Verteidigung und Klimaschutz

Herkulesaufgabe Transformation

Verteidigung, Klimaschutz, Wettbewerbsfähigkeit: Wirtschaft und Finanzbranche sind mit der Aufgabe konfrontiert, eine Kombination von Transformationen zu organisieren und zu finanzieren.

Herkulesaufgabe Transformation

Herkulesaufgabe Transformation

Barclays-Deutschlandchefin Hengster wirbt für Vereinfachung des Investments in Netzwerk-Infrastrukturen – Behrens plädiert für „401k vergleichbares System“

fed Frankfurt

Europas Wirtschaft und Finanzbranche stehen aktuell vor der schwierigen Aufgabe, mehrere Transformationsprozesse quasi parallel zu organisieren. Darüber herrschte am Donnerstag unter Vortragenden und Diskussionsteilnehmern der 2. Jahreskonferenz des Centre for European Transformation an der Frankfurt School of Finance & Management Einvernehmen. „Die größte Herausforderung ist, dass wir gerade eine beispiellose Kombination transformatorischer Entwicklungen erleben“, erklärte Ingrid Hengster, Deutschland-Chefin der britischen Großbank Barclays. So habe noch vor wenigen Wochen niemand damit gerechnet, dass die EU-Kommission 800 Mrd. Euro schwere Finanzierungspakete für eine Ausweitung der Rüstungsausgaben schnüren werde.

Privates Kapital mobilisieren

Um die enormen Kosten – und zwar eben nicht nur zum Zwecke der Verteidigung, sondern auch des Klimaschutzes oder der Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit – zu schultern, plädierte Hengster für politische Maßnahmen, die den europäischen Kapitalmarkt stärken würden. Denn selbst die riesigen, jetzt in Aussicht gestellten staatlichen Investitionsprogramme machten eine Mobilisierung privaten Kapitals für die verschiedenen Transformationen nicht entbehrlich.

Finanzbildung stärken

Erstens warb Hengster deshalb dafür, es für private Investoren einfacher als bisher zu machen, sich mit ihrem Geld in Netzwerk-Infrastrukturen zu engagieren. Zweitens bekräftigte sie ihre Forderung nach Anpassungen an der EU-Verbriefungs-Verordnung mit dem Ziel, diese Brücke zwischen Kredit- und Marktfinanzierung in Europa wieder attraktiver zu machen. Und drittens machte sie sich für rasche und gemeinsame Maßnahmen zur Stärkung der finanziellen Bildung stark, um junge Menschen an die Kapitalanlage heranzuführen. Zudem sprach sie sich für Maßnahmen aus, um die Skalierung von Geschäftsmodellen zu unterstützen. Es gebe keinen Mangel an Forschungsergebnissen in Europa. Es hake aber daran, sie in Geschäftsmodelle zu übersetzen und diese zu einer kritischen Größe zu entwickeln.

In ähnliche Richtung äußerte sich Nicola Beer, Vizepräsidentin der EU-Investitionsbank (EIB). Europa müsse sich Gedanken machen, wenn „europäisches Geld in die Vereinigten Staaten fließe, um dort europäische Ideen zu finanzieren“. Es gebe – und das sage sie als Vertreterin der EIB, bei der mehr als 600 Wissenschaftler mit der Prüfung von Geschäftsmodellen befasst seien – in Europa genug vielversprechende Projekte. Es wäre bedauerlich, wenn diese innovativen Unternehmen keine Chance hätten, ihr Wachstum nur mithilfe von Kapital aus den USA zu finanzieren.

Investitionsbremse Bürokratie

Achim Wambach, Präsident des Wirtschaftsforschungsinstituts ZEW, erinnerte daran, dass Unternehmen in Umfragen den bürokratischen Aufwand als größte Bremse für Investitionen in der EU nennen – noch vor Problemen beim Kapitalzugang. Er würdigte in diesem Zusammenhang zwar die Ankündigungen aus Brüssel, Berichtspflichten zu reduzieren. Das eigentliche Hemmnis für Investitionen ist seiner Ansicht nach jedoch nicht der Reporting-Aufwand, sondern weitreichende Vorgaben etwa für die Nutzung künstlicher Intelligenz (AI Act) oder den Einsatz von Daten (Datenschutz-Grundverordnung).

Aktiengeschäfte durch Regulierung erschwert

Oliver Behrens, Aufsichtsratschef der DWS und CEO von FlatexDegiro, bedauerte, dass in Deutschland nur 10% aller Haushalte Aktien halten – ein Umstand, den er auch darauf zurückführte, dass EU-Regulierung wie die Vorgaben der EU-Marktnovelle Mifid II den Bürgern den Einstieg in das Wertpapiergeschäft durch zahlreiche Abfragen unnötig erschwere. Behrens, zugleich Präsident von Frankfurt Main Finance, bekräftigte sein Plädoyer für die Einführung eines „mit dem amerikanischen 401k vergleichbaren Systems“, also eines vom Arbeitgeber mitfinanzierten Modells der privaten Altersvorsorge,

Prof. Nils Stieglitz, Präsident der Frankfurt School, unterstrich, dass das Centre for European Transformation eine Plattform sein wolle für die Debatten rund um die beiden Kernfragen: Wie gestalten und wie finanzieren wir den Umbau der Wirtschaft? Hessens Finanzminister Prof. Alexander Lorz erklärte, die Landesregierung sei stolz darauf, dass das Zentrum als Bestandteil des „akademischen Ökosystems“ in Frankfurt beheimatet sei.

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