Nachhaltigkeit

ESMA gegen ESG-Etikettenschwindel

Die Europäische Wertpapier- und Marktaufsichtsbehörde arbeitet an Leitlinien zur Verhinderung von irreführenden Fondsnamen bei nachhaltigen Produkten. Der Branchenverband BVI kritisiert das Timing.

ESMA gegen ESG-Etikettenschwindel

Die Europäische Wertpapier- und Marktaufsichtsbehörde (ESMA) arbeitet an Leitlinien, die verhindern sollen, dass Assetmanager Fondsnamen mit Begriffen aus den Bereichen Umwelt, Soziales und Governance (ESG) oder Nachhaltigkeit in irreführender Weise verwenden. Die Behörde führte dazu bis zum 20. Februar eine Konsultation durch. Die ESMA geht davon aus, dass sie die Leitlinien im zweiten oder dritten Quartal veröffentlichen wird.

Die ESMA stellt klar, dass ein Fondsname ein wichtiges Marketinginstrument sei. „Der Name eines Fonds ist in der Regel das erste Merkmal, das die Anleger sehen.“ Auch wenn Privatleute demnach nicht nur auf den Namen achten dürfen, sondern auch die Fondskonzeption im Detail prüfen sollten, kann der Name einen erheblichen Einfluss auf die Anlageentscheidungen haben.

Die Aufsicht hat um Feedback zu zwei Vorschlägen gebeten. Wenn ein Fonds im Namen ESG-bezogene Begriffe wie Klimawandel oder Biodiversität enthält, sollten mindestens 80% seiner Investitionen in Anlagen mit ökologischen oder sozialen Merkmalen oder mit nachhaltigen Anlagezielen fließen, wie in der Offenlegungsverordnung (SFDR) dargelegt. Wenn ein Fonds das Wort „nachhaltig“ im Namen trägt, sollten mindestens 50% der Anlagen entsprechend grün investiert werden. „Manager, die planen, Gelder mit einem ESG- oder nachhaltigen Fokus einzusammeln, sollten die Vorschläge der ESMA-Leitlinien berücksichtigen“, sagt Claire Winrow von der Anwaltskanzlei Pinsent Masons, auch wenn es sich nur um einen Entwurf handele.

ESG-Worte im Fonds­namen können laut Argumentation der ESMA besonders wirkungsvoll sein, da solche Fonds potenziell ein großes Interesse wecken. Der Wettbewerbsdruck auf dem Markt schafft demnach also Anreize für Vermögensverwalter, Begriffe in die Namen ihrer Fonds aufzunehmen, um Anlegergelder anzuziehen. Das könnte im Ex­tremfall zu Greenwashing führen, wenn etwa falsche Behauptungen aufgestellt werden.

Thomas Richter, Hauptgeschäftsführer des deutschen Fondsverbands BVI, kommentiert: „Die Idee der Initiative ist gut, weil sie den EU-weiten Flickenteppich in der Verwaltungspraxis bei den Anforderungen an die Fonds beenden würde.“ Allerdings habe die ESMA einen schlechten Zeitpunkt gewählt, da die EU-Kommission offenbar im Sommer eine Überprüfung der Offenlegungsverordnung plane und dabei die Einführung von ESG-Siegeln für alle Finanzprodukte diskutieren möchte. Isolierte Regeln für Fonds seien kontra­produktiv.

Mit der aktuellen Konsultation ziele die ESMA außerdem darauf ab, unterschiedliche nationale Ansätze zu adressieren und das Risiko zu mindern, das unterschiedliche Zuständigkeiten ausgenutzt werden, ergänzt Patrick Eicher von Pinsent Masons. „Es wird interessant sein zu sehen, ob und inwieweit derzeit ‚grün‘ beworbene Portfolios sowie deren Kennzeichnung neu geordnet werden müssen – ähnlich wie bei der jüngsten erzwungenen Herabstufung zahlreicher Artikel-9-Fonds durch verschiedene renommierte Fondsmanager.“ Gemäß der SFDR fördern Artikel-8-Fonds ökologische oder soziale Merkmale, während die strengeren Regeln für Artikel-9-Fonds ein nachhaltiges Anlageziel verfolgen. Auf dem Markt herrscht jedoch Verwirrung. Nach Angaben von Morningstar wurden daher im vierten Quartal rund 40 % der Artikel-9-Fonds in die Artikel-8-Kategorie zurückgestuft. Der Trend setzte sich in diesem Jahr fort.

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