„Der Vertrauensverlust wegen FTX fällt gewaltig aus“
Herr Butterfill, was bedeutet die Insolvenz der Kryptobörse FTX für den gesamten Kryptomarkt?
Mit der Handelsplattform ist ein Aushängeschild der Kryptowelt über Nacht zum Ausgestoßenen geworden, nachdem es die gesamte Branche praktisch im Alleingang um Jahre zurückgeworfen hat. Grundsätzlich hat Bitcoin zwar nichts mit dem FTX-Debakel zu tun, aber negative Ereignisse dieser Schwere wirken sich eben auf alle Kryptowährungen aus. Nun droht eine langwierige Phase der Anlegerskepsis und anhaltenden Drucks auf die Kurse von Cyberdevisen.
Welche Kryptowährungen sind besonders stark von den Folgen des Crashs betroffen?
Bisher ist vor allem der Absturz von Solana auffällig. Die Digitalwährung, deren zugrundeliegende Blockchain häufig mit dem marktbestimmenden Ethereum-Netzwerk verglichen wird, hat zuletzt binnen fünf Tagen 60% an Wert verloren. Dies ist nachvollziehbar, wenn man bedenkt, dass Solana-Token die zweitgrößte Reserve der kollabierten Trading-Firma von FTX-Gründer Sam Bankman-Fried, Alameda Research, darstellen sollen. Denn diese Rücklagen, die angeblich bis zu 20% des zirkulierenden Angebots der Kryptowährung ausmachen, werden wohl liquidiert, wenn die FTX-Konten wieder freigegeben werden.
Welche Folgen die aktuelle Krise für die Zukunftsaussichten der Kryptobörsen insgesamt?
Der Zusammenbruch von FTX unterstreicht die Anfälligkeit zentralisierter Handelsplätze. Vorerst können Inhaber von Vermögenswerten, die auf der Kryptobörse liegen, nicht auf ihre Assets zugreifen. Dies sollte in naher Zukunft auch nicht behoben werden, da FTX Gläubigerschutz nach Kapitel 11 des US-Insolvenzrechts beantragt hat. Die Situation dürfte dadurch verhärtet werden, dass den Anlegern der Crash des Stablecoins Terra USD, der im Mai jegliche Bindung zum Dollar verlor, immer noch frisch im Gedächtnis sind. Der Vertrauensverlust der Investoren in zentrale Kryptobörsen fällt gewaltig aus.
Dürfte sich der Handel nachhaltig auf andere Plattformen verschieben?
Die Angst vor dem Risiko weiterer Börseninsolvenzen könnte aufgeregte Anleger durchaus dazu veranlassen, ihre Nutzung auf dezentrale Börsen zu verlagern. Denn diese verwahren in der Regel keine Kundengelder. Es ist möglich, dass wir eine zunehmende Polarisierung in der Branche erleben, bei der Vermögenswerte entweder zu physisch gesicherten börsengehandelten Produkten oder zu dezentralisierten Börsen und anderen Anwendungen des dezentralen Finanzwesens (DeFi) fließen.
Was heißt das für die nativen Token der Kryptobörsen?
Natürlich wirft die aktuelle Krise Zweifel an der Berechtigung einer Börse auf, einen hauseigenen Token zu emittieren. So stellt sich auch beim nativen FTX-Token FTT die Frage, was eigentlich dessen Nutzen sein soll. Eine Funktion als Mittel zur Gebührensenkung stellt kaum eine ausreichende Daseinsberechtigung dar. Daraus folgt die Interpretation, dass FTT vor allem als Vehikel zur Kapitalbeschaffung für die FTX-Schwesterfirmen dienen sollte. Tatsächlich machten die FTT-Bestände von Alameda in etwa das Dreifache der zirkulierenden Liquidität auf FTX aus. Hätte Alameda verkaufen wollen, hätte es also nicht genügend Käufer gegeben. Diese Erkenntnis hat die aktuelle Krise ja erst ins Rollen gebracht.
Welche weiteren Effekte entstehen aus den aktuellen Kursstürzen am Kryptomarkt?
Kurzfristig führt die steigende Volatilität zwar zu höheren transaktionsbasierten Einnahmen an den Kryptobörsen, mittelfristig dürften die Provisionsgebühren im Segment damit aber unter Druck geraten. Dies zieht schwierige wirtschaftliche Bedingungen für die auf den Blockchains aktiven Miner nach sich, die ohnehin bereits in einem Spannungsfeld zwischen niedrigen Kursen und hohen Hash-Raten, also einer starken Rechengeschwindigkeit und damit eines schneller wachsenden Angebots befinden.
Die Kryptobranche ist indes für ihren Optimismus bekannt. Gibt es überhaupt Positives, das sich aus der aktuellen Krise mitnehmen lässt?
Bei langfristiger Betrachtung schon. Denn Marktverwerfungen, wie sie derzeit zu sehen sind, lenken immer den Fokus auf unsaubere Praktiken – und bergen damit die Chance, diese auszumerzen. Der Druck der Regulierungsbehörden dürfte nun zunehmen. Wir sehen dies aber als positiv an. Denn Branchenvertreter Branchenteilnehmer wie Coinbase betonen ja ihre Bereitschaft, mit Regulatoren zusammenzuarbeiten. Dadurch dürften sich die Elemente, die an der Glaubwürdigkeit der gesamten Anlageklasse rütteln, aus dem Markt drängen lassen, womit die Transparenz und Vertrauenswürdigkeiten zwischen den Beteiligten im Digital-Assets-Segment steigen dürfte. Es lohnt sich zudem, sich an einen wichtigen Punkt aus dem Bitcoin-Whitepaper von Satoshi Nakamoto zu erinnern.
Der da wäre?
In dem Weißbuch ist von „Zahlungen über einen Kommunikationskanal ohne Einbindung einer vertrauenswürdigen Zwischenpartei“ die Rede. Bei Blockchain-Technologie geht es also darum, die Notwendigkeit von Intermediären zu überwinden und Geschäftsprozesse zu überwindenvereinfachen. Genau dies ist bei der Einbindung von zentralen Börsen wie FTX, die ja per Definition eine Drittpartei darstellen, nicht gegeben. Diesen wichtigen Unterschied sollten Investoren beachten – und ihr Bild von digitalen Assets nicht nur von der FTX-Insolvenz prägen lassen.