Devisenmarkt

Politische Risiken lasten auf vielen Währungen

Fachleute sehen für 2022 zumindest kurzfristig sehr positive Trends für den Dollar in Relation zum Euro. Zurückhaltend sind die Analysten bei den Aussichten für den Yuan.

Politische Risiken lasten auf vielen Währungen

Die vielfältigen Einflüsse auf Wechselkurse und Währungen machen das Geschäft für Devisenstrategen nicht einfach. Generell verständigen sich die Fachleute für das kommende Jahr auf zumindest kurzfristig positive Aussichten für den Dollar in Relation zum Euro. Dennoch würde keine Bank ausrufen, dass der Wechselkurs auf Parität zugehen könnte, der Euro mithin nochmals rund 10% abwertet.

Xueming Song, Chief Currency Strategist der DWS glaubt indes, dass mittelfristig eine Erholung des Euro zu erwarten sei, die ihn auf seinen fairen Wert von 1,20 Dollar zusteuern lassen könnte. Doch noch gilt: Der mächtige US-Dollar ist zurück. „Wir gehen davon aus, dass der handelsgewichtete Dollar in nächster Zeit gut gestützt bleibt, nicht zuletzt aufgrund des Beginns der geldpolitischen Normalisierung in den USA, die im Jahr 2022 zeitnaher und/oder energischer ausfallen könnte als derzeit von den Märkten erwartet“, schreibt Allianz Global Investors (AGI) in einer Analyse. Allerdings gibt auch das Haus zu bedenken, dass der allmähliche „Übergang zu einem langsameren, aber immer noch über dem Potenzial liegenden globalen Wachstum den zyklischen Währungen und den Rohstoffwährungen auf Kosten des Dollars und anderer Reservewährungen zugutekommen könnte“. Da ausgeprägte transatlantische politischen Divergenzen den Ton angeben und die anhaltenden Negativzinsen den Euro belasten würden, erwartet AGI, dass sich der Euro in den kommenden Monaten in einer Spanne zwischen 1,10 und 1,15 Dollar bewegen wird.

Einer der wichtigsten Einflussfaktoren am FX-Markt sind die Entscheidungen der Notenbanken. „Im Laufe des nächsten Jahres dürfte aber auch die EZB ihre Wertpapierkäufe deutlich reduzieren und somit auf einen weniger expansiven Kurs einschwenken“, sagt Bantleon-Chefvolkswirt Daniel Hartmann und glaubt, dass dann die Zinsdifferenz gegenüber den USA kleiner wird. „Die Investoren dürften den Fokus dann auf andere Faktoren richten, die für „die USA weniger schmeichelhaft ausfallen: etwa die hohe Inflation oder das große Zwillingsdefizit.“ Bantleon erwartet demzufolge eine Abschwächung des Dollar – ebenfalls zumindest mittelfristig. Das Argument wird auch dadurch gestützt, dass der Euro gemäß der Kaufkraftparität gegenüber dem Dollar deutlich unterbewertet ist. Hinzu kommt ein deutlich höheres Inflationsniveau im Vergleich zum Euroraum. Die LBBW hält daher an ihrer Euro-Prognose von 1,15 Dollar per Ende 2022 fest und gibt damit einen schmalen Korridor für das wichtigste Währungspaar vor.

Wackeliger Yuan

Die vierte Weltwährung neben Euro und Dollar sowie Yen, der chinesische Yuan, wurde zuletzt von internationalen Anlegern gekauft, da diese nach Ansicht von DWS-Stratege Xueming Song mit der Devise eine gute Alternative zum Dollar gefunden haben. Er nennt als Gründe die meist positive Handels- und Leistungsbilanz Chinas sowie die hohen lokalen Renditen. „Anders als in den USA will die chinesische Regierung eine starke Währung haben, weil das ihrer Meinung nach die Macht Chinas symbolisiert“, sagt Xueming. So richtig diese Argumente sind, auch beim Yuan scheiden sich die Geister. Aus Sicht der LBBW belasten Chinas neuer Hang zu Regulierung und die Krise um den Immobiliensektor den Yuan. Die LBBW geht davon aus, dass der Yuan ab Mitte des Jahres unter Druck geraten wird. Ebenfalls zurückhaltend sind die Experten von AGI, die zudem auf die Wachstumsabschwächung Chinas hinweisen.

Positiv sehen viele Banken und Assetmanager den russischen Rubel. „Bei den Devisenmärkten der Schwellenländer gefällt uns der russische Rubel aus Gründen des Carry-Effekts, der Rohstoffexponierung, der recht attraktiven Bewertungen und der sich verbessernden Außenbilanz weiterhin gut“, kommentieren die Analysten von AGI. Gegenüber dem Euro verfüge der Rubel dank der jüngsten Leitzinserhöhung über einen deutlichen Renditevorteil, „was dessen Attraktivität steigern und den Rubel auch im nächsten Jahr stützen wird“, so die Währungsstrategen der LBBW.

Doch auch hier gibt es Belastungsfaktoren durch die jüngsten geopolitischen Entwicklungen. Die mögliche Verstrickung Russlands in den Migrationsstreit zwischen Belarus und Polen sowie die Sorgen vor Sanktionen im Zusammenhang mit den Truppenbewegungen an der ukrainischen Grenze könnten aus Sicht der LBBW an Gewicht gewinnen. „Die angespannte Situation birgt jedoch auch weiterhin Eskalationspotenzial.“

Hoffnung für die Lira

Die am stärksten gebeutelte Währung des abgelaufenen Jahres war die türkische Lira, die gegenüber dem Dollar fast 60% nachgegeben hat. Die Verquickung von Politik und Notenbank hatte derart desaströse Folgen, dass die Aussichten für die Lira eigentlich nur negativ sein können. Doch unter den Strategen gibt es auch hoffnungsvolle Stimmen. Zwar registriert auch die LBBW, dass sich die türkische Lira in einer Abwärtsspirale befindet, die nur durch einen Wechsel hin zu einer restriktiven Geldpolitik durchbrochen werden könnte. Auch die Erkenntnis, dass der Anstieg des globalen Zinsniveaus den Abwertungsdruck zusätzlich verstärken wird, liegt auf der Hand. Doch die Landesbanker sind optimistisch gestimmt. „Wir erwarten, dass der Druck für einen solchen Kurswechsel noch im ersten Halbjahr 2022 überwiegen und eine Notstandszinsanhebung die Lira aus dem Abwärtssog führen wird.“ Dies ermöglicht aus Sicht der Bank eine Aufwertung um gut 50% auf bis 12,50 Lira pro Euro bis zum Jahresende.

Von Wolf Brandes, Frankfurt

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