflich streiten kann. Aber die wirkliche Revolution der Blockchain-Technologie findet dort statt, wo die Wertschöpfungsketten von Realwirtschaft und Finanzwirtschaft zusammenfließen.
Beim Thema Digitalisierung gilt das Plattform-Banking als die Zukunft. Was planen Sie hier?
Fröhlich: Das ist ein zentraler Punkt der künftigen Strategie der genossenschaftlichen Finanzgruppe. Eine entscheidende Frage dabei ist: Wie entwickelt sich unser Geschäftsmodell weiter, wenn Plattformökonomie auch in unserer Branche immer wichtiger wird?
Haben Sie Antworten?
Fröhlich: Wir haben für die private Baufinanzierung bereits die Plattform Baufinex geschaffen, getrieben von der Bausparkasse Schwäbisch Hall gemeinsam mit Partnern in der genossenschaftlichen Finanzgruppe. Das ist inzwischen eine Plattform, die für viele Ortsbanken ein erhebliches Vertriebspotenzial bietet. Denn dadurch wurde ein völlig neuer Markt erschlossen: die Vermittler im privaten Baufinanzierungsumfeld, die jetzt eine Vielzahl von genossenschaftlichen Produkten mit vermitteln. Und selbstverständlich überlegen wir auch, wie wir plattformökonomische Ansätze weiterentwickeln können. Auch da wieder ein Beispiel der Bausparkasse, die dabei ist, gemeinsam mit der Rechenzentrale Atruvia und den PSD-Banken ein attraktives Ökosystem zu schaffen, das sich rund um die Lebenswelt Bauen und Wohnen dreht. Hier finden Verbraucher Angebote, wenn sie zum Beispiel auf der Suche nach einer neuen Heizung oder neuen Fenstern sind. Gleichzeitig tummeln sich auch sehr viele Geschäftspartner unserer Organisation dort, etwa Ortsbanken als Finanzierer von baulichen Veränderungen oder auch Firmenkunden, die als Anbieter in der Baubranche tätig sind. Wir zielen auf offene Ökosysteme, die uns die Kunden-Schnittstelle absichern und vor allen Dingen auch neue Kunden zuführen sollen.
Was ist bei der Zukunftsstrategie der genossenschaftlichen Finanzgruppe die Rolle der DZ Bank?
Fröhlich: Wir stellen uns als wichtiger Bestandteil der genossenschaftlichen Finanzgruppe in den Dienst dieser Strategieagenda und sind eingebunden in die Definition der strategischen Ziele. Zugleich bringen wir unser Know-how in die Strategiearbeit ein und übernehmen Aufgaben aus dieser Strategieagenda.
Ein Beispiel bitte.
Fröhlich: Es besteht zum Beispiel der Wunsch, dass es einen funktionierenden Risikomarktplatz innerhalb der genossenschaftlichen Finanzgruppe gibt. Die DZ Bank bietet schon seit 2005 etablierte Mechanismen wie VR Circle an – ein geschlossener Risikokreislauf über Kreditverbriefungen, mit denen Ortsbanken untereinander regionale Klumpenrisiken tauschen und damit minimieren können. Ein Angebot, das wir jetzt mit Open Circle öffnen und Ortsbanken ermöglichen, entweder nur Aktivgeschäft abzugeben oder eben zu erwerben. Wir testen darüber hinaus auch einen horizontalen Meta-Marktplatz, auf dem Banken Konsortialkreditpartner suchen oder sich als solcher anbieten können. Damit können wir die Risikotragfähigkeit der Finanzgruppe noch besser nutzen.
Riese: Es gibt zunehmend sehr große Volks- und Raiffeisenbanken. Diese möchten von uns Spezialkompetenzen zum Beispiel im Auslandsgeschäft. Kleine und mittelgroße Volks- und Raiffeisenbanken wollen dagegen oftmals extrem effiziente und einfache Lösungen von uns. Hierbei sollen alle regulatorischen Anforderungen direkt mit abgedeckt sein, sie müssen perfekt integriert sein in das Kernbankensystem der Atruvia, sollen sozusagen einfach durchschnurren. Diese heterogenen Kundenwünsche müssen wir bedienen. Zugleich ist mit der Digitalisierungsoffensive und der Strategieagenda eine Veränderung von einem filialzentrierten Geschäftsmodell zu einem Omni-Kanal-Geschäftsmodell der Volks- und Raiffeisenbanken verknüpft. Damit müssen wir andere Dienstleistungen und Produkte anbieten, etwa Smart Data für den digitalen Vertrieb der Volks- und Raiffeisenbanken oder zentrale Plattformen.
