Wie lässt sich die Wachstumskapitallücke in Deutschland schließen?
Im Podcast: Hauke Burkhardt und Susanne Maurenbrecher
„Wir müssen anders über Finanzierung nachdenken"
Experten fordern tieferen Kapitalmarkt in Europa – Plädoyer für neues Debt-Produkt zwischen Venture Capital und Projektfinanzierung
Von Philipp Habdank, Frankfurt
Deutschland investiert zu wenig in Venture Capital. Um die Investitionslücke zu den USA zu schließen, müssten in Deutschland jährlich knapp 30 Mrd. Euro investiert werden. Zum Vergleich: „2024 waren es knapp 7,4 Mrd. Euro, die investiert wurden. Das zeigt, dass da noch ein Weg zu gehen ist“, sagt Susanne Maurenbrecher von der KfW im Private-Markets-Podcast „Betting Billions“.
Denn mit mehr Kapital allein ist es noch nicht getan. „Im Grunde genommen muss der Kapitalmarkt überhaupt erst mal so entwickelt werden, dass dann auch diese Investments in dem Umfang getätigt werden können“, sagt Maurenbrecher, die eine treibende Kraft der von der KfW orchestrierten Initiative für mehr Wachstums- und Innovationskapital ist (kurz: WIN).
Deutschem Venture-Capital-Markt fehlt die Tiefe
Deutschland hat eine gute Forschung, aber tut sich verglichen mit anderen Ländern wie beispielsweise den USA schwer, diese Ideen anschließend zu kommerzialisieren und groß zu machen. Der deutsche Venture-Capital-Markt ist davon ein Spiegelbild. Bei Frühphasen-Investments (Early Stage) sei Deutschland Maurenbrecher zufolge tatsächlich gut. Doch je später und damit größer die Finanzierungsrunden würden (Late Stage), desto schwächer seien die Zahlen.
Im Grunde genommen muss der Kapitalmarkt überhaupt erst mal so entwickelt werden, dass dann auch diese Investments in dem Umfang getätigt werden können.
Susanne Maurenbrecher, KfW
Dem stimmt Hauke Burkhardt von der Deutschen Bank zu und sieht eine Grundherausforderung in Deutschland und Europa: „Wir haben einfach nicht die Tiefe des Kapitalmarkts und vor allem auch nicht die Tiefe des Risikokapitalmarktes“, so der Global Co-Head of Lending und Leiter für Trade Finance & Lending im deutschsprachigen Raum der Deutschen Bank. Bei einem generell kleineren Kapitalmarkt bestünde immer die Herausforderung, große Einzeltickets zu zeichnen.
Banken und Venture Debt fremdeln mit riskanten Heavy Assets
Mit großen Fremdkapitalfinanzierungen für Start-ups tun sich auch die Banken schwer. Insbesondere dann, wenn ein hoher Liquiditäts- und Kapitalbedarf auf einen bei Wachstumsunternehmen nicht unüblichen negativen Cashflow oder sogar Verlust trifft. Das Kreditrisiko bei solchen Unternehmen geht teilweise stark in Eigenkapitalrisiken über. „Dafür ist eine Bankbilanz und die Regulatorik nicht ausgelegt“, sagt Burkhardt.
Dafür ist eine Bankbilanz und die Regulatorik nicht ausgelegt.
Hauke Burkhardt, Deutsche Bank
Daher braucht es wohl eine neue Form von Venture Debt. Nun gibt es bereits einen Markt für dieses Wagnisfremdkapital. Das Produkt hat aber einen Haken: Es ist in erster Linie darauf ausgerichtet, die Eigenkapitalfinanzierungsrunden zu strecken, damit Gesellschafter mit ihren Anteilen nicht zu schnell verwässern. Venture Debt im klassischen Sinn eignet sich daher für Asset-Light-Unternehmen. Das sind Unternehmen mit einem geringen Anlagevermögen, wie beispielsweise Software-Anbieter, die schnell skalieren können.
Mischung aus Venture Capital und Projektfinanzierung
Große Chancen sieht Burkhardt in Deutschland und in Europa aber vor allem bei industriellen Start-ups. Das seien junge Unternehmen, die eine neue Technologie aufbauen, entwickeln und produzieren, dafür aber Heavy Assets bräuchten. Ein Unternehmen, das an einer neuen Batterietechnologie oder an einem Alternativprodukt für Plastik arbeite, brauche dafür ein Grundstück, eine Lagerhalle und eine Anlage, die gebaut werden müsse – alles „relativ kapitalintensiv“.
Für einen traditionellen Venture-Capital- oder Venture-Debt-Investor sei das laut Burkhardt zu „Asset Heavy“ und „zu wenig skalierend“. Für die klassische Bankenfinanzierung sei es auch noch zu früh. „Ich glaube, da braucht es eine Mischung, die irgendwo zwischen Venture Capital und Projektfinanzierung liegt“, sagt Burkhardt. Der Risikogrundgehalt sei ähnlich, aber die strukturellen Ausfertigungen seien anders. Man rede im Vergleich zum klassischen Venture Debt dann auch über längere Laufzeiten, Sicherheiten und Renditen im zweistelligen Bereich.
„Wir müssen anders über Finanzierung nachdenken“
Maurenbrecher und Burkhardt glauben, dass es dafür einen Markt gibt. Es sei genau die Frage, wo Europa und Deutschland wirtschaftlich einen Unterschied im globalen Wettbewerb machen könnten. „Wir sind industriell stark, wir sind in Prozessen stark, wir sind in der Entwicklung von neuen Technologien stark, gerade in der industriellen Fertigung“, sagt Burkhardt. Darauf aufzubauen, sei der logische Schritt. Man spreche immer über Wachstums- und Skalierungsfinanzierung für Plattformunternehmen. Deshalb sei es wichtig, gerade in diesem etwas anders gearteten Markt auch anders über Finanzierung nachzudenken.
Betting Billions
Betting Billions ist der Private-Markets-Podcast der Börsen-Zeitung. Zusammen mit spannenden Interview-Gästen aus der Branche analysieren wir aktuelle Markttrends und ordnen News ein – rund um Private Equity, Private Debt, Venture Capital, Real Estate und Infrastruktur. Mehr zu unserem Private-Markets-Angebot, inklusive Newsletter und Veranstaltungen, gibt es im Private-Markets-Hub der Börsen-Zeitung.
Susanne Maurenbrecher von der KfW und Hauke Burkhardt von der Deutschen Bank sprechen im Private-Markets-Podcast „Betting Billions“ über die Notwendigkeit eines neuen Venture-Debt-Produkts für Wachstumsunternehmen mit kapitalintensivem Anlagevermögen. Lässt sich die Wachstumskapitallücke so schließen?