Weniger Kredite an Unternehmen

Italienische Banken fahren Kreditvergabe zurück

Die rückläufige Kreditvergabe der italienischen Banken lässt Kritiker einer Commerzbank-Übernahme durch Unicredit aufhorchen. Doch Bankenprofessor Stefano Caselli hält nicht die Vorsicht der Banken für das Problem.

Italienische Banken fahren Kreditvergabe zurück

Schlechtes Omen für die Commerzbank?

Die italienischen Banken haben die Kreditvergabe zuletzt trotz Zinssenkungen zurückgefahren. An überzogener Vorsicht liegt das nach Expertenansicht nicht.

Von Gerhard Bläske, Mailand
bl Mailand

Italiens Banken haben per Ende September Rekordgewinne ausgewiesen: 29,4 Mrd. Euro allein die fünf größten von ihnen. Die Aktionäre können sich über Rekordausschüttungen und Rekordkurse freuen. Doch trotz drei Zinssenkungen innerhalb weniger Monate vergeben die Institute weniger Kredite an Unternehmen. Bankenprofessor Stefano Caselli sieht darin ein Nachfrageproblem.

Die Kreditvergabe italienischer Institute ging laut Banca dItalia per Ende September gegenüber Vorjahr um 2,42% zurück. 2022 hatten Italiens Banken im Vorjahresvergleich noch 4,36% mehr Darlehen ausgezahlt. Damit die Wirtschaft auch künftig wächst, müssen Unternehmen jetzt investieren. Dafür brauchen sie Kredite. Das gilt in Italien und anderen kontinentaleuropäischen Ländern noch mehr als in der angelsächsischen Welt, weil der Anteil der Kapitalmarktfinanzierung geringer ist.

Zu vorsichtige Kreditvergabe?

Sind die gut kapitalisierten und sehr ertragsstarken italienischen Banken zu vorsichtig bei der Kreditvergabe? Denkbar wäre es. Denn es war ja gerade die leichtfertige Kreditvergabe, die sie vor mehr als zehn Jahren in eine existenzbedrohende Krise führte. 361 Mrd. Euro an faulen Krediten hatten Italiens Banken damals angehäuft. 2013 waren das fast 10% des gesamten Kreditbestands.

Die Monte dei Paschi di Siena (MPS) musste mit Milliarden vom Staat gerettet werden. Hunderte von selbständigen Instituten verschwanden. Viele kleinere und mittelgroße Banken landeten, oft mit staatlicher Hilfe, bei größeren Banken wie dem Crédit Agricole oder der Intesa Sanpaolo. Unicredit brauchte eine Kapitalerhöhung von 16 Mrd. Euro und musste Tafelsilber von 7 Mrd. Euro, darunter die Vermögensverwaltungstochter Pioneer, verkaufen.

Anteil der faulen Kredite gesunken

Die faulen Kredite wurden an die staatliche Bad Bank Amco ausgelagert oder im Laufe der Jahre an Verwerter abgegeben. Inzwischen ist das Volumen ausfallgefährdeter Kredite bei den italienischen Banken auf etwa 2% zurückgegangen, und es zeichnet sich bislang auch kein neuer Anstieg an. Die meisten Banken haben die Kreditrisikovorsorge zuletzt allenfalls geringfügig angehoben.

Die Vorsicht bei der Kreditvergabe und die mangelnde Weitergabe von Zinssenkungen könnten bedeuten, dass die Institute ihrer volkswirtschaftlichen Verantwortung nicht gerecht werden. Das wäre auch ein schlechtes Omen für den Fall, dass die Commerzbank tatsächlich bei der Unicredit landen sollte. Denn auch bei der Unicredit-Tochter HVB geht die Kreditvergabe zurück. Kritiker einer Commerzbank-Übernahme fürchten denn auch, dass diese künftig die womöglich strengeren Kreditvergabekriterien einer italienischen Mutter erfüllen müssten.

Unternehmen halten sich zurück

So einfach ist die Sache laut Bankenprofessor Stefano Caselli nicht. Der Dekan der Mailänder SDA Bocconi School of Management, lokalisiert das Problem vielmehr auf der Nachfrageseite. „Dass die Institute weniger Kredite vergeben, liegt daran, dass Unternehmen weniger Kredite nachfragen, nicht daran, dass sie weniger Kredite vergeben wollen“, sagt er.

Die italienischen Banken seien sehr solide und gut kapitalisiert und daher auch in der Lage, Kredite zu vergeben, unterstreicht Caselli. „Gesamtwirtschaftlich gesehen ist die geringe Kreditnachfrage problematisch, denn die Unternehmen sollten mehr investieren.“ Aus Casellis Sicht braucht es größere Unternehmen, größere Banken und über gemeinsame europäische Schulden finanzierte europäische Projekte. Dann würden mehr Kredite nachgefragt und vergeben.