Wenn die jährlichen Fusionen bei den Genossenschaftsbanken immer größere Gebilde entstehen lassen, die vielleicht die Produkte und Dienstleistungen der DZ Bank immer weniger brauchen – besteht nicht die Gefahr, dass eine DZ Bank bis zu einem gewissen Punkt, überspitzt formuliert, überflüssig sein könnte?
Fröhlich: Selbst die größte Genossenschaftsbank ist im nationalen oder internationalen Vergleich keine Großbank. Wir sind als genossenschaftliche Finanzgruppe gemeinsam aber ein sehr ernstzunehmender Partner in Deutschland und Europa und in Teilen auch weltweit. Vor diesem Hintergrund ist die tiefe Überzeugung aller großen, mittelgroßen und kleinen Genossenschaftsbanken, der Verbände wie auch der Verantwortlichen in der DZ-Bank-Gruppe, dass wir das Thema Kohäsion als oberste Aufgabe für unsere gesamte Gruppe über die nächsten Jahre entsprechend pflegen und weiterentwickeln wollen. In einer engen Zusammenarbeit liegen große Chancen für alle. Für uns als DZ-Bank-Gruppe ist die zunehmende Größe der Ortsbanken zugleich ein Fitnessprogramm. Denn damit wird auch das Kompetenzprofil, die Risikotragfähigkeit, die empfundene Unabhängigkeit größer. Da müssen wir uns sehr genau überlegen, mit welchem Mehrwerten wir bei diesen großen Genossenschaftsbanken punkten können.
Kommen wir zu einem weiteren Zukunftsthema, die Finalisierung von Basel III. Wie stark wird der Kapitalbedarf der DZ Bank infolge der Reform steigen?
Riese: Wir sind unterproportional betroffen, im Bereich von 0,3 bis 0,4 Prozentpunkten auf die harte Kernkapitalquote als Folge der zu erwartenden Auswirkungen auf die Risikoaktiva. Es ist für uns kein entscheidender Faktor, zumal es sich über viele Jahre streckt.
Was sind Ihre drei wichtigsten Forderungen an die neue Bundesregierung?
Fröhlich: Aus Sicht unserer Kunden: Erstens eine Bildungsinfrastruktur, die auch hilft, den Fachkräftemangel in Deutschland in den Griff zu bekommen. Zweitens das Dauerthema Bürokratie, die uns insbesondere in der Realwirtschaft nach wie vor Kummer macht. Und das dritte Thema ist das Hochsteuerland Deutschland. Aus Sicht der DZ Bank brauchen wir ein verlässliches regulatorisches Umfeld. Wir brauchen ein Umfeld, in dem die soziale Marktwirtschaft nicht unter die Räder kommt. Und es wäre fatal, zulasten der kommenden Generationen die Verschuldung weiter hochzufahren – sowohl in Deutschland als auch in Europa.
Wenn Sie sich die Zukunft der EU ausmalen, dann …
Riese: … wird es vor allem darum gehen, kluge Abwägungen zwischen Zentralität und Subsidiarität zu treffen. Ich würde mir wünschen, dass diese Diskussion offen und transparent und genau in der Form auch einmal geführt wird, dass es eben nicht die Wahrheit ist: entweder eine Ever-closer-Union oder nicht. Das ist kein Schwarz-Weiß-Thema, man wird sich alle Politikfelder einzeln anschauen müssen.
Fröhlich: Das oberste Ziel muss es sein und bleiben, Europa zusammenzuhalten. So etwas wie der Brexit darf nicht noch mal passieren – Stichwort Ungarn und Polen. Wir erleben derzeit ein Europa, das maßgeblich von der EZB zusammengehalten wird. An dieser Stelle muss die Politik in Brüssel wie auch in den Mitgliedsländern mehr Verantwortung übernehmen. Fiskalische und haushaltspolitische Entscheidungen einzelner Staaten dürfen nicht die Allgemeinheit belasten. Man darf Europa nicht verstehen als „Sparkasse“, wo man beliebig Geld abheben kann. Europa wird nur funktionieren, wenn wir alle ein gemeinsames Bild von Europa haben, damit wir am Ende auch ein haushaltspolitisch, fiskalisch und ein auch von der Verschuldung her tragbares Europa erleben werden.
Das Interview führten Silke Stoltenberg und Bernd Neubacher.