Bankenkrise

„Jetzt hatte die Credit Suisse keine Zeit mehr“

Der Vontobel-Analyst Andreas Venditti sieht viele Versäumnisse bei der Bank. Das Kursziel der UBS setzt er wegen der hohen Risiken der Übernahme herab.

„Jetzt hatte die Credit Suisse keine Zeit mehr“

wbr Frankfurt

Der Bankenanalyst der Bank Vontobel, Andreas Venditti, hat sich wenig überrascht gezeigt über die Entwicklungen am vergangenen Wochenende, die mit der Übernahme der Credit Suisse durch die UBS gipfelten. Die Ursachen für die Entwicklung sieht Venditti, der seit mehr als 20 Jahren in der Schweizer Bankbranche arbeitet und von 1999 bis 2004 Portfoliomanager bei der Credit Suisse war, schon viel früher. Ein Blick auf den Aktienkurs seit Ende der Finanzkrise sage viel über die Substanz der Credit Suisse, denn die Notierung sei über die vielen Jahre mehr oder weniger stark gefallen. Hinzu kommen die häufigen Umstrukturierungen in den vergangenen Jahren.

Entscheidend sei der Vorfall mit dem US-Hedgefonds Archegos im Jahr 2021 gewesen. Der dabei erlittene Verlust von rund 5 Mrd. Dollar sei für eine Bank auch in dieser Größe sehr schmerzhaft. Doch noch schlimmer sei der vernichtende Bericht gewesen. Es seien viele Mängel im Risikomanagement sowie kulturelle und personelle Mängel aufgedeckt worden. Beispielsweise wurden erfahrene Risikomanager durch unerfahrene Personen ersetzt, die überfordert gewesen seien. Die Qualität einer Bank von außen zu erkennen, sei schwierig. Man sehe erst, was los ist, wenn etwas schiefgeht, so der Analyst. Kritisch sieht Venditti auch die Darstellung der Credit Suisse, die eine Künstlerin gewesen sei, sich zu präsentieren.

Eine Serie von weiteren Unglücken wie mit Greensill habe gezeigt, dass es nicht nur im Investment Banking Probleme gab. Im vergangenen Oktober habe das Social-Media-Debakel zu massiven Abflüssen geführt. „Jetzt hatte die Credit Suisse keine Zeit mehr, ihre neue Strategie umzusetzen, und der Markt hat ihr auch keine Zeit gelassen.“ Der Anlass für das Ende der Credit Suisse war aus Sicht von Venditti der jüngste Zusammenbruch der US-Banken.

Wenig Sorgen hat der Bankanalyst, dass es zu einem Flächenbrand in Europa kommen könnte. Die in der Schweiz gefundene Lösung sei unter den schlechten die beste. Man dürfe die neue Konstellation als erfolgreich betrachten, sollte es nicht an anderer Stelle wie beispielsweise in den USA neue Probleme geben.

UBS-Kursziel korrigiert

Ein Problem macht die rasante Entwicklung der vergangenen Tage bei der Kalkulation von Finanzzahlen. Venditti hat das Kursziel für die UBS von 22,50 auf 19,50 sfr mit der Einschätzung „buy“ reduziert. Damit habe er die erheblichen Risiken eingepreist. Die UBS müsse nun eine gewaltige Bilanz schultern beziehungsweise abbauen. Für die Notierung der Credit Suisse sei im Wesentlichen das Umtauschverhältnis zu UBS-Anteilen entscheidend. Denkbar sei es allerdings, dass es zu einer Spekulation durch Arbitrageure komme, die nicht an die gefundene Lösung glaubten.