Frankreich zwischen Herausforderungen und neuen Chancen
Wer sich zurückerinnert an Paris im vergangenen Sommer, der hat unweigerlich die Bilder der Olympischen Spiele vor Augen. Frankreichs Hauptstadt zeigte sich von ihrer allerbesten Seite und machte Werbung für sich und für das ganze Land. Versailles, Eiffelturm, Grand Palais, Tahiti – die Spielstätten waren spektakulär. Frankreich inszenierte ein unvergessliches Schauspiel, bei dem nicht nur Kultur und Savoir Vivre, sondern auch die französische Wirtschaft ihre Plattform bekamen. Das hat auch die Menschen in Frankreich stolz gemacht und eine Aufbruchstimmung erzeugt.
Blick auf die Politik
Die schöne Erinnerung bleibt – aber ganz so gelöst wie damals ist die Stimmung bei unseren Nachbarn inzwischen nicht mehr. Nach dem Ende der Olympischen Spiele sind die politischen und wirt-schaftlichen Herausforderungen wieder mehr in den Fokus gerückt. Das wird auch in Cannes an der Côte d’Azur zu spüren sein, wo in diesen Tagen die MIPIM stattfindet, das wichtigste europäische Branchentreffen der Immobilienwirtschaft. Anlass genug für einen Blick auf die politische, ökonomische und immobilienwirtschaftliche Ausgangslage Frankreichs.
Beginnen wir mit dem Blick auf die Politik: Nach den Europawahlen im vergangenen Juni hatte Staatspräsident Emmanuel Macron die Nationalversammlung aufgelöst. Die Ergebnisse der Neuwahlen führten zu einer Regierung ohne eigene Mehrheit im Parlament. Das Kabinett um Premierminister Michel Barnier wurde aufgrund des Streits um den neuen Haushalt alsbald zu Fall gebracht. Auch die neue Minderheitsregierung um Barniers Nachfolger François Bayrou hat es nicht leicht.
Geringere Steuerlast, weniger Bürokratie
Wirtschaftlich war Frankreich zunächst gut aus der Pandemie gekommen. Steuerbelastungen wurden reduziert, Unternehmensgründungen unterstützt, Bürokratie abgebaut und die Infrastruktur gepflegt. Außerdem steckte man Geld in die Bildung sowie in die Qualifikation von Fachkräften. Die Energiepreise konnten durch Subventionen niedrig gehalten werden. Dadurch entstand ein positives Umfeld für Unternehmen, auch die Zahl der französischen Erwerbstätigen stieg an. Die Wirtschaft wuchs langsam, aber stetig – zuletzt um rund 1 %, übrigens auch dank der Olympischen Spiele, die sich als Segen für den Dienstleistungssektor erwiesen. Frankreich holte zudem viele ausländische Investitionen ins Land.
Demgegenüber steht Frankreichs Staatsverschuldung. Diese beträgt 110 % des Bruttoinlandsproduktes. Was also tun? Steuererhöhungen und Subventionsabbau könnten den französischen Haushalt wieder ins Lot bringen. Das würde jedoch die Unternehmen belasten und die Konsumlaune der Franzosen dämpfen.
Apropos Konsum: Am Markt für Einzelhandelsimmobilien herrscht ein ähnliches Bild wie bei uns in Deutschland. Zwar steht der französische Einzelhandel im Bereich Nonfood besser da, viele Objekte auf den Einkaufsstraßen stehen aber trotzdem leer. Es kommt wie hierzulande stark auf die Lage und die Qualität an. Gleiches gilt für Shoppingcenter: In Frankreich funktionieren diese vor allem in der Premium-Kategorie. Anders als bei uns ist auch der Lebensmitteleinzelhandel mit seinen teils riesigen, dezentralen Flächen unter Druck geraten. Die großen Anbieter sind deshalb dabei, ihre Ladenkonzepte entsprechend den Bedürfnissen der Kunden anzupassen.
Beachtliche Spitzenmieten
Auch in Frankreich haben Pandemie, Zinsentwicklung und die energetische Transformation den Büromarkt durcheinandergewirbelt. Im Pariser Zentrum sind die Spitzenmieten mit mehr als 1.000 Euro pro Quadratmeter/Jahr weiterhin sehr hoch. Wer etwas auf sich hält, leistet sich das – verlangt dafür aber auch einen perfekten energetischen Zustand und eine sehr gute Lage.
In La Défense verändert sich hingegen gerade einiges. Gesucht werden vor allem sanierte Gebäude in bester Mikrolage. Solche Objekte erzielen mittlerweile höhere Mietpreise als Neubauten in der zweiten Reihe. Chancen für die Peripherie könnten sich in der Zukunft dadurch ergeben, dass sich Unternehmen einen Standort im Zentrum von Paris nicht mehr leisten können oder wollen. Das würde auch den Mitarbeitenden entgegenkommen, die überwiegend außerhalb des Stadtzentrums leben. Blicken wir noch kurz auf weitere Assetklassen: Ähnlich wie in Deutschland hat sich der Logistiksektor in Frankreich äußerst positiv entwickelt. Der Bedarf ist groß, vor allem auf der Achse Lille-Paris-Lyon-Marseille und im Bereich der Last-Mile-Logistik. Auch der Hotelsektor brummt, denn Frankreich ist ein Urlaubsland. Die Olympischen Spiele haben dem noch einmal weiteren Schwung verliehen, Touristen aus aller Welt kommen gerne und zahlreich. Auch Nischenthemen wie Studierendenunterkünfte performen aktuell sehr gut. Daran sieht man, dass ebenso wie in Deutschland auch in Frankreich kleine und bezahlbare Einheiten stark nachgefragt sind. Hier bieten sich Chancen für Investitionen.
Es gibt viel zu besprechen
Es gibt also in Cannes viel zu besprechen. Frankreich muss sich wie Deutschland politisch und wirtschaftlich neu sortieren. Trotz der vielschichtigen Herausforderungen gibt es positive Signale aus dem französischen Immobilienmarkt zu vermelden. Und selbst wenn 2025 ein Konsolidierungsjahr bleibt, kann sich der zentralistisch organisierte französische Immobilienmarkt auf eines verlassen: Der Großraum Paris wird immer ein Anziehungspunkt für Anleger mit viel Kapital bleiben.

Nadine Stegemann/Berlin Hyp