Im InterviewMatthias Liermann, BVI

„Die Kritik an der Fondsrente wurde durch Fakten widerlegt“

Die Altersvorsorge bleibt eines der drängendsten Themen unserer Zeit. Nach dem Regierungsbruch der Ampel stellt sich die Frage, wie es weitergeht. Matthias Liermann, Präsident des Fondsverbands BVI, über private Vorsorge, Fondsprodukte, politische Hürden und nachhaltige Alternativen.

„Die Kritik an der Fondsrente wurde durch Fakten widerlegt“

Im Interview: Matthias Liermann

„Kritik an Fondsrente wurde durch
Fakten widerlegt“

BVI-Präsident über die Altersvorsorge, Rückzugsgefechte
der Versicherer und die Koexistenz von aktiv und passiv

Die Altersvorsorge bleibt eines der drängendsten Themen unserer Zeit. Nach dem Regierungsbruch der Ampel stellt sich die Frage, wie es weitergeht. Matthias Liermann, Präsident des Fondsverbands BVI, über private Vorsorge, Fondsprodukte, politische Hürden und nachhaltige Alternativen.

Herr Liermann, die Altersvorsorge bleibt ein großes Thema, das uns seit Jahren beschäftigt. Wie beurteilen Sie die Entwicklungen nach dem Aus der Ampel? Wie kann es aus Sicht des BVI weitergehen?

Es muss weitergehen, und es wird weitergehen. Das ist meine Einschätzung. Es wurde viel Arbeit in das Thema gesteckt, und ich glaube, wir haben gute Erfolge erzielt – vor allem durch das Bewusstsein, dass in allen drei Säulen der Altersvorsorge etwas getan werden muss. Der Begriff Altersvorsorgedepot ist mittlerweile fast zu einem Markennamen geworden. Wir haben in den letzten Jahren viel Aufklärung betrieben, gekämpft und Fortschritte gemacht. Wir stecken jetzt nicht den Kopf in den Sand, sondern machen weiter.

Sind Sie nicht frustriert, dass kurz vor einer Reform das Thema wieder ins Stocken gerät?

Natürlich ist es schade, dass wir einen Regierungsbruch erleben, aber die Grundlagen sind gelegt. Wir bauen auf dem auf, was erreicht wurde. Das Thema Altersvorsorge ist über Parteigrenzen hinweg vorangetrieben worden, und wir bleiben optimistisch, dass wir weiterhin Fortschritte machen. Jetzt gilt es abzuwarten, wie schnell sich eine neue Regierung formiert und welche Kompromisse geschlossen werden. Das Thema Altersvorsorge wird jedenfalls nicht von der Agenda verschwinden.

Viele Verbraucher fühlen sich unsicher in Bezug auf die private Altersvorsorge. Was raten Sie den Menschen in dieser Situation?

Es ist heute angesichts des demografischen Wandels wichtiger denn je, privat vorzusorgen. Eine staatliche Förderung wäre wünschenswert, um noch mehr Menschen dazu zu motivieren, aber unabhängig davon sollte man selbst aktiv werden. Man kann nicht sagen: Ich spare nicht, weil es keine Förderung gibt. Private Vorsorge ist essenziell, und das muss jeder für sich erkennen.

Im Vorfeld der Diskussion gab es scharfe Kritik von Versicherern, die sagten, die Fondsrente sei kein adäquates Produkt, weil eine Rente nur durch Versicherungen gewährleistet werden könne. Glauben Sie, dass diese Kritik Ihrem Anliegen geschadet hat?

Nein, im Gegenteil. Diese Kritik wurde durch Fakten widerlegt. Wir haben als BVI eine Studie durchgeführt, die gezeigt hat, dass es nur in wenigen Ausnahmefällen zu einer finanziellen Lücke bis zum Lebensende kommt. Versicherer argumentieren oft, dass diese Menschen dem Staat zur Last fallen würden. Das ist aber eine Verzerrung, denn auch ohne Fondssparpläne wären diese Personen nicht besser abgesichert gewesen. Unsere Studie hat das klar belegt, während sich die Gegenargumente als haltlos erwiesen haben. Die Diskussion hat unsere Position eher gestärkt.

Dennoch scheinen Versicherer vom Konzept des Altersvorsorgedepots und den neuen gesetzlichen Möglichkeiten nicht begeistert zu sein. Warum?

Historisch gesehen war die Altersvorsorge eine Hochburg der Versicherungsbranche. Sie hat einen starken Draht zur Politik gehabt. Jetzt gibt es eine Alternative, die für viele Menschen effizienter ist. Versicherungsprodukte verursachen hohe Kosten, die die Performance schmälern. Für rund 96 Prozent der Menschen reicht das Kapital, das durch Fondsprodukte angespart wird, bis zum Lebensende aus, und im Schnitt bleibt sogar noch erhebliches Kapital übrig. Das macht Fonds zu einer attraktiven Alternative, und das gefällt der Versicherungsindustrie natürlich nicht.

