Nachhaltigkeit

Green Fintech – Europas Chance, sich zu positionieren

Die USA haben mit Trumps damaliger Ankündigung, sich aus dem Pariser Abkommen zurückzuziehen, wertvolle Jahre verloren. Im starken Kontrast dazu hat die Europäische Kommission konsequent ihre Überlegungen weiterverfolgt. Seit 2018 wurde an der Sustainable-Finance-Agenda gearbeitet.

Green Fintech – Europas Chance, sich zu positionieren

Bisher hat die europäische Venture-Capital-Szene der amerikanischen wenig entgegenzusetzen. In Amerika steht mehr Wachstumskapital zur Verfügung und das Ökosystem, Stichwort Silicon Valley, ist deutlich besser ausgebaut. Die Kernthemen der vergangenen Dekade sind alle bereits besetzt. Das könnte sich im Themenfeld Nachhaltigkeit künftig ändern. 195 Vertragsparteien haben das Abkommen von Paris im Jahr 2015 unterzeichnet, mit dem das Ziel des Klimaschutzes vereinbart wurde. Doch nur zwei Jahre später schockierte Donald Trump die westliche Welt mit der Ankündigung, die USA werde sich aus dem Abkommen zurückziehen. Obwohl diese Entscheidung von Joe Biden im Januar 2021 zurückgenommen wurde, haben die USA wertvolle Jahre verloren.

Im starken Kontrast dazu hat die Europäische Kommission konsequent ihre Überlegungen weiterverfolgt. Seit 2018 wurde an der Sustainable-Finance-Agenda gearbeitet. Im Dezember 2019 wurde der European Green Deal vorgestellt und bereits im Januar 2020 verabschiedet. Diese halten die Klimaziele der Europäischen Union fest, die schon im September 2020 auf Wunsch des Europäischen Parlaments verschärft und konkretisiert wurden.Die damit einhergehenden Regulierungspakete und neuen Anforderungen an Unternehmen sind einzigartig.

Ein Beispiel ist die EU-Taxonomie, welche die zu erfüllenden technischen Bedingungen darlegt, um eine wirtschaftliche Aktivität als „EU-Taxonomie-konform“ – sprich nachhaltig – bezeichnen zu können. Weitere Beispiele sind die Corporate Sustainabilty Reporting Directive oder die Erwartungen der Aufsichtsbehörden an die Finanzinstitute. Kein anderes Rechtsgebiet auf der Welt stellt solche Anforderungen – bisher.

Regtech als Antwort

Diese Herausforderungen haben findige Unternehmer als Chance für sich erkannt. An der Schnittstelle zwischen Nachhaltigkeit und Regulierung ist ein wahrer Start-up-Boom im Gange. So konzentriert sich beispielsweise ein Segment an Start-ups auf die Herausforderungen, die mit der EU-Taxonomie einhergehen. Dazu gehören Start-ups wie die belgische Greenomy oder die norwegische Celsia. Beide führen mittelständische und große Unternehmen durch einen Fragebogen, der die Beurteilung der wirtschaftlichen Aktivitäten erheblich erleichtert. Die zu beantwortenden Fragen werden dynamisch angepasst, basierend auf den Angaben der Nutzer. Dies vermeidet, dass man als Unternehmen über 1000 Seiten technische Kriterien durcharbeiten muss, um zu einem Ergebnis bezüglich seiner Taxonomie-Quote zu kommen. In vielen Fällen können Arbeitsstand, Nachweise und Ergebnisse auch mit anderen Parteien geteilt werden, beispielsweise dem Wirtschaftsprüfer, der Bank oder einem Investor.

Zahlreiche deutsche Start-ups verfolgen einen breiteren Anspruch. Envoria etwa hat sich zum Ziel gesetzt, die „All-in-one-ESG-Software“ zu sein. Die EU-Taxonomie ist nur einer von zahlreichen Anwendungsfällen, bei der die Software den Nutzer unterstützt. Ähnlich ist es bei Spenoki. Hier steht die Erstellung eines vollständigen ESG-Berichts für kleine und mittelständische Unternehmen im Vordergrund. Beiden gemeinsam ist, dass sie ein Software-as-a-Service Geschäftsmodell verfolgen und von Unternehmen eine jährliche Lizenzgebühr verlangen. Weitere Länder könnten EU-Beispiel folgen.

Selbstverständlich gibt es auch im amerikanischen Raum Neugründungen im Bereich Nachhaltigkeit. Allerdings haben diese sich bisher kaum auf die Schnittstelle zwischen Nachhaltigkeit und Regulierung konzentriert. Warum auch? Im lokalen Markt gibt es kaum Bedarf für diesen Typus Angebote. Es gibt allerdings Anzeichen, dass andere Länder dem Vorbild der Europäischen Union folgen werden. Das Vereinigte Königreich wird im Laufe des Jahres seine „Green Taxonomy“ herausbringen. Es wird erwartet, dass diese in Struktur und Inhalt der europäischen nahezu identisch ist. Auch Südafrika und Südkorea planen die Einführung einer Taxonomie für Nachhaltigkeit nach dem europäischen Vorbild. In den USA ändern sich die Rahmenparameter ebenfalls. Vor kurzem veröffentlichte die Securities Exchange Commission ein Vorhaben, das kapitalmarktorientierten Unternehmen zusätzliche Vorschriften bezüglich ihrer Nachhaltigkeitsberichterstattung auferlegt. In der Substanz ist es dem Gedanken der Task Force for Climate Related Financial Disclosure sehr nah, die auch die europäische Regulierung beeinflusst hat.

Bei Oliver Wyman sind wir der Auffassung, dass die europäische Start-up Szene auf diesem sehr eng definierten Feld ein paar Jahre Vorsprung besitzt. Allerdings hält kein Wettbewerbsvorteil auf alle Ewigkeit und die Konkurrenz schläft nicht. Die amerikanische Venture-Capital-Szene hat sich aufgrund ihres Kapitalangebots und des sehr ausgeprägten Start-up Ökosystems im Silicon Valley bislang als äußerst wirkungsvoll erwiesen. Für die Start-ups Europas wird jetzt die wirkungsvolle Skalierung auf europäische Plattformen mit hinreichend Masse zum wesentlichen Erfolgsfaktor, um profitabel zu sein. Sollte dies gelingen und sich zeitgleich der bisherige Trend fortsetzen, gibt es eine Chance auf neue europäische Champions, die ihre Produkte in die Welt exportieren.

Zuletzt erschienen:

„Grüne Neobank Aspiration segelt hart am Wind (9. August)

„Größtes Wachstum in den USA“ (2. August)