Klimarisiken sind ungleich verteilt
bn Frankfurt
Die Europäische Zentralbank (EZB) und der dort angesiedelte Europäische Systemrisikorat warnen vor den Folgen einer ungleichen Verteilung von Klimarisiken im Bankensektor. Wie eine Arbeitsgruppe von EZB und ESRB zur Überwachung von Klimarisiken am Donnerstag in einem gut 110 Seiten starken Bericht erläuterte, konzentrieren sich nicht weniger als 70% jener Engagements, die Banken in Euroland bei Firmen halten, welche in den nächsten Dekaden hohen oder steigenden Risiken des Klimawandels ausgesetzt sein werden, in den Portfolien von gerade einmal 25 Banken. Zugleich liegt der Anteil der Exposures außerhalb des Finanzsektors, von dem gewiss ist, dass er keinerlei Klimarisiken unterliegt, deutlich unter 10% (siehe Grafik). Was wiederum Übergangsrisiken im Zuge des Klimawandels angeht, dürften den Angaben zufolge viele Investmentfonds in der EU in den Fokus rücken, da gerade einmal 11% ihrer Portfolios als „grün“ bezeichnet werden können, wie es in der Analyse heißt.
EU verschärft Regeln
Der Befund der Arbeitsgruppe verdeutlicht, was für Europas Kreditwirtschaft mit der Erderwärmung auf dem Spiel steht, während Politik und Regulierung eilends an Initiativen zur Eindämmung bzw. Bewältigung des Klimawandels arbeiten. Erst am Donnerstag berichtete die Börsen-Zeitung vorab aus einem Strategiepapier der EU-Kommission, dem zufolge die Brüsseler Behörde ihre Sustainable-Finance-Strategie erneut nachschärfen und dabei auch den Banken- und Versicherungssektor noch stärker in die Pflicht nehmen will. Unter anderem will die EU-Kommission die Aufsichtsbehörden demnach ausdrücklich dazu ermächtigen, ESG-Risiken (Environment, Social, Governance) in den aufsichtlichen Überprüfungs- und Bewertungsprozess (SREP) einzubeziehen, der über die individuelle Eigenkapitalvorgabe für Banken entscheidet.
Wie der Bericht von EZB und ESRB nach einem Vergleich der Treibhausgasemissionen von über 1,5 Millionen Unternehmen in der Eurozone darlegt, machen Exposures gegenüber emissionsstarken Gesellschaften 14% der kollektiven Bilanzsumme der Banken Eurolands aus. Konzentriert seien diese vor allem im verarbeitenden Sektor sowie in den Bereichen Elektrizität, Transport und Bau. Dabei variierten die Engagements sehr stark nicht nur über die verschiedenen Sektoren hinweg, sondern auch innerhalb eines Sektors.
Herunterstufungen von Kredit-Ratings angesichts rapider steigender Kohlenstoffpreise könnten Schätzungen zufolge ein Zehntel der Bilanzsumme der Banken betreffen. Als ökonomisch relevantestes Klimarisiko der Banken auf Sicht der kommenden 20 Jahre machen EZB und ESRB Überschwemmungen aus. In Verbindung mit anderen Naturrisiken könnten diese letztlich bis zu 30% der Engagements der Banken der Eurozone im Unternehmenssektor betreffen, heißt es.
Wie adverse Klimaszenarien den Angaben zufolge ergeben haben, könnten die Kreditverluste im EU-Bankensektor in einem 30-Jahre-Horizont 1,60 bis 1,75% der Unternehmenskrediten zugeordneten Risikoaktiva erreichen. Dies entspreche etwa der Hälfte der Belastung, welche in konventionellen makroökonomischen Stresstest-Szenarien, wenngleich mit weitaus kürzeren Zeithorizonten, errechnet werden, heißt es in dem Bericht. Ein globales Treibhaus-Szenario führt nach Erkenntnissen der Arbeitsgruppe dabei zu höheren Verlusten im Finanzsystem als das Szenario eines ungeordneten Übergangs. Dies gelte sowohl zum einen mit Blick auf die sektorale Konzentration der Verluste von Banken, zu denen Elektrizität und Immobilien mehr als die Hälfte beisteuerten, als auch für die breitere Verteilung der Belastungen auf Bankenebene.
Marktrisiken drohen
Für den Fall eines ungeordneten Übergangs machen EZB und ESRB auf Sicht von 15 Jahren im Versicherersektor deutliche Risiken aus Neubewertungen in klimaempfindlichen Sektoren aus, und zwar eher im Eigenkapital von Unternehmen als in deren Fremdkapital. Das Marktrisiko könnte sich unterdessen auch für EU- Investmentfonds als relevant erweisen, heißt es. So deuteten adverse Szenarien auf Abschreibungen von 1,2% der Bestände an Aktien und Unternehmensanleihen in den nächsten 15 Jahren hin. Gerade im Falle der Investmentfonds tut den Angaben zufolge eine Begrünung der Portfolien not. Mehr als 55% der Anlagen bezögen sich auf Unternehmen mit hohen Emissionen. Die Übereinstimmung der Bestände mit der EU-Taxonomie schätzt die Arbeitsgruppe auf gerade einmal 1% der Assets.
In seinem ebenfalls am Donnerstag publizierten Jahresbericht warnt der Systemrisikorat angesichts der kräftig angeschwollenen Verschuldung mancher EU-Länder Reuters zufolge zudem vor einem Anstieg der Staatsanleihen-Renditen. Sollten diese stärker als bisher beobachtet anziehen, könnte dies negative Folgen für die Schuldendynamik haben, heißt es.