Sie haben die erste Säule der Altersvorsorge, das Generationenkapital, angesprochen. Welche Position vertritt der BVI hierzu?

Wir müssen in allen drei Säulen der Altersvorsorge Fortschritte machen. Das Generationenkapital ist eine Möglichkeit, das Umlagesystem zu stützen. Eine Finanzierung über Schulden ist aus unserer Sicht jedoch nicht nachhaltig. Es wäre sinnvoller, einen Teil der Beiträge, die in die Rentenkasse fließen, am Kapitalmarkt zu investieren – wie es Schweden bereits erfolgreich praktiziert. Ob das in der ersten Säule durch einen Staatsfonds oder privat gemanagte Fonds erfolgt, kann diskutiert werden. Wir als Branche sagen: Wir haben die Expertise, das effizienter zu gestalten.

Beim Thema private Vorsorge werden immer häufiger auch ETFs genutzt. Die Diskussion aktiv versus passiv in der Fondsbranche gibt es schon lange. Wie beurteilen Sie die aktuelle Entwicklung?

Beide Ansätze haben ihre Daseinsberechtigung. ETFs sind vor allem bei der jüngeren Generation beliebt, weil sie preiswert und transparent sind. ETF ist für viele ein Buzzword. Das ist eine gute Entwicklung, aber es ist wichtig zu verstehen, dass ETFs allein nicht immer die beste Lösung sind. Sie folgen starr dem Index und können Marktineffizienzen nicht ausnutzen. Aktive Fonds hingegen bieten die Möglichkeit, eine Outperformance zu erzielen.

Die Argumente sind seit Jahren die gleichen. Hat sich bei der Diskussion nichts verändert?

Die Diskussion ist weitgehend abgeflaut. Vor zehn, fünfzehn Jahren war sie präsenter, auch wegen Bedenken der EZB zu Systemrisiken. Erfahrungen wie die Finanzkrise haben aber inzwischen gezeigt, dass weder Rücksetzer noch starke Zuflüsse Verwerfungen auslösen. ETFs wachsen weiter, insbesondere in Deutschland, dem größten ETF-Markt Europas, mit schätzungsweise 450 Mrd. Euro – einem Viertel der Publikumsfonds. Es herrscht friedliche Koexistenz.

Ist es aus Sicht der Branche egal, welches Produkt gewählt wird? Hauptsache Fonds?

Wichtig ist, dass Anleger verstehen, was sie tun. Ob ETF oder aktiver Fonds besser ist, hängt von Vermögenslage, Lebensphase und Zielen ab. Viele wissen zum Beispiel nicht, dass ein ETF auf den MSCI World stark von US-Tech-Firmen dominiert ist. Die Finanzbildung in Europa muss dringend verbessert werden.

Gebühren sind oft ein Streitpunkt, aktive Fonds sind teurer als ETFs. Gibt es hier Entwicklungen, die Anlegern zugutekommen?

Ja, der Margendruck auf Fondsanbieter hat generell dazu geführt, dass die Gebühren in den letzten Jahren gesunken sind. Das sehen wir auch in den Statistiken der EU-Behörde ESMA. Das ist gut für Anleger, aber es bedeutet auch, dass wir als Branche noch effizienter werden müssen.

Während es ETFs schon lange gibt, sind die EU-Sachwertefonds, Eltifs, ein relativ neues Produkt. Dabei geht es um das große Thema der Infrastrukturfinanzierung. Wie könnte die Fondsbranche dazu beitragen?

Der Investitionsbedarf ist enorm, und die Staaten allein können das nicht stemmen. Es braucht privates Kapital. Institutionelle Anleger sind bereit, mehr in Infrastruktur zu investieren, stoßen jedoch oft an regulatorische Grenzen. Auf der anderen Seite ist es schwierig, Privatanleger für solche Investments zu gewinnen. Infrastrukturprojekte sind oft illiquide und komplex, was sie schwer verständlich macht. Es gibt erste Ansätze, wie etwa offene Infrastruktursondervermögen oder der Eltif, die eine breitere Investorenbasis ansprechen könnten. Aber um hier wirklich Fortschritte zu machen, brauchen wir mehr Bildung sowohl für Berater als auch für Anleger.

Nachhaltigkeit ist ein weiteres Buzzword. Sind ETFs in diesem Bereich im Nachteil?

Nein, nicht zwangsläufig. Es gibt mittlerweile viele ESG-Indizes, die auch als ETFs abgebildet werden können. Fast 20 Prozent der ETF-Zuflüsse in Europa fließen in ESG- oder Themenfonds. Es gibt also eine Nachfrage, und diese Produkte sind durchaus wettbewerbsfähig.

Das Interview führten Wolf Brandes und Carolin Kassella.

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