Tauwetter an den Kapitalmärkten

Aufschwung an der Wall Street treibt US-Banken an

Amerikas Geldhäuser profitieren vom steigenden Finanzierungsbedarf von Unternehmen. Doch in die Euphorie mischen sich Warnungen von J.P.-Morgan-CEO Jamie Dimon.

Aufschwung an der Wall Street treibt US-Banken an

Aufschwung der Wall Street macht US-Banken Beine

Steigende Erträge aus Kapitalmarktgeschäft bescheren J.P. Morgan und Goldman Sachs Gewinnsprünge – Hoffnung auf anhaltenden Boom bei Private Credit

Amerikas Geldhäuser lassen Belastungen durch die Regionalbankenkrise 2023 hinter sich und profitieren vom steigenden Finanzierungsbedarf von Unternehmen. Goldman Sachs setzt insbesondere auf einen Boom bei Private Credit. Doch in die Euphorie mischen sich Warnungen von J.P.-Morgan-CEO Jamie Dimon.

xaw New York

Ein Aufschwung im Kapitalmarktgeschäft beschert Amerikas Großbanken Gewinnsprünge. Bei J.P. Morgan zog das Nettoergebnis im vierten Quartal 2024 um 50% auf 14,05 Mrd. Dollar an und übertraf die Erwartungen der Analysten deutlich. Pro Aktie belief sich der Überschuss auf 4,81 Dollar, der vom Datendienst Factset erfasste Konsens hatte auf 4,09 Dollar gelautet.

Dabei wirkte sich positiv aus, dass die führenden US-Geldhäuser Belastungen durch die Regionalbankenkrise 2023 hinter sich lassen – im Vorjahreszeitraum hatte eine Sonderabgabe von 2,9 Mrd. Dollar an die Einlagensicherung FDIC, durch die der Regulator seinen Reservefonds wieder auffüllte, den Gewinn belastet. Auch Konkurrentin Citigroup, die den Effekt ihrer Verpflichtungen an die FDIC vor einem Jahr unterschätzte und in der Folge einen heftigen Absturz in die Verlustzone verkraften musste, stabilisierte sich nun deutlich und vermeldete einen Überschuss von 2,86 Mrd. Dollar. Im frühen New Yorker Handel am Mittwoch legte die Aktie in der Folge um über 4% zu, wobei die Wettbewerberinnen Wells Fargo und Goldman Sachs sogar noch stärkere Kursgewinne hinlegten.

Bei dem stärker auf das Investment Banking spezialisierten Geldhaus von der West Street machen sich die geldpolitischen Lockerungen der Federal Reserve und eine resultierende Liquiditätszufuhr an den Märkten besonders stark bemerkbar. Denn in der Folge wachsen der Appetit von Unternehmen auf Deals und die Nachfrage nach Finanzierungen. Die globalen Volumina im Anleihe-Underwriting fielen laut Dealogic 2024 so hoch aus wie seit 2020 nicht, und Goldman Sachs reiht sich in diesen Trend ein: Die Erlöse der Bank aus dem Geschäft zogen im vierten Quartal um 51% an. Auf Aktienseite sprangen die Einnahmen aus dem Underwriting gar um 98%.

Gewinn mehr als verdoppelt

Damit trugen sie entscheidend dazu bei, dass der konzernweite Umsatz deutlich stärker als erwartet um 23% auf 13,87 Mrd. Dollar kletterte. Unter dem Strich blieb mit 4,11 Mrd. Dollar mehr als doppelt so viel hängen wie im Vorjahreszeitraum, der verwässerte Gewinn pro Aktie übertraf die an der Wall Street herumgereichten Schätzungen von 8,21 Dollar mit 11,95 Dollar ebenfalls klar.

Um noch stärker von einer steigenden Nachfrage nach Finanzierungen zu profitieren, stellt sich Goldman nun organisatorisch neu auf. Am Montag kündigte das Geldhaus an, drei Abteilungen innerhalb seiner Division Global Banking & Markets zur neuen Capital Solutions Group zusammenlegen zu wollen. Damit setzt die Bank auf eine zunehmende Verschränkung zwischen öffentlichen und privaten Kapitalmärkten. Gerade Private Credit erlebt eine Boomphase, das Volumen der Assetklasse ist laut der japanischen Investmentbank Mizuho auf über 1,7 Bill. Dollar angeschwollen und übertreffe damit inzwischen die amerikanischen Leveraged-Loan- und Hochzinsanleihemärkte, die auf 1,4 bzw. 1,6 Bill. Dollar kämen. Laut Insidern rechnet Goldman damit, dass das Tauwetter an den Kapitalmärkten insbesondere über Private Credit finanzierten Private-Equity-Deals eine Flut beschert.

Analysten erwarten Boomjahr

Doch auch im klassischen Investment Banking zeigt sich ein Aufschwung. In der vergangenen Woche hatte die Investmentbank Jefferies bereits starke Vorgaben für den Markt geliefert. Das New Yorker Haus vermeldete für das Schlussquartal 2024 einen Gewinnsprung um 212% auf 205,75 Mill. Dollar und übertraf mit einem Erlösanstieg um 63% auf 1,96 Mrd. Dollar die Erwartungen der Analysten. Die Erträge aus der M&A-Beratung erreichten mit 596,7 Mill. Dollar einen vierteljährlichen Rekord, im Gesamtjahr 2024 standen mit 3,4 Mrd. Dollar die zweithöchsten Einnahmen jemals zu Buche. Entsprechend zufrieden zeigte sich das Management: Jefferies „beginne 2025 in der besten Position in der 62-jährigen Geschichte unserer Firma“, schrieben CEO Richard Handler und Präsident Brian Friedman in ihrem jährlichen Brief an die Aktionäre.

Laut dem Median der vom Finanzanalyse-Dienstleister Visible Alpha erfassten Schätzungen dürften 2025 mit Ausnahme des Fixed-Income-Trading alle Divisionen von Amerikas führenden Banken ihre Erträge ankurbeln. Schließlich wirft die zweite US-Präsidentschaft Donald Trumps längst ihre Schatten voraus. In der vergangenen Woche kündigte beispielsweise der für Bankenaufsicht zuständige Michael Barr seinen Rücktritt vom Vize-Vorsitz der Federal Reserve an. Der Notenbanker setzte sich für deutlich höhere Kapitalvorgaben für Amerikas Finanzinstitute ein. Auch von der US-Wettbewerbsaufsicht FTC, deren enge Auslegung des Kartellrechts den M&A-Markt in der Regierungszeit Joe Bidens belastete, erwarten Analysten unter Trump einen freundlicheren Kurs.

Investoren drängen auf Exits

Zudem dürfte sich laut Analysten positiv auf die M&A-Beratung auswirken, dass Private-Equity-Firmen größeren Druck von Kunden verspüren, die nach Jahren des Abwartens auf Exits drängen. Laut der Strategieberatung Bain befinden sich 46% der von Private-Equity-Fonds gehaltenen Unternehmen seit vier Jahren oder mehr im Portfolio, solch lange Zeiträume bis zur Veräußerung gab es zuletzt 2012.

Mitten in der allgemeinen Euphorie lässt allerdings der Kopf des Branchenprimus vorsichtigere Töne hören. Jamie Dimon, CEO von J.P. Morgan, warnt, dass „die geopolitischen Bedingungen gefährlicher und komplizierter ausfallen als jemals seit dem Zweiten Weltkrieg“, und rechnet mit einer anhaltend hartnäckigen Inflation. Auch andere Führungspersönlichkeiten des Finanzmarkts betonten zuletzt, dass die geplanten Strafzölle der Trump-Regierung gegen US-Handelspartner die inländische Teuerung antreiben dürften, was der Federal Reserve weitere Zinssenkungen erschwere.

Zinsmargen unter Druck

Immerhin für das Privatkundengeschäft stellen die gedämpften Erwartungen hinsichtlich neuerlicher geldpolitischer Lockerungen eine positive Entwicklung dar. Dort lasteten die Zinssenkungen der Fed zuletzt auf den Margen, da sie die Einnahmemöglichkeiten aus der Kreditvergabe begrenzten, während die Banken angesichts eines verschärften Depositenwettbewerbs höhere Zinsen auf Einlagen bieten müssen.

Derweil versucht Dimon, der im Con­sumer Banking eine Expansion nach Deutschland anstrebt, sein Haus personell für die Zukunft aufzustellen. So wurde in der laufenden Woche bekannt, dass Daniel Pinto, die rechte Hand des CEO, seine Rolle als Chief Operating Officer abgeben wird. Ihm folgt die bisherige Co-Chefin der Commercial- und Investmentbanking-Abteilung, Jennifer Piepszak, nach. Diese greift laut Mitteilung anders als erwartet nicht nach dem Spitzenjob bei Amerikas größtem Geldhaus. Dimon sitzt damit weiterhin fest im Sattel – und will sein Haus nun durch den neuen Kapitalmarkt-Aufschwung steuern.